Jupiter | Frankfurt, 22.12.2015
Amerikanische Notenbank vollzieht Wende in der Zinspolitik. Ariel Bezalel, Fondsmanager des Jupiter Dynamic Bond Fund, erörtert die möglichen Folgen der von der US-Notenbank („Fed“) auf ihrer Dezember-Sitzung verkündeten Zinserhöhung. Ein weiteres Thema sind die jüngsten negativen Signale vom Markt für US-Hochzinsanleihen.
Nach monatelangen Spekulationen und mehreren abgebrochenen Versuchen hat die mächtigste Notenbank der Welt ihren Worten endlich Taten folgen lassen. Die Ankündigung der Fed, die Zielspanne für Tagesgeld um 25 Basispunkte anzuheben, war in den Wochen vor dem gestrigen Treffen mit unablässigen Meldungen vorbereitet worden. Als es nun so weit war, reagierten die Finanzmärkte positiv.
Der US-Dollar gewann gegenüber den meisten anderen bedeutenden Währungen an Wert, die Renditen kurzlaufender US-Treasurys kletterten auf den höchsten Stand seit 2010, und an den Aktienmärkten herrschte weltweit eine freundliche Tendenz (die Fed-Entscheidungsträger hatten schließlich erklärt, der weitere Zinsanstieg werde „gemächlich“ erfolgen). Wie die Notenbank außerdem durchblicken ließ, will sie den Umfang ihrer Bilanz so lange nicht reduzieren, bis die Normalisierung der Zinsen „ein gutes Stück fortgeschritten“ sei.
Die gestern verkündete Entscheidung markiert das – vorläufige oder endgültige – Ende einer außergewöhnlichen Periode, in der die Fed die Zinsen fast ein Jahrzehnt lang auf Rekordtiefständen gelassen hatte, um die von der globalen Finanzkrise stark geschwächte US-Wirtschaft anzukurbeln. Befürworter des Schrittes führen mehrere Gründe an, warum die Fed aus ihrer Sicht das Richtige getan hat. Die Wirtschaft befindet sich seit mittlerweile fast fünf Jahren auf einem Kurs stetigen Wachstums. Die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück und liegt momentan bei 5%. Viele der Probleme, die während der Krise negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hatten, sind überwunden. Der Bankensektor ist rekapitalisiert, der Immobiliensektor befindet sich in weitaus besserer Verfassung und die Gewinne der US-Unternehmen liegen seit einiger Zeit auf Rekordniveau oder nur knapp darunter. All diese Faktoren sprechen dafür, dass die Zinsen mehr als sieben Jahre nach Beginn der Krise nicht mehr extrem niedrig sein müssen.
War die Entscheidung richtig? Änderungen der Geldpolitik brauchen Zeit, um Wirkung zu zeigen und deshalb werden wir erst in einigen Monaten wissen, welche Folgen der Zinsschritt der Fed für die amerikanische Wirtschaft hatte. Mehrere Frühindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass der wirtschaftliche Aufschwung in den USA auf weniger soliden Füßen steht als gemeinhin angenommen. So verzeichnen die „Evercore ISI Company Surveys“, wöchentliche Befragungen, die die Stimmung in der amerikanischen Unternehmenswelt messen, für dieses Jahr eine Verschlechterung. Aktuell liegt der Wert bei etwa 45, was von einer stabilen, aber nicht sonderlich lebhaften Konjunkturentwicklung zeugt. Das „Nowcast“-Modell der Regionalnotenbank von Atlanta ermittelt unterdessen für das vierte Quartal ein annualisiertes Wirtschaftswachstum von 1,9%. Der Wert entspricht ungefähr dem, was viele für die „neue Normalität“ in den USA halten – ein Wachstum zwischen 1,5% und 2%.
Noch beunruhigender ist jedoch, dass der schwächere Welthandel nun offenbar negative Auswirkungen auf die amerikanische Fertigungsbranche hat. In der Weltwirtschaft herrscht ein akutes Überangebot, nicht nur bei Rohstoffen, sondern auch in verschiedenen anderen Bereichen, und wir erleben aktuell, wie die Industrieproduktion in den USA dies zu spüren bekommt. In der Vergangenheit hat die Fed immer erst mit Zinserhöhungen begonnen, wenn der ISM-Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Fertigungsbranche bei etwa 55 lag. Momentan bewegt er sich unterhalb von 50. Die einzige Ausnahme war Anfang der 1980er Jahre, als in den USA Stagflation herrschte. Damals lag der PMI für die Fertigungsbranche zwischen 40 und 45, die Komponente für die gezahlten Preise jedoch zwischen 85 und 90. Heute schwankt Letztere um einen Wert von 35, was auf Deflationstendenzen im industriellen Sektor hindeutet. Meines Erachtens ist angesichts der Abschwächung der Konjunktur in der Industrie nicht davon auszugehen, dass der Zinsschritt der Fed der Auftakt zu einem längeren Zinserhöhungszyklus gewesen ist. Manche Ökonomen sehen wegen des relativ geringen Anteils, den die Fertigungsbranche an der Wirtschaftsleistung der USA hat, wenig Grund zur Beunruhigung. Doch das galt auch 2008 und damals griff eine schwache Industriekonjunktur etwas später auf den größeren Dienstleistungssektor über.
Vor dem Hintergrund des schwächeren Wachstums in anderen Teilen der Welt besteht unserer Ansicht nach die reale Gefahr, dass es die Fed am Ende bei einer einzigen Zinserhöhung belassen muss. Auf längere Sicht werden die Möglichkeiten der Notenbanken, die Geldpolitik zu normalisieren, von starken deflationären Kräften eingeschränkt. Zu ihnen zählen die Alterung der Bevölkerungen, hohe Schuldenstände und die Auswirkungen von disruptiven Technologien und Robotik. Für uns liegt darin einer der Gründe, warum wir unsere Duration bei über fünf Jahren lassen, was über dem aktuellen Marktkonsens liegt. Ein großer Teil davon entfällt auf US-amerikanische und australische Staatsanleihen mit mittleren und langen Laufzeiten.
Wende im US-Kreditzyklus
Der Zinsschritt der Fed kommt in einem für die amerikanischen Kreditmärkte gefährlichen Moment. Unseres Erachtens hat der Kreditzyklus in den USA bereits die Richtung gewechselt. Wir beobachten seit einiger Zeit eine Verschlechterung des fundamentalen Umfelds für Unternehmensanleihen. Die Schuldenstände sind wieder gestiegen. Gründe dafür sind aggressive M&A-Aktivitäten und Aktienrückkäufe – den Unternehmen geht es mittlerweile nicht mehr so sehr um finanzielle Konsolidierung, sondern um höhere Renditen für ihre Aktionäre. Der Eindruck, den wir in letzter Zeit bei Treffen mit Firmenvertretern gewonnen haben, ist, dass viele US-Unternehmen stark verschuldet sind. Solche „Zombie“-Firmen wurden durch die Nullzinspolitik der Fed am Leben gehalten. Sobald die amerikanische Notenbank die Absicht signalisierte, diese Politik zu beenden, reagierten die Kreditmärkte. Wir möchten betonen, dass es hierbei nicht nur um den Rohstoffsektor geht. Unter Druck geraten inzwischen auch Anleihen aus diversen Branchen wie Papier, Telekommunikation und Einzelhandel.
Wir befürchten schon seit längerem, dass die Gefahr einer Fehlentscheidung der US-Notenbank gestiegen ist. Eines der Hauptziele der Fed ist die Stimulation der Finanzmärkte und die Erzielung eines „Wohlstandseffekts“. Diese Absicht hat zu einer außergewöhnlichen Phase der lockeren Geldpolitik geführt, in deren Verlauf die Fed ihre Bilanz seit 2008 auf über 4 Billionen USD aufgebläht hat. Zudem wurde dadurch ein „Carry Trade“ in Gang gesetzt, dessen Volumen auf 6 Billionen USD geschätzt wird und der meines Erachtens eine massive Fehlallokation von Kapital bewirkt hat. Wir haben ja gesehen, was dies im Rohstoffbereich angerichtet hat. Ich vermute, dass eine Fehlallokation von Kapital auf der Suche nach höheren Renditen auch an den Kreditmärkten stattgefunden hat.
