Allianz | Frankfurt, 30.10.2015.
Nach der Kursrallye in Erwartung weiterer Lockerungsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) behaupteten sich die Weltbörsen zu Wochenbeginn nur knapp. Die nach wie vor durchwachsene Berichtssaison zum dritten Quartal und die Zurückhaltung der Anleger im Vorfeld der US-Notenbanksitzung dürften ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Kontraste scheinen derzeit ein weit verbreitetes Phänomen zu sein:
1. Konjunkturdynamik: Bis in die Herbstmonate hinein blieb die globale Konjunkturentwicklung uneinheitlich. Einem etwas höheren Wachstumstempo in der Gruppe der Industrieländer, das vornehmlich von der fortschreitenden Erholung im Euroraum profitiert, steht eine Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern gegenüber. Innerhalb der Gruppe der Schwellenländer sollte jedoch differenziert werden: Während beispielsweise der Rückgang des Bruttoinlands-produkts (BIP) in Brasilien und Russland anhält, kommen positive Wachstumsüberraschungen aus Indien, das in diesem Jahr schneller als China wachsen dürfte, und vor allem aus Osteuropa.
2. Wachstumstreiber: Angesichts des schwierigen außen-wirtschaftlichen Umfelds ruhen in einer Reihe von Ländern die Hoffnungen weniger auf der Exportnachfrage, sondern vielmehr auf der Binnennachfrage, insbesondere seitens der privaten Haushalte. So wird die US-Wirtschaft maßgeblich vom privaten Konsum getragen, welcher u.a. durch den Anstieg der real verfügbaren Einkommen Unterstützung erfährt. Auch in Italien stehen die Vorzeichen auf eine weitere Erholung des inländischen Konsums. Ein weiteres Phänomen der Divergenz ist eine relative Stärke des Dienstleistungssektors gegenüber der Industrie. So war etwa das moderatere BIP-Wachstum Großbritanniens (+0,5% ggü. Vorquartal) auch Resultat der enttäuschenden Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes. Auch in China gewinnt der Dienstleistungssektor an Bedeutung und dürfte ein Kernbestandteil des nächsten Fünfjahresplans der chinesischen Regierung sein, der 2016 in Kraft tritt.
3. Berichtssaison: Kontrastreich gestaltet sich auch die verhaltene Entwicklung der Umsätze großer US-Konzerne einerseits bei nunmehr 73% positiv überraschenden Gewinnzahlen (S&P 500) andererseits. Letztere scheinen daher eher auf Kostenreduktion denn Umsatz-wachstum zurückführbar. In struktureller Hinsicht sollte außerdem die Divergenz zwischen den ausgewiesenen Unternehmens- und den gesamtwirtschaftlichen Gewinnen (NIPA) unter Beobachtung bleiben.
4. Gegensätzlicher erscheint in diesen Tagen auch wieder die Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks. Denn die US-Notenbank (Fed) wies auf ihrer Sitzung ausdrücklich auf eine mögliche Zinserhöhung am 15./16. Dezember hin, während Bedenken hinsichtlich weltwirtschaftlicher Risiken wieder abgeschwächt wurden. Eine gewisse Unsicherheit über Zeitpunkt und Geschwindigkeit einer Normalisierung der US-Geldpolitik bleibt angesichts der nach wie vor unterschiedlichen Einschätzungen einzelner Fed-Notenbanker aber bestehen – ebenso wie das strukturelle Niedrigzinsumfeld. Bei nahezu zielkonformen Werten für die Arbeitslosenquote spiegeln diese Diskrepanzen offensichtlich anhaltende Bedenken hinsichtlich des Inflationsausblicks wider.
Zum Auftakt der neuen Handelswoche stehen eine Reihe von Einkaufsmanagerindizes für China, die USA, Großbritannien und Italien (Mo, Mi) oben auf dem Datenkalender. Sie dürften erstens untermauern, dass die Industrieländer zwar eine langsamere Gangart eingelegt haben, aber nicht vor einem schlagartigen Wachstumseinbruch durch die Schwäche in den Schwellenländern stehen. Befürchtungen hinsichtlich einer regelrechten „harten Landung“ Chinas sollten keinen Auftrieb erhalten. Zweitens dürften die Stimmungs-barometer signalisieren, dass der Kontrast zwischen Industrie- und Dienstleistungssektor nicht allein ein britisches oder chinesisches Phänomen ist.
Darüber hinaus wird die kommende Woche erneut im Lichte geldpolitischer Ereignisse stehen, darunter die Sitzung der Bank of England – sie dürfte ihre Geldpolitik unverändert belassen – samt Veröffentlichung ihres Quartalsberichts zur Inflation (Do).
Dagegen könnte das Sitzungsprotokoll der Bank of Japan vom 6./7. Oktober Hinweise auf eine mögliche erneute Ausweitung des seit 2013 währenden QE-Programms geben. Die Zeichen, dass die japanische Wirtschaft im dritten Quartal in die Rezession abgeglitten ist, haben sich zuletzt verstärkt.
Im Euroraum dürften die Anleger neben der Herbstprognose der EU-Kommission (Do) mit Aufmerksamkeit verfolgen, ob EZB-Präsident Mario Draghi und weitere Notenbanker in einer Reihe von Reden (Mo, Mi, Fr) die Marktspekulationen hinsichtlich „mehr QE“ und einer Senkung des Einlagensatzes befeuern. Auch die Erzeugerpreise (Mi), die energiepreisbedingt auf niedrigen Niveaus verharren sollten, dürften die Erwartung zusätzlicher EZB-Lockerungsschritte aufrechterhalten. Derweil könnten die Einzelhandelsumsätze (Do) die aufwärtsgerichtete Konsumnachfrage als Konjunkturmotor unterstreichen.
Zu den geldpolitisch relevantesten Datenveröffentlichungen in den USA zählen die Produktivitätszahlen für das dritte Quartal und die Erst-anträge auf Arbeitslosenhilfe (Do), deren Vier-Wochen-Durchschnitt zuletzt auf den tiefsten Stand seit Anfang der 1970er Jahre gefallen war, sowie der Arbeitsmarktbericht für Oktober (Fr). Selbst ein moderaterer Beschäftigungsaufbau – der Präsident der San Francisco Fed John Williams erwähnte in diesem Kontext eine Größenordnung von 100.000 Stellen – dürfte zukünftig für eine weitere Befestigung des US-Arbeitsmarktes ausreichen.
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Ann-Katrin Petersen