ODDO BHF | Frankfurt am Main, 26. Oktober 2023
Für die Unternehmen im Index Euro Stoxx könnten die Unternehmensgewinne im dritten Quartal 2023 um 6,1 Prozent sinken, nachdem sie im zweiten Quartal 2023 um 12,2 Prozent gefallen waren.
Die Berichtssaison ist ein wichtiges Ereignis, um die Richtigkeit vergangener Entscheidungen einzuschätzen, aber vor allem auch, um das Portfolio für die nächste Zukunft aufzustellen. Das erfordert Fingerspitzengefühl. Denn es besteht die Gefahr, sich durch die Quartalszahlen zu sehr beeindrucken und sich in der lang- und mittelfristigen Anlagestrategie zu sehr von kurzfristigen Entwicklungen beeinflussen zu lassen.
Zwei große Überzeugungen leiten uns derzeit in unseren Engagements an den Aktienmärkten:
- Das gesamtwirtschaftliche Umfeld belastet derzeit die Unternehmen. Durch den Konjunkturrückgang flacht nicht nur die Umsatzentwicklung ab. Auch die Gewinnmargen der Unternehmen sinken tendenziell. Zudem drückt die Inflation in vielen Branchen auf die Gewinnmargen angesichts hoher Lohnforderungen, die nun die Arbeitnehmervertreter in den Raum stellen. Die Zinskosten belasten stärker als in der Vergangenheit. Auch lassen die gestiegenen Energiekosten die Gewinnmargen der Unternehmen schmelzen.
- Diese Faktoren treffen die Unternehmen jedoch nicht gleichermaßen. Je nach Geschäftsmodell schlagen die gestiegenen Energiekosten mehr oder weniger stark durch. Manche Sektoren wie etwa der Immobilienbereich arbeiten strukturell mit einer hohen Fremdverschuldung. Unternehmen aus diesen Branchen trifft der rapide Zinsanstieg härter als Unternehmen, die sich weniger über Kredite finanzieren. Auf das veränderte Zinsumfeld müssen sich die Unternehmen einstellen. Die Anleiherenditen sind hoch und werden es in den kommenden Monaten voraussichtlich auch bleiben. Die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen ist auf aktuell rund 2,8 Prozent gestiegen. In den USA rentieren zehnjährige Staatsanleihen mit etwa 4,5 Prozent. Am Markt für Unternehmensanleihen mit guter Bonität (Investment-Grade-Bereich) haben sich die Zinsen im Euroraum auf rund 4,5 Prozent erhöht und in den USA auf 6,1 Prozent. Dies zeigt, wie sehr sich die Finanzierungskonditionen aus Unternehmenssicht verschlechtert haben. Aus diesem Grund sehen wir uns darin bestätigt, dass wir Unternehmen mit hoher Verschuldung stets gemieden haben. Der Renditeanstieg ist eine Belastung für hochverschuldete Unternehmen. Für Investoren im Anleihebereich eröffnen sich aber wieder Chancen. Gerade im Bereich der Unternehmensanleihen finden wir derzeit wieder attraktive Anleihen, deren Rendite die Inflationsraten endlich wieder übersteigen.
Wir gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Situation vorerst schwierig bleiben wird. Bei Aktienengagements bleiben wir weiterhin „leicht untergewichtet“. Die Hoffnung, dass die Fed und die EZB nur vorübergehend die Leitzinsen angehoben haben und bald zu Zinssenkungen übergehen, halten wir für verfrüht. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die beiden großen Notenbanken ihre Leitzinsen für längere Zeit auf dem nun erreichten höheren Niveau halten werden. „Higher for Longer“, dürfte bis auf Weiteres die Devise der Geldpolitiker auf beiden Seiten des Atlantiks sein. Erste Zinssenkungen sehen wir frühestens in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres, da die Arbeitsmärkte – besonders in den USA – weiterhin sehr fest sind und die Kerninflationsraten von mehr als 4 Prozent das Inflationsziel der Notenbanken von 2 Prozent immer noch deutlich übersteigen.
Auch das geopolitische Umfeld – neben dem Krieg in der Ukraine vor allem nun auch der neu entbrannte Konflikt im Nahen Osten – erhöht die Unsicherheit, wodurch die Risikoprämie an den Aktienmärkten tendenziell steigt. Auch dieser Aspekt lässt uns weiterhin vorsichtig sein. Erst wenn die Bewertungen an den Aktienmärkten um rund 5 bis 10 Prozent zurückgegangen sind, dürfte die Zeit gekommen sein, das Engagement in Aktien wieder zu erhöhen.