Degroof Petercam | Brüssel, 07.01.2020.
Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM, gibt einen Ausblick auf die Entwicklung der Anleihenmärkte im Jahr 2020:
Der Ausblick auf das Jahr 2020 für Fixed Income steht unter dem Motto: „Wir testen unser ‚Low for longer‘-Basisszenario. Die Inflation ist nicht tot.“ Ziel dieses qualitativen Tests ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob der 40-jährige disinflationäre Trend im Einklang mit dem nachlassenden realen Wachstumspfad entweder strukturell und anhaltend oder anfällig für Veränderungen ist?
Die Tatsachen sprechen eher für Letzteres. Unser neues langfristiges Basisszenario fokussiert einen bevorstehenden Wandel, im Zuge dessen die Desinflation sich langsam in Richtung Zielinflation oder sogar darüber hinaus entwickelt und sich das globale Realwachstum nachhaltig um ca. 3 Prozent erholt. Die derzeit noch extrem niedrigen bis negativen Zinsprämien werden zu steigen beginnen. Wir erklären die Rolle von drei Treibern für zukünftig höhere Risikoprämien im Zinsbereich.
Drei Faktoren des Wandels
Der erste und wichtigste Faktor basiert auf unserer Überzeugung, dass sich die geldpolitische Dominanz in den nächsten Jahren auflösen wird, während die Fiskalpolitik zu einem stärkeren Motor für das Investitionswachstum wird. Der starke Rückgang der Leitzinsen in den letzten 15 Jahren ist das direkte Ergebnis einer aktivistischen Geldpolitik und einer extrem vorsichtigen Vorausschau. Seit diesem Sommer betreibt die Mehrheit der Zentralbanken in den Industrie- und Schwellenländern eine umsichtige Politik und verzichtet auf Zinssenkungen. Die Notenbanken Südkoreas, Neuseelands, Australiens und Kanadas sind nur einige Beispiele dafür, dass eine wechselhafte politische Rhetorik kein ausreichender Grund zum Handeln ist. Die EZB und die Fed weisen derweil darauf hin, dass eine längere Pause bei den Leitzinsen bevorsteht. Dies wird seit September bereits eingepreist. Es ist die Kombination aus akkommodierender, passiver Geldpolitik und einer starken Fiskalpolitik in Form von produktiven öffentlich-privaten Investitionen, die Wachstumsüberraschungen über 2020 und darüber hinaus anregen sollen. Diese Entwicklung wird in erster Linie die Inflationserwartungen erhöhen. Eine Studie über fiskalische Multiplikatoren ergab, dass unter niedrigen Wachstumsbedingungen und einer Negativzinspolitik der positive Effekt von einem ausgegebenen Euro einen Output zwischen 1,5 und 2 Euro bewirkt. Hinzu kommt, dass hohe fiskalische Multiplikatoren zeitlich anhaltend sind.
Der zweite Faktor, der die Laufzeitprämien in die Höhe treibt, ist die steigende zugrunde liegende Inflation. Die über dem Zielwert liegende Inflation wird früher getestet werden, als der Konsens glaubt. Die Lohninflation entwickelt sich eindeutig positiv und ist das Ergebnis immer enger werdender Arbeitsmarktbedingungen. Die traditionelle Philips-Kurve ist intakt. Zunehmende soziale Unruhen werden die Debatte über eine gerechte Verteilung beschleunigen und die Lohninflation in den entwickelten und aufstrebenden Ländern ankurbeln.
Mit einem sinkenden Anteil junger Menschen und einem sich beschleunigenden Anteil alter Menschen (über 65 Jahre) haben wir den demographischen Wendepunkt überschritten. Ein deutlicher Rückgang des Anteils der erwerbstätigen Bevölkerung treibt die Abhängigkeitsquote allgemein nach oben. Eine BIS-Studie (https://www.bis.org/publ/work722.pdf) hat bewiesen, dass solche Bedingungen zu einem höheren Inflationsdruck und höheren Zinssätzen führen. Die Zentralbanken werden Überraschungen der Aufwärtsinflation stets begrüßen, ohne handeln oder weiter straffen zu müssen.
Ein dritter Faktor ist der Stillstand in der Globalisierung, die im Kern disinflationär wirkte. Das erklärt, warum der japanische demografische Schock nie inflationäre Wirkungen entfachte. Japans Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft seit Beginn Jahrtausendwende erfolgten zu einem Zeitpunkt, an dem der globale disinflationäre Effekt am stärksten war. Die derzeitigen protektionistischen Strategien werden zu einer zunehmenden Regionalisierung der Handelsblöcke führen und die Wertschöpfungsketten sich langsam auf die regionale Ebene verlagern. Solche komplexen Veränderungen könnten zu Versorgungsengpässen führen, während gleichzeitig um Zölle und nicht-tarifäre Regulierung gekämpft wird. Dies würde den Inflationsdruck bei Waren und Dienstleistungen stützen. Die derzeitigen negativen Wachstumseffekte werden vorübergehend sein. Im Jahr 2020 wird der Handelsstreit zwischen den USA und China die Investitionsstimmung über einen Zeitraum von zwei Jahren beeinflusst haben. Wir glauben, dass diesbezüglich das Schlimmste hinter uns liegt und die wirtschaftspolitische Visibilität deutlich besser werden wird.
Auswirkungen auf Anleihensegmente
Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung wäre eine zunehmende Volatilität der Zinssätze. Ein Gradmesser für Schwankungen an den US-Anleihemärkten ist der MOVE-Index. Für diesen erwarten wir eine Rückkehr in den längerfristigen Bereich zwischen 80 bis 120 Basispunkten. In den letzten Jahren ist dieses Zinsvolatilitätsmaß aufgrund der dominierenden Geldpolitik in den Bereich zwischen 45 bis 85 Basispunkten gefallen. Eine zukünftig zurückhaltendere Geldpolitik wird jedoch wieder zu einer höheren Zinsvolatilität führen.
Wir gehen davon aus, dass sich eine langanhaltende Neigung zu steileren Verläufen auf die Kernkurven der EU- und US-Staatsanleihen auswirken wird. Unsere Strategien für EU- und globale Staatsanleihen setzen auf eine intelligente Länder- und Kurvendiversifikation sowie eine Untergewichtung der Zinssensitivität. Für vielversprechend halten wir unsere globale inflationsgebundene Staatsanleihenstrategie. Ein sich verbessernder Wachstumshintergrund und ein unterstützendes Nachfrage/Angebot-Verhältnis lassen uns sowohl bei EUR-Investment Grade-Anleihen als auch im Hochzinssegment neutral bleiben. Wir streben nach qualitativ hochwertigen Carry-Anleihen in den lokalen Währungen der Schwellenländer und betonen, dass unser nachhaltiger Länderauswahlprozess und unsere intern recherchierten Überzeugungen ein Schlüsselfaktor sind, um ein Qualitätsportfolio in einem sehr volatilen Emerging Markets Debt-Sektor zu führen. In den letzten drei Jahren hat sich der Mehrwert unserer uneingeschränkten globalen Investment Grade- und High Yield-Strategien bestätigt. Die Flexibilität innerhalb einer ‚Unconstrained‘-Lösung wird zu einem Qualitätsmerkmal in jeder Fixed Income-Allokation und erhöht den allgemeinen Schutz vor Kapitalverlusten. Wandelanleihen zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Sektor bei steigenden Zinsen gut entwickelt.
Zusammenfassung
Anleger, die ihre festverzinsliche Allokation auf Grundlage der Sicherheit konstruieren, die der ‚Lower for longer‘-Konsens mit sich bringt, sollten vorsichtig sein. Wir spüren, dass der Wind bei Anleihen dreht und sind bereit, die Zinsnormalisierung ins Auge zu fassen. Wir sind jedoch nicht naiv und erkennen an, dass der Anleihenbullenmarkt nicht leicht aufgeben wird!