Warburg | Hamburg, 17.04.2015.
Im englischen gibt es die Redewendung “It’s the elephant in the room”, die verwendet wird, wenn etwas Offensichtliches ignoriert wird oder wenn man über ein drängendes Thema nicht gerne spricht, weil es zu heikel ist.
Dieser Tage ist der sprichwörtliche Elefant im Raum eine Pleite Griechenlands oder sogar das Ausscheiden aus dem Euro; ein politisch nicht erwünschtes, ja unerhörtes Ereignis, das aber den Nachrichten nach zu urteilen in den letzten Tagen nochmals näher gerückt ist. So berichtete die Süddeutsche Zeitung gestern mit Berufung auf Quellen aus der Eurogruppe, “es sei ausgeschlossen”, dass bereits in Kürze eine Einigung mit Griechenland erzielt werden könne.
Ein Durchbruch der Verhandlungen beim Treffen der Finanzminister am 24. April in Riga werde es wohl nicht geben. Angesichts der finanziell äußerst angespannten Lage Athens könnte man bereits die Verzögerung weiterer Hilfszahlungen als Hiobsbotschaft bezeichnen. Doch das eigentlich beunruhigende an der Gemengelage ist der Eindruck, der zuletzt von der Stimmung in den Verhandlungen vermittelt wurde.
Der möglicherweise stärkste Druck lastet auf dem griechischen Bankensektor, der praktisch von allen Seiten unter Feuer geraten ist: Immer mehr Kredite erweisen sich als faul, der von der Regierung angekündigte Schutz von Hausbesitzern droht das Zahlungsverhalten der Gläubiger zu untergraben und die Einleger ziehen Monat für Monat mehr Spareinlagen ab. Da griechische Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank bereits seit dem 11. Februar nicht mehr als Sicherheit hinterlegt werden können, müssen sich die griechischen Banken zunehmend stärker über sogenannte Notkredite bei der griechischen Zentralbank refinanzieren. Die Obergrenze für die Notkredite, die die EZB festlegt, wurde bereits letzte Woche um 1,2 Milliarden Euro angehoben werden, diese Woche wurde sie erneut um 800 Millionen Euro erhöht und liegt nun bei 74 Milliarden Euro.
Die Voraussetzung für die Finanzierung des Bankensektors über Notkredite ist, dass die Geschäftsbanken grundsätzlich solvent sind. Dies hält die Europäische Zentralbank derzeit für gegeben. Doch in einem Umfeld mit erheblicher politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit, sinkenden Einlagen, einem hohen Anteil an notleidenden Krediten, äußerst begrenzten Möglichkeiten für eine Kapitalerhöhung und einem möglichen griechischen Zahlungsausfall könnte ein Zeitpunkt kommen, an dem dieser Tatbestand von der Europäischen Zentralbank anders beurteilt wird. Dann ist aus unserer Sicht ein kritischer Moment erreicht, weil die Politik dann endgültig eine Grundsatzentscheidung treffen muss.
Natürlich kann man immer noch argumentieren, dass Griechenland eine äußerst harte Verhandlungstaktik verfolgt und darauf setzt, eine für sich möglicherweise vorteilhafte Einigung zu erzielen, indem offensiv mit einer Staatspleite gedroht wird. Und die Gegenseite, also die Euro-Partner, versucht ihrerseits den Druck durch Indiskretionen und eine – möglicherweise – vorgetäuschte Resignation zu erhöhen. Doch sollte dies der Fall sein, dann wird diese Taktik von Tag zu Tag riskanter. Irgendwann könnte ein Punkt erreicht werden, an dem sich die Umstände schlagartig ändern und dynamische Prozesse in Gang gesetzt werden, die möglicherweise nicht zu kontrollieren sind. Wenn die Verhandlungen mit derselben schlafwandlerischen Dynamik fortgeführt werden sollten, dann könnte dieser Punkt schon relativ bald erreicht sein. Ein Austritt als Unfall, der sogenannte “Graccident” (accident: englisch für Unfall), könnte letztlich die Folge sein.
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