Pressemitteilung Degroof Petercam (DPAM): Ausblick 2021: Ein Blick über den Höhepunkt der Polarisierung und die weltweite Corona-Krise hinaus

Degroof Petercam | Brüssel, 20.12.2020.

Alexander Roose, CIO Fundamental Equity bei DPAM (Degroof Petercam Asset Management), analysiert in seinem Marktausblick für 2021 die Aussichten für den globalen Aktienmarkt im Umfeld von Corona-Pandemie, US-chinesischem Handelskrieg und  verschärfter Fokussierung auf ESG-Kriterien.

Nun, da die Pandemie ihr erstes Jahr hinter sich hat, wollen wir uns Zeit nehmen, um nachzudenken, zu analysieren und nach vorn zu schauen. Was können wir nach diesem holprigen Start in das neue Jahrzehnt erwarten?

Wie schon im vergangenen Jahr beim Handelskrieg zwischen den USA und China wollen wir uns zunächst die Auswirkungen der weltweiten Corona-Krise auf die Welt des Anlegens anschauen. Die Pandemie hat uns vor enorme weltweite Herausforderungen gestellt und massiven Druck auf unsere globalisierte und vernetzte Art zu arbeiten ausgeübt. Dennoch lassen auch die dunkelsten Wolken einen Silberstreif am Horizont erkennen. Ein Blick auf 2020 aus der Vogelperspektive kann uns wertvolle Hinweise für das Investieren liefern: Die erheblichen Ausweitungen der Bilanzen der Zentralbanken in diesem Jahr haben die Unterscheidung zwischen Geld- und Fiskalpolitik unscharf gemacht. Der Wettlauf um einen Impfstoff hat den Weg für eine neue Art von Medikamenten (mRNA) geebnet, die sehr vielversprechend ist, unter anderem für die Krebsbehandlung. Zudem hat die Pandemie gezeigt, dass China, Taiwan und Südkorea in der Lage sind, schnell mit Extremereignissen umzugehen und sich wieder von ihnen zu erholen.

Vor allem aber konnten wir eine bemerkenswerte Beschleunigung zuvor bereits vorhandener Trends beobachten sowie die Entstehung neuer Trends wie etwa Tele-Gesundheit. Denn die Pandemie und die mit ihr verbundenen weltweiten Lockdowns hatten eine starke Katalysatorwirkung für bestimmte (Teil-)Sektoren. Sie führte beispielsweise zu einer weltweiten Überprüfung unserer Gesundheitssysteme, nachdem die Pandemie verschiedene Schwachpunkte ans Licht gebracht hatte, z. B. die knappen Kapazitäten an diagnostischen Tests und deren geringe Durchführungsgeschwindigkeit oder den Mangel an Intensivbetten. Unternehmen mit einer hohen Dichte an Arbeitsprozessen werden zunehmend auf Automatisierung setzen müssen, da ihre Betriebstätigkeit während der Pandemie massiv beeinträchtigt wurde. Zudem haben die zahlreichen Telekonferenzen dieses Jahres, die Home-Office-Thematik und unsere beständig zunehmende Abhängigkeit von Cloud-Anwendungen eine wahre technologische Revolution angestoßen – in Privathaushalten, Regierungsbehörden und Unternehmen gleichermaßen.

 Dies sind einige der bedeutendsten strukturellen Trends dieses Jahres, die ganz deutlich zeigen, warum (Large-Cap-) Technologieunternehmen eine drastische Outperformance gegenüber dem S&P500 verzeichneten. Die Beschleunigung dieser Trends hat eine klare Trennlinie zwischen disruptiven Unternehmen/Sektoren auf der einen Seite und stagnierenden, von Disruption betroffenen Unternehmen/Branchen auf der anderen gezogen.

Die Pandemie war ein Segen für Technologieaktien. Als die NASDAQ nie dagewesene Höhen erklomm, wurden schnell Parallelen zur Dot-com-Blase gezogen. Doch sollte man nicht vergessen, dass dem derzeit zu beobachten polarisierenden Trend von ‚Growth‘ gegenüber ‚Value‘ dieses Mal Substanz zugrunde liegt. Heute liegt das Momentum der Generierung von freiem Cashflow im IT-Sektor in etwa auf einer Linie mit dem zunehmenden Anteil seiner Marktkapitalisierung im Index.

Wie die globale Finanzkrise von 2008/09 haben die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise einzigartige und weitreichende Konsequenzen. Doch gibt es auch einen klaren Unterschied zwischen beiden Krisen. Während der globalen Finanzkrise wurde den Menschen das Trauma unmittelbar bewusst, indem sie ihre Arbeitsplätze und Wohnungen verloren. Heute haben die Menschen und die Regierungen einen stärkeren Wunsch nach Veränderung, ein stärkeres Bewusstsein für die gesellschaftlichen Herausforderungen. Dies hat zum Teil zu Mega-Projekten wie beispielsweise dem ‚Green Deal‘ der EU oder Chinas ambitionierten Zielen für den Klimawandel beigetragen.

Im November verspürten die Märkte schließlich einen Hauch von Erleichterung. Die Ergebnisse bei den Impfstoffen von Moderna und Pfizer sorgten für eine dringend benötigte Aufhellung in diesem ansonsten düsteren Jahr. Der Sieg Bidens, ein gespaltener Kongress (je nach dem Wahlausgang in Georgia) und die damit erwartete politische Stabilität stießen ebenfalls auf das Wohlwollen der Märkte. Wenngleich es ein hartes Jahr für zyklische und Small-Cap-Aktien war, haben die Aussichten auf Massenimpfungen die Karten völlig neu gemischt. Hierdurch konnten diese leidenden Segmente noch vor Beginn des Jahres 2021 aufholen, was zu einem äußerst bemerkenswerten Jahresende führt. Dabei wurde die Renditelücke geschlossen, und es kam es zu einer breiten Rotation zwischen den schlechtesten und den besten Sektoren in Europa für dieses Jahr.