Die Zinserhöhung im Dezember erweckt bei uns den Eindruck, dass die Fed damit ihr Versäumnis wiedergutmachen will, nicht schon früher im Zyklus eine Normalisierung der Geldpolitik einzuleiten – als die Ungleichgewichte im globalen Finanzsystem noch nicht so groß waren wie jetzt. Unserer Meinung nach hätte die US-Notenbank bereits vor Jahren damit beginnen sollen, die Zinsen anzuheben, noch bevor ihr Handeln zu einer massiven Fehlallokation von Kapital und zu Blasenbildungen in etlichen Anlageklassen geführt hatte. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass die US-Zinsen innerhalb der nächsten Jahre wieder auf ihre früheren Tiefstände zurückfallen werden.
Warnsignale am US-Markt für Hochzinsanleihen
In den letzten Tagen ist viel darüber berichtet worden, dass bestimmte US-Fonds derzeit keine Anteile mehr zurücknehmen. Hinzu kommen erhebliche Mittelabflüsse aus dem High-Yield-Segment. Die Entwicklung bei US-Hochzinsanleihen beunruhigt uns schon seit längerem und entsprechend begrenzt ist unser Engagement in dem Bereich. Das andere Thema, das uns seit einiger Zeit besorgt stimmt, ist ein mögliches Übergreifen der Probleme in den USA und den Schwellenländern, wo Unternehmensanleihen zunehmend unter Druck geraten, auf die europäischen Kreditmärkte. Wir haben aus diesem Grund unsere Allokation in europäischen Hochzinsanleihen verringert. Insgesamt bemühen wir uns bei unserer Auswahl im High-Yield-Segment um eine Verbesserung der Qualität; zudem geben wir kürzeren Laufzeiten den Vorzug. In den Schwellenländern haben sich überdies die Bilanzen verschlechtert, da die Unternehmen wieder erheblich mehr Schulden aufgenommen haben und etliche dieser Staaten in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Wir glauben, dass die Probleme in vielen Schwellenländern nicht so schnell überwunden sein werden, und meiden diesen Bereich deshalb weiter großenteils.
In Europa ist der Kreditzyklus nach unserer Einschätzung etwas weniger weit fortgeschritten, und die Unternehmen stehen finanziell im Großen und Ganzen besser da. Wir favorisieren deshalb weiter europäische Unternehmensanleihen. Doch selbst hier beginnen die Einzelrisiken zu steigen. Abengoa (im Portfolio nicht vertreten) ist ein Beispiel, das uns erst kürzlich vor Augen geführt hat, dass auch in Europa bereits Ausfälle drohen können. Das andere große Risiko für die Kreditmärkte ist die Liquidität. Aus regulatorischen Gründen können die Investmentbanken die Märkte nicht mehr so gut unterstützen wie in der Vergangenheit. In dieser späten Phase des Kreditzyklus und angesichts der weiteren Straffung der Geldpolitik durch die Fed (die Kombination von starkem Dollar und Beendung der quantitativen Lockerung in den USA bedeutet unserer Meinung nach ein ungünstigeres wirtschaftliches Umfeld) ist Vorsicht angebracht.
Die jüngsten Entwicklungen liefern gute Gründe für unsere „Hantelstrategie“, die darin besteht, dass wir unsere „Top Picks“, also die mit der größten Überzeugung ausgewählten Titel im Hochzinssegment (vornehmlich handelt es sich um europäische Papiere), durch erstklassige Unternehmensanleihen mit Investmentqualität und eine größere Position in qualitativ guten Staatsanleihen beispielsweise aus den USA, Australien und Neuseeland ergänzen.
Die wichtigsten Fakten
– In dem schwachen Wachstumsumfeld ist mit einem eher flachen Zinsanstieg zu rechnen
– Der Fonds ist momentan nur begrenzt in US-Hochzinsanleihen engagiert, da beim Kreditzyklus unseres Erachtens eine Wende erfolgt ist
– Wachstumsschwäche und Deflation sind angesichts hoher Schuldenlasten eine gefährliche Kombination
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