Pressemitteilung Warburg Invest: Höhere Zinsen (II): Welche Sektoren könnten profitieren?

teaser_pm-warburg_300_200 Warburg | Hamburg, 01.03.2021.

Schon in der letzten Woche haben wir uns in dieser Publikation mit dem Phänomen steigender Zinsen beschäftigt und die Wirkung auf die Aktienmärkte analysiert. Vor dem Hintergrund der weiter steigenden Renditen haben wir uns entschieden, auch in diesem Flash das Thema in den Fokus zu nehmen. Insbesondere US-Unternehmensanleihen mussten in der vergangenen Woche größere Verluste hinnehmen, aber auch Schwellenländeranleihen verzeichneten erneut Kursverluste. Drückt man die Kursentwicklung der wichtigsten globalen Anleiheindizes über den letzten Monat in Standardabweichungen aus, liegen die meisten Märkte bei etwa minus zwei Standardabweichungen.

Das ist zwar noch kein Ausmaß, bei dem man von einem Crash sprechen kann, doch würde man einen Fehler begehen, dies auf die leichte Schulter zu nehmen. Schließlich ist der Anstieg der Renditen nicht eine irrationale Laune des Marktes, sondern hat einen handfesten Hintergrund. So steigen seit einigen Monaten neben den schon in der letzten Woche thematisierten Basiseffekten die Inflationserwartungen, da sich zum einen in der Lieferkette Engpässe bei vielen Vorprodukten aufgebaut haben und zum anderen mit einem massiv anspringenden Konsumverhalten zu rechnen ist, sobald die Lockdowns und Corona-bedingten Beschränkungen in der westlichen Welt zu einem Ende kommen.

Zusammen mit einer stark steigenden Geldmenge und einer extrem expansiven Fiskalpolitik wäre es fast verwunderlich, wenn es nicht zu einer temporär höheren Inflationsrate käme. Auch eine graduelle Verbesserung des Arbeitsmarktes trägt zu erhöhten Inflationserwartungen bei, zumal nicht davon auszugehen ist, dass sich Notenbanken von ihrer expansiven Geldpolitik abbringen lassen, nur, weil die Inflationsrate droht, etwas anzusteigen. Ganz im Gegenteil: Vor allem die US-Notenbank hat wiederholt darauf verwiesen, dass ihr der Arbeitsmarkt wichtiger ist als die Bekämpfung der Inflation. Nun wird es allerdings ein wenig kompliziert. Denn eigentlich steigen Renditen bei steigenden Inflationsraten deshalb, weil Marktteilnehmer steigende Leitzinsen erwarten und daher diese schon mit steigenden Renditen einpreisen. Die Leitzinsen werden aber auf absehbare Zeit nicht steigen, so dass der aktuelle Renditeanstieg eher als ein Paradoxon der extrem expansiven Geldpolitik zu verstehen ist.

Aus unserer Sicht spricht deshalb viel dafür, dass ein Großteil des Renditeanstieges schon hinter und nicht vor uns liegt. Trotzdem kann nicht negiert werden, dass der Renditeanstieg an den Märkten erhebliche Spuren hinterlassen hat. So ist es bei vielen Assetklassen und Sektoren zu einem deutlichen Favoritenwechsel gekommen. In Folge des Renditeanstieges haben auch die Aktien vieler Schwellenländer nachgegeben, während zyklische Sektoren und Rohstoffe deutlich zulegen konnten. Wie zu erwarten haben sich in diesem Umfeld auch klassische Industriewerte und Banken besser entwickelt als beispielsweise Aktien aus dem Technologiebereich. Wenn sich der Renditeanstieg der letzten Wochen ungemindert fortsetzen würde (was wir nicht erwarten), wäre man vermutlich mit einer Sektorallokation, die in den letzten Jahren gut funktioniert hätte, nicht mehr gut beraten.

Um besser zu verstehen, welche Sektorallokation man anstreben sollte, wenn sich der Renditeanstieg wider Erwarten fortsetzt, haben wir eine statistische Auswertung anhand der größten 1200 Aktien in Europa vorgenommen. Als Zeitraum haben wir die letzten zehn Jahre gewählt, wobei ein längerer Untersuchungszeitraum zu keinen signifikant anderen Ergebnissen geführt hätte. Um präzise Aussagen treffen zu können, haben wir die 1200 Aktien nicht den 10 oder 19 Sektoren auf der Oberebene der üblichen Sektorklassifikation zugeordnet, sondern den 146 Subsektoren auf der granularen Industriegruppenebene.

In einem nächsten Schritt haben wir für jede einzelne Aktie die Elastizität gegenüber der Rendite von Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zwei und zehn Jahren gerechnet. Statistisch gesprochen wurde die prozentuale Veränderung des Kurses mit der Veränderung der Rendite in Prozentpunkten im Rahmen einer Regressionsanalyse erklärt; der Koeffizient der Regression ist dann das Maß für die Elastizität. Um die Ergebnisse allerdings besonders robust zu gestalten, wurden zuvor alle Renditen aller Aktien auf Ausreißer überprüft und so gekappt, dass man nicht Gefahr läuft, unternehmensspezifische Entwicklungen fälschlicherweise als grundsätzliche Zusammenhänge zu interpretieren. Trotzdem ergeben sich bei einigen Aktien auch nach dieser Korrektur Werte für Elastizitäten, die unplausibel niedrig oder hoch liegen und ebenfalls nahelegen, dass es sich hier um einen statistischen Ausreißer handelt, der ökonomisch nicht sinnvoll interpretiert werden kann. Auch hier haben wir den Datensatz um Ausreißer bei den Elastizitäten bereinigt, indem wir Werte ab einer bestimmten Grenze nach unten und oben gekappt haben.

Anhand dieses „robusten“ Datensatzes haben wir nun in einem nächsten Schritt die Mittelwerte der Elastizitäten für alle 146 Industriegruppen berechnet und in Quantilsränge überführt. Das Ergebnis findet sich in der Tabelle auf der folgenden Seite. Die Tabelle ist so zu lesen, dass Sektoren am oberen Ende der Tabelle (Health Care Misc., Health Care REITs, Sugar etc.) unter steigenden Renditen leiden, während die Sektoren am unteren Ende (Machinery Tools, Aluminium, Chem. & Syn. Fibers) von steigenden Renditen profitieren.
Besteht also das Szenario für einen Anleger darin, dass Renditen auch in den kommenden Monaten deutlich steigen, wäre eine sektorale Reallokation in Richtung zyklischer Aktien mehr als angebracht. Die Ergebnisse sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache und sind fast lehrbuchmäßig. Fast jeder Subsektor am unteren Ende der Tabelle ist dem zyklischen Bereich zuzuordnen, während sich das obere Ende der Liste wie eine nahezu komplette Aufzählung defensiver Sektoren liest. Die Ergebnisse sind derart eindeutig, dass sie keinen Zweifel zulassen. Wer eine klare Meinung zum Thema Renditeanstieg hat, begeht einen echten handwerklichen Fehler, wenn er seine sektorale Allokationsstruktur nicht daraufhin ausrichtet. Es erscheint jedenfalls nahezu ausgeschlossen, dass unsere Ergebnisse ein Zufallsergebnis sind – dafür sind sie zum einen statistisch viel zu signifikant und zum anderen auch ökonomisch viel zu logisch, als dass sie auf die leichte Schulter genommen werden könnten.

Wir haben diese Analyse allerdings nicht auf Renditen beschränkt, sondern auch überprüft, welche Sektoren gemieden oder übergewichtet werden sollten, wenn die Inflationsrate stark ansteigt. Vordergründig könnte man vermuten, dass das Ergebnis ähnlich ausfällt, doch das ist nur bedingt der Fall. Da die Inflationsrate nicht perfekt mit Renditen von Anleihen korreliert, wäre es auch verwunderlich, wenn es eine perfekte Korrelation zwischen den beiden Elastizitäten gäbe. Wer aber neben stark steigenden Renditen eine stetig steigende Inflationsrate erwartet, sollte vor dem Hintergrund unserer Berechnungen vor allem auf folgende Sektoren setzen: Metal Fabricating, Cement, Recreational Vehicles, Oil Equipment & Svs., Offshore Drill & Svs., Agricult. Machinery, Integrated Oil & Gas, Gas Distribution, Auto Services, Diversified Materials sowie Food & Grain Products.

An dieser Stelle sei aber auch noch einmal erwähnt, dass unser Hauptszenario nicht aus weiter anhaltend stark steigenden Renditen und Inflationsraten besteht. Wir halten es für viel wahrscheinlicher, dass die Inflationsrate im Laufe des Jahres in vielen Ländern ihren Höhepunkt erreicht und mit Blick auf 2022 eher wieder rückläufig sein sollte, was dann auch die Renditen im Zaum halten dürfte. Es gibt zudem mindestens noch einen weiteren Grund, keine zu extremen Szenarien hinsichtlich der Inflations- und Renditeentwicklung zu entwerfen. Protagonisten der These steigender Inflationsraten und Renditen haben alle eines gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass die westliche Welt die Corona-Pandemie im Laufe des Jahres mehr oder weniger in den Griff bekommen wird. Auch wenn dies im Wesentlichen unserer Arbeitshypothese entspricht, so besteht doch ein Restrisiko, dass eine verzögerte Impfung in Kombination mit neuen Mutationen dieses Szenario wieder in Frage stellt. Spätestens dann wäre auch die These weiter deutlich steigender Renditen nicht mehr zu halten.

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