Das Investment: Schwellenländer: Wo die neuen globalen Vorreiter heranreifen

Durch Innovation und moderne Technologien lassen Unternehmen aus Schwellenländern den Westen allmählich hinter sich. Denn China, Lateinamerika und Co. haben viel zu bieten.

Viele Anleger erwarten, dass die Schwellenländer dem Entwicklungspfad der Industrieländer folgen werden. Das würde bedeuten: Während sich die Industrieländer entlang der Technologiekurve nach oben entwickeln, sollten ihnen die Schwellenländer naturgemäß mit gewissem Abstand folgen.

Wir teilen diese Meinung nicht. Tatsächlich stehen mehrere Schwellenländer in Bereichen wie E-Commerce, digitaler Zahlungsverkehr, Mobile Banking und Elektrofahrzeuge an der Innovationsspitze und lassen dabei den Westen weit hinter sich. Einen allgemeinen Hinweis auf die bereits erzielten Fortschritte liefern die Patentanmeldungen: Hier haben die Schwellenländer insgesamt sowohl die USA als auch Japan klar überholt (siehe Grafik).

In Kombination mit der Wende bei den Patentanmeldungen steht in unseren Augen auch der Halbleiterbranche ein langer Wachstumspfad bevor, nicht zuletzt dank der rapiden Entwicklungen in Bereichen wie Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren, die direkte Auswirkungen auf die Aussichten von Unternehmen in Schwellenländern haben.

So zählen Südkorea und Taiwan beispielsweise bereits heute zu den weltweit wichtigsten Herstellern von Halbleitern. Der südkoreanische Konzern Samsung Electronics, der sich in den 1970er Jahren mit der Herstellung von Fernsehgeräten einen Namen gemacht hatte, hat inzwischen eine weltweit dominante Position im Bereich der Speicherchips erreicht. Derweil stammen einige der modernsten Chips, die in einer Vielzahl von Geräten – von Smartphones bis hin zu Servern – zum Einsatz kommen, von der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Dieses Unternehmen kann eine außerordentliche Erfolgsbilanz bei der Entwicklung von neuem geistigen Eigentum vorweisen und hat ein ums andere Mal seine Fähigkeit bewiesen, US-Wettbewerber wie etwa United Foundries oder Intel damit abzuhängen.

In mancherlei Hinsicht haben Schwellenländer ihre Schwächen zu Stärken gemacht. Unbehindert durch unwiederbringliche Investitionen in veraltete Systeme oder Infrastruktur haben sie reichlich Spielraum, um kreative Lösungen für einige ihrer größten Herausforderungen zu finden.

Chinas E-Commerce-Umsatz übertrifft den der USA

Ein gutes Beispiel hierfür ist E-Commerce. In China hat Online-Shopping dank einer Kombination wirtschaftlicher, sozialer und technologischer Veränderungen einen soliden Auftakt erzielt. Angesichts eines Mangels an Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren begann eine neue Generation wohlhabender und technologisch versierter Verbraucher, ihre Waren lieber per Smartphone über das Internet zu kaufen. Heute entfällt in China ein sehr viel höherer Anteil der Einzelhandelsumsätze auf E-Commerce als in den USA. Die Alibaba Group hat sich als der klare Gewinner in der hart umkämpften E-Commerce-Branche Chinas herauskristallisiert. Das Unternehmen, das erst 1999 gegründet wurde, ist zu einem der weltweit größten Einzelhändler geworden und konnte 2018 einen Jahresumsatz von 51,9 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Aber das Unternehmen gibt sich nicht mit seinem Erfolg im Heimatland zufrieden, sondern ist in weitere Regionen in Asien vorgedrungen, um auch im Ausland an den Grundfesten der Einzelhandelsmodelle zu rütteln.

Auch im Bereich digitaler Zahlungsverkehr beschreitet China ganz neue Wege. Teilweise ist dies dem E-Commerce zu verdanken, teilweise aber auch der langsamen Entwicklung von Kreditkartensystemen. Für Verbraucher ist es leichter, für ihre Online-Käufe Alibabas Zahlungsfunktion Alipay zu nutzen. Derweil erfreut sich das vom Gaming- und Social-Media-Konzern Tencent eingeführte WeChat Pay ebenfalls eines wachsenden Zuspruchs innerhalb der massiven Kundenbasis des Unternehmens. Digitale Zahlungen, sei es für Lebensmittel oder für den Transport, sind in China inzwischen gang und gäbe. Der Wert des chinesischen Marktes für digitalen Zahlungsverkehr liegt um ein Vielfaches über dem der USA.

Neue Geschäftsmodelle auch in Lateinamerika

China ist nicht das einzige Beispiel. Auf der anderen Seite der Welt schreibt Lateinamerika die Regeln im Einzelhandel neu. Da physische Geschäfte vermehrt auf E-Commerce setzen, haben Lücken in den bestehenden Liefersystemen die Einzelhändler dort gezwungen, in eigene Logistik- und Vertriebsnetze zu investieren, um ihre Produkte in die Hände der Verbraucher zu bringen. In Brasilien etwa zählt Lojas Americanas zu den Unternehmen, die Geschäftsmodelle in dieser Hinsicht neu erfinden. Natürlich gestaltet sich der technologische Fortschritt von einem Schwellenland zum nächsten uneinheitlich. Aber einige der bahnbrechendsten Innovationen sind aus genau diesen Märkten hervorgegangen, und wir rechnen damit, dass sie die Industrieländer in immer mehr Bereichen überholen werden. Bestimmte Unternehmen aus Schwellenländern haben bei der Lösung von Verbraucherproblemen extreme Flexibilität bewiesen. Diejenigen, denen dies auch weiterhin gelingt, dürften sich künftig einer nachhaltigen Ertragskraft erfreuen.

von Franklin Templeton Investments

Quelle: Das Investment

Siehe auch

FondsProfessionell: FFB-Chef: “Wir bleiben Teil von Fidelity”

Fidelity sucht einen Käufer für die FIL Fondsbank (FFB), hieß es im Sommer 2023. Doch das ist Geschichte, sagt FFB-Geschäftsführer Jan Schepanek im Interview mit FONDS professionell. Im Gespräch erläutert er, wie es zu dieser Entscheidung kam – und welche Pläne er mit der Fondsplattform hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert