Das Investment: Russland-Ukraine Krise: „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, über den Kauf europäischer Aktien nachzudenken“

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 01.10.2014. Die Handelssanktionen, die Russland und der Westen gegeneinander verhängt haben, zeigen ihre Auswirkungen – auch auf Europa. Das BIP-Wachstum der Eurozone schwächelt. Philippe Brugère-Trélat, Executive Vice President und Portfolio Manager bei Franklin Mutual Series, erklärt, weshalb Anleger gerade jetzt auf europäische Unternehmen setzen sollten.

Die Krise in der Ukraine und die daraus resultierenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen währen fort, ohne dass bisher eine dauerhafte Lösung gefunden werden konnte. Viele Anleger reagierten hierauf mit einem Rückzug aus europäischen Unternehmen, die in Russland engagiert sind.

Aber trotz immer mehr Belegen dafür, dass die Krise in der Ukraine auch in vielen europäischen Ländern ihren Preis fordert, wäre es meiner Meinung nach für langfristige Anleger unklug, sich aus Europa zurückzuziehen.

Eine solide Dynamik bei den Unternehmensumsätzen, hohe Dividendenrenditen und die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung durch die Europäische Zentralbank (EZB)  – das sind nur einige der Gründe dafür, warum ich zuversichtlich bleibe, dass die Erholung in Europa wieder einsetzen wird, wenn die Krise erst einmal vorüber ist.

Krise in der Ukraine lässt BIP-Zahlen in Deutschland schwächeln

Die Wirtschaftsdaten der letzten Wochen aus der Eurozone waren enttäuschend. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass der Konflikt in der Ukraine hierzu einen Beitrag geleistet hat. Die Schwäche wurde insbesondere in den jüngsten Bruttoinlandsprodukt-Zahlen (BIP) der Eurozone für das zweite Quartal deutlich, insbesondere jenen aus Deutschland. Als größte Volkswirtschaft Europas gilt Deutschland als Motor der Konjunkturerholung in der Region.

Das BIP-Wachstum der Eurozone während des zweiten Quartals war im Vergleich zum vorherigen Quartal insgesamt neutral. Dies entsprach nicht den Erwartungen eines weiteren Wachstums und führte zur Sorge, die Konjunkturerholung in der Eurozone sei ins Stocken geraten. Deutschlands BIP lag im zweiten Quartal allgemein überraschend 0,2 Prozent niedriger. Da die deutsche Wirtschaