Pressemitteilung ODDO BHF AM: CIO View Prof. Dr. Jan Viebig: Die Abschaffung einer Schuldenbremse führt langfristig nicht zum Ziel

ODDO BHF | Frankfurt am Main, 02. Dezember 2023

In Deutschland ist die Schuldenbremse in den Artikeln 109 und 115 unseres Grundgesetzes verankert. Die Bundesregierung kann die Schuldenbremse aussetzen, wenn sie begründet, dass eine Notsituation oder eine Naturkatastrophe einen höheren Nettoverschuldungsbedarf auslöst. Im Jahr 2021 hat die Bundesregierung jedoch 60 Milliarden nicht genutzte Kreditermächtigungen im Zusammenhang mit Corona auf den Energie- und Klimafonds, der später als Klima- und Transformationsfonds umbenannt wurde, übertragen. Dieser haushaltspolitische Trick der Bundesregierung ist aufgeflogen. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Haushalt für verfassungswidrig und nichtig erklärt.

Deutschland steckt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 in einer schweren Haushaltskrise. Ob der Bundeshaushalt 2024 überhaupt noch in diesem Jahr verabschiedet werden kann, ist fraglich. Es klafft ein Milliardenloch, das gestopft werden muss. Zur verfassungskonformen Sicherung des Haushalts 2023 hat das Kabinett nun einem neuen Nachtragshaushalt zugestimmt. Demnach wird der Bund das vierte Jahr in Folge mehr Schulden aufnehmen als eigentlich erlaubt ist. Die deutsche Schuldenbremse wird für 2023 vermutlich erneut ausgesetzt.

Die Nettokreditaufnahme in Deutschland überstieg das durch die Schuldenbremse erlaubte Maß in den Jahren 2020, 2021 und 2022 deutlich (siehe Abb. 2). Die letzte offizielle Abrechnung für die Schuldenbremse wurde im September 2023 für das Haushaltsjahr 2022 veröffentlicht. Die Nettokreditaufnahme durch den Bundeshaushalt betrug im Jahr 2022 115,4 Milliarden Euro. Rechnet man die Nettokreditaufnahme der Sondervermögen in Höhe von 200 Milliarden Euro hinzu, dann betrug die gesamte Nettokreditaufnahme 315,4 Milliarden Euro. Tatsächlich hätte die Nettokreditaufnahme im Jahr 2022 aber 39 Milliarden Euro nicht überschreiten dürfen. Die Grenze für die verfassungsrechtlich vorgegebene Kreditaufnahme wurde im Jahr 2022 aufgrund der zu hohen Kreditaufnahme im Bundeshaushalt und durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds „Energie“ um 276,4 Milliarden überschritten. In den letzten drei Jahren überstieg die Nettokreditaufnahme das erlaubte Niveau um 41,9 Milliarden im Jahr 2020, um 192,0 Milliarden im Jahr 2021 und um 276,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr 2022. Bei der Berechnung der Schuldenbremse werden die seit 2009 geschaffenen Sondervermögen berücksichtigt. Eine Ausnahme bildet das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, das im Grundgesetz verankert wurde und damit nicht von dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts betroffen ist. In jedem dieser Jahre – 2020, 2021 und 2022 – musste die Bundesregierung von der Ausnahmeregelung nach Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 Gebrauch machen und die Schuldenbremse aussetzen.

Im Jahr 2023 wird die zulässige Kreditaufnahme voraussichtlich um knapp 45 Mrd. Euro überschritten. Die Bundesregierung muss sparen. Für 2024 wird sie ihre Ausgabenpläne vermutlich um 30 Milliarden Euro reduzieren.

Viele Vertreter der Bundesregierung, und nun auch einige CDU-Ministerpräsidenten, sehen die Schuldenbremse und ihre Ausgestaltung mittlerweile als Hemmschuh für die deutsche Wirtschaft, wohl auch, weil sie ohne die Manövriermasse der Sondervermögen eine erhebliche Einschränkung des Haushaltsspielraums der Regierung bedeutet. Die Schuldenbremse ist jedoch notwendig, da sie die Regierung hindert, exzessiv Schulden aufzunehmen. Damitträgt sie zur Generationengerechtigkeit bei und verhindert Verschuldungskrisen.

Das eigentliche Problem in Europa ist, dass die Verschuldung einiger Mitgliedstaaten seit Eintritt der Währungsunion dramatisch angestiegen ist (Abb. 1). Keine der Regelungen zur Schuldenbegrenzung in Europa – der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992; der mehrfach novellierte Stabilitäts- und Wachstumspakt aus dem Jahr 1997; der „Six-Pack“ und der europäische Fiskalpakt aus dem Jahr 2012, um die wichtigsten Regelungen zu nennen – hat verhindern können, dass die Schulden in einigen Mitgliedstaaten massiv angestiegen sind. Die gestiegenen Schulden in Kombination mit nunmehr deutlich gestiegenen Zinsen werden dem Handlungsspielraum der Fiskalpolitik in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2024 enge Grenzen setzen. Die Bundesregierung wird nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf einige Teile ihres „Modernisierungsprogramms“ verzichten und Subventionen zurückführen müssen. Wir erwarten, dass dadurch der Konjunkturabschwung in Deutschland verlängert und das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um 0,5 Prozentpunkte weniger wachsen wird. Von der deutschen Ampel-Regierung sind bis zu den Bundestagswahlen im Jahr 2025, oder aber bis zu vorgezogenen Neuwahlen, nur noch wenige fiskalpolitische Impulse zu erwarten.

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