Wie geht es jetzt weiter? Sind das Ende des Lockdowns und die Wiederöffnung der Wirtschaft Vorboten für das Ende von Wachstumsstrategien im Jahr 2021? Das glauben wir nicht. Für Anleger mit dem richtigen, langen Zeithorizont ist dies lediglich eine kurzzeitige Umstellung und eine Gelegenheit, langfristige Überzeugungen aufzustocken. Unter Berücksichtigung der Entwicklung von strukturellen Trends erwarten wir letztendlich eine Verschiebung vom Höhepunkt der Polarisierung zu einer Normalisierung, rechnen aber nicht mit einer dauerhaften Änderung der Gangart, d. h. mit einer massiven Rotation zwischen den Stilen Growth und Value.

Vor diesem Hintergrund bleibt Value Investing so relevant wie je zuvor. Entscheidend ist jedoch, ‚Value‘ richtig zu definieren und sich die richtigen Kennzahlen anzusehen. Value Investing bedeutet nicht einfach nur, in Value-Aktien zu investieren. Betrachtet man lediglich statische Multiplikatoren von Unternehmen, wie das Kurs-Buchwert-Verhältnis, erhält man verzerrte Ergebnisse. Man sollte sich nicht allein auf solche Kennzahlen konzentrieren, sondern vielmehr verstehen, wie ein Unternehmen sein Geld verdient. Dies geschieht immer mehr durch das Investieren in immaterielle Vermögenswerte wie etwa Softwareentwicklung, digitale Fähigkeiten, Forschung & Entwicklung usw. Diese Aspekte sind naturgemäß besser skalierbar (nicht nur durch Größen-, sondern auch durch Vernetzungseffekte) als materielle Vermögenswerte.

Immer wenn ein Unternehmen investiert, ist es wichtig zu verstehen, ob dies mit einer stärkeren Generierung von Cashflow in der Zukunft verbunden ist, d. h. mit einer Rendite auf das investierte Kapital, die höher ist als die Kapitalkosten. Kurzfristigere Assets, die oft eher „materieller“ Natur sind, weisen Cashflow-Profile auf, die dichter an der Gegenwart liegen, denen es aber häufig nicht gelingt, ein Wachstum des Cashflows mit einer Kapitalrendite zu erzielen, die über den Kapitalkosten liegt. Hierdurch wird Shareholder Value vernichtet. Wir raten Anlegern stattdessen, in Unternehmen zu investieren, die Zinseszinseffekte generieren (d. h. Unternehmen, die ihren freien Cashflow im Laufe der Zeit steigern, indem sie – unter anderem – in immaterielle Vermögenswerte investieren), ungeachtet dessen, ob es sich um Large- oder Small-Caps handelt.

Abschließend wollen wir uns noch ansehen, wie die Inflation sich in den kommenden Jahren auf die Aktienmärkte auswirken könnte. Panische Berichte unterstreichen die Wahrscheinlichkeit von hoher Inflation in naher Zukunft und die potenziell dramatischen Auswirkungen auf Aktien aufgrund ihrer längerfristigen Durationssensitivität. Für uns sind die Aussichten freundlicher. Auch wenn die Inflation angesichts des erheblichen Anstiegs der Geldmenge durchaus auf 2 bis 3% steigen könnte, sehen wir keinen Grund anzunehmen, dass die Ertragskraft von Aktien stark darunter leiden könnte. Aktien bieten nicht nur einen Inflationsschutz (aufgrund des großzügigen Renditeabstands gegenüber Staatsanleihen); Multiplikatorwerte von börsennotierten Unternehmen dürften nicht dramatisch leiden, solange die Inflation unter Kontrolle bleibt.

Hinzu kommt, dass auch verschiedene disinflationäre Elemente im Spiel sind (z. B. zunehmende Verbreitung von Technologie, Alterspyramide, Produktionslücke usw.), die ebenfalls in naher Zukunft ein Szenario, in dem die Inflation außer Kontrolle gerät, verhindern dürften (siehe Einschätzung des CIO).

Letztendlich sind wir insgesamt optimistisch, aber nur zurückhaltend optimistisch, insbesondere gegenüber dem Sell-Side-Konsens. Die Märkte sind in einem Jahr, das von einem Höhepunkt der Polarisierung gekennzeichnet war, heftig durchgeschüttelt worden. Man sollte unbedingt auch bedenken, dass eine Normalisierung (d. h. die Wiederöffnung der Wirtschaft) von den Märkten bereits vorweggenommen wurde, was die Marktentwicklung seit der Veröffentlichung der Nachrichten über Impfstoffzulassungen belegt. Irgendwann im Jahr 2021 könnte die Realität wieder einsetzen mit potenziellen Risiken von zu hohen Erwartungen, Sorgen über hohe Verschuldungsgrade, Spitzenwert der Liquidität usw. Beim Kaufen sogenannter COVID-19-Verlierer sollte man selektiv vorgehen und sich auf langfristige, strukturelle Trends konzentrieren, um bestmöglich für jeglichen künftigen Gegenwind gerüstet zu sein.

Siehe auch

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