Pressemitteilung Degroof Petercam: 2020 – Ein Balanceakt

Degroof Petercam | Brüssel, 11.02.2020.

2019 verzeichneten die Finanzmärkte hinsichtlich der Wertentwicklung sämtlicher Anlageklassen ein Rekordjahr. Dies überraschte viele Anleger angesichts der anhaltenden Verschlechterung der makroökonomischen Daten, der weltweit negativen Gewinnkorrekturen und der zahlreichen (geo)politischen Risiken. Glücklicherweise haben die Zentralbanken seit der globalen Finanzkrise immer wieder eingegriffen, um ins Straucheln geratene Finanzmärkte zu stützen.

Sowohl das mikro- und makroökonomische Umfeld als auch die Politik der Zentralbanken werden bei zukünftigen Vermögensallokationsentscheidungen weiterhin wichtige Faktoren darstellen, die berücksichtigt werden müssen. Die geldpolitische Kehrtwende der US-Notenbank führte aber Anfang 2019 zu einer bedeutenden Trendumkehr an den globalen Finanzmärkten. Zentralbanken rund um den Globus zögerten nicht lange, ihrem Vorbild zu folgen. Die mit Spannung erwartete EZB-Sitzung im September erwies sich als wichtiger Wendepunkt. Die Zentralbank kündigte mit dem TLTRO3 ein Tiering-System für Banken sowie die Aktivierung eines zeitlich unbegrenzten CSSP2-Programms an. Dies hatte zur Folge, dass sich die Zinsen leicht erholten, die Zinsstrukturkurven auf dem gesamten europäischen Kontinent einen steileren Verlauf annahmen und Substanzwerte nach Jahren der Underperformance wieder stärker nachgefragt wurden. Die weitläufige Annahme, dass Anleihen mit negativen Renditen in Billionenhöhe zum „neuen Normalzustand“ geworden seien, verblasste plötzlich.

Diejenigen, die sich zu stark auf schwache Makrodaten und negative Gewinnkorrekturen konzentriert hatten, gerieten hinsichtlich der Performance ins Hintertreffen. Anleger, die 2019 den Zug verpasst haben, dürften nun geneigt sein, zu Beginn des neuen Jahres aufzuspringen. Warum? Aufgrund der enormen Mengen an liquiden Mitteln, die investiert werden müssen. Darüber hinaus sehen sich Anleger seit Dezember 2019 durch die wieder etwas besseren Vertrauensindikatoren, den positiven (wenngleich moderaten) Ausblick für das Wirtschaftswachstum, das Niedrigzinsumfeld und die gemäßigte Ausrichtung der Zentralbanken ermutigt. Diese positiven Indikatoren bestärken uns in unserer Überzeugung, dass bei den Gewinnen die Talsohle im Jahr 2020 allmählich erreicht werden könnte. Nichtsdestotrotz wird die Erholung des Marktes holprig verlaufen.

Angesichts der langwierigen Brexit-Verhandlungen (Boris Johnson wird voraussichtlich nicht vor Ende des Jahres eine Einigung erzielen) und eines enttäuschenden „Phase 1“-Abkommens zwischen den USA und China werden die Märkte sicherlich recht unruhig bleiben. Ein dauerhafter Waffenstillstand im 2018 begonnenen Handelskrieg ist noch nicht in Sicht. Immerhin bietet dieses befristete Abkommen den Finanzmärkten eine gewisse Atempause. Nachdem sie sich 2019 ausgezeichnet entwickelt haben, dürften die Finanzmärkte unserer Einschätzung nach an ihrer positiven Dynamik festhalten – zumindest im ersten Quartal 2020. Ab dem zweiten Quartal könnten wir jedoch einen durch die Vorwahlen in den USA ausgelösten Anstieg der Volatilität sehen. Dennoch bleiben Aktien mittelfristig unsere bevorzugte Anlageklasse. Alles in allem rechnen wir in diesem Jahr mit Renditen im mittleren bis hohen einstelligen Bereich.

Innerhalb eines ausgewogenen Portfolios ist es ratsam, das zusätzliche Aktienrisiko durch eine defensivere Positionierung bei Anleihen auszugleichen. Da 2020 ein Übergangsjahr für europäische Staatsanleihen sein könnte, bevorzugen wir internationale Anleihen mit positivem Carry wie etwa US-Staatspapiere, Titel aus den europäischen Peripherieländern und Schwellenländeranleihen. Inflationsgebundene Anleihen sind darüber hinaus weiterhin günstig und bieten eine interessante Absicherung gegenüber plötzlichen Aufwärtsüberraschungen bei den Preisen. Bei Unternehmensanleihen gehen wir äußerst selektiv vor, da die Kreditspreads weltweit auf historischen niedrigen Niveaus gehandelt werden. Unser Basisszenario, das von höheren Zinssätzen und steileren Zinskurven ausgeht, bestätigt unsere Positionierung im Bereich der kurzen Durationen.

Bei Aktien haben wir eine strukturelle Präferenz für US-Aktien, die auf das solide konjunkturelle Umfeld in den USA, die unterstützende Marktstruktur und den starken Arbeitsmarkt zurückzuführen ist, der das Verbrauchervertrauen stärkt. Dies wiederum bietet der Wirtschaft und den Finanzmärkten Unterstützung. Darüber hinaus besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die US-Märkte aufgrund der anstehenden Wahlen positive Renditen erzielen werden. Aufgrund der stark gestiegenen Bewertungen, die 2019 an den US-Märkten zu beobachten waren, haben wir unsere Position von ‚übergewichtet‘ auf ‚neutral‘ gesenkt. Wenn sich die Kennzahlen auf einem erhöhten Niveau halten sollen, wird das Umsatz- und Gewinnwachstum entsprechend anziehen müssen. Gegen Ende des vergangenen Jahres wurde unsere Einschätzung in Bezug auf europäische Aktien aus mehreren Gründen positiver. Erstens nähert sich die Bewertungslücke zwischen Europa und den USA einem extremen Niveau. Zweitens klingen die politischen Risiken in Europa ab. Ein No-Deal-Brexit, der eine europaweite Rezession nach sich ziehen könnte, wurde vermieden. Drittens scheinen die mit dem Handelskrieg verbundenen Risiken zurückgegangen zu sein. Dies dürfte den Indikatoren für das Geschäftsklima weltweit Auftrieb verleihen, was wiederum zu einer Belebung der Investitionsausgaben führen könnte. Nichtsdestotrotz könnte ein plötzlicher neuerlicher Anstieg der Handelsspannungen zwischen den USA und Europa noch Sand ins Getriebe streuen.

Im Nachgang der Septembersitzung der EZB begannen europäische Zinsen sich zu normalisieren. Dies löste im vierten Quartal 2019 eine Stilrotation weg von Wachstumstiteln und hin zu Substanzwerten aus. Am stärksten haben Banken von dieser Entwicklung profitiert. Wir halten an unserem ‚Barbell‘-Ansatz fest. Dieser veranlasst uns, unsere Positionierung in Bezug auf Wachstums- versus Substanzaktien bzw. zyklischen versus defensiven Sektoren dynamisch anzupassen. Derzeit bevorzugen wir angesichts der Aussichten auf höhere Zinsen, der steiler werdenden Zinsstrukturkurven und des von geringer Volatilität geprägten Umfelds Substanzwerte und zyklische Titel. Auch wenn die Wertentwicklung von Schwellenländeraktien 2019 alles andere als glänzend war, gehen wir davon aus, dass ihnen 2020 ein starkes Jahr bevorstehen könnte. Das Wachstum Chinas könnte sich angesichts seiner gemäßigten Zentralbankpolitik, der Stabilisierung des Welthandels und des potenziell schwächeren Dollars stabilisieren, während die mit einem Handelskrieg verbundenen Risiken abklingen.

Ein weiteres Element, das den europäischen Märkten zusätzlichen Auftrieb verleihen könnte, wäre die Entscheidung der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten, ein fiskalpolitisches Konjunkturpaket umzusetzen. Auf politischer Ebene ist dies vorerst noch ein heftig umstrittenes Thema. Nichtsdestotrotz könne eine konjunkturelle Stütze bei einer plötzlichen Abkühlung der europäischen Wirtschaft deutlich mehr Unterstützung erhalten. Die Bekanntgabe einer solchen Maßnahme würde die Märkte spürbar beleben, auch wenn es vermutlich 18 bis 24 Monate dauern würde, bis tatsächliche Auswirkungen sichtbar würden. Empirische Erhebungen aus Japan belegen, dass der Multiplikatoreffekt fiskalpolitischer Anreize in einem Niedrigzinsumfeld weitaus größer ist.

Geopolitische Risiken wird es immer geben. Daher stellen sie keinen entscheidenden Faktor für Allokationsentscheidungen dar. In der Vergangenheit haben geopolitische Ereignisse immer wieder optimale Einstiegspunkte für Risikoanlagen geboten. Der jüngste Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat die Selbstgefälligkeit des Marktes deutlich aufgezeigt. Die Auswirkungen waren kaum ein paar Tage lang zu spüren, boten jedoch ausgezeichnete Kaufgelegenheiten. Dies belegt die hohe Bereitschaft von Anlegern, sich bei jeglichem Anzeichen von Schwäche an den Märkten zu engagieren. Nicht zuletzt bestärkt uns dies in unserer Überzeugung, dass die Hausse am Aktienmarkt ihre Grenzen noch immer nicht erreicht hat.

Von Johan Van Geeteruyen,
Head of Conviction Global Balanced Management bei DPAM

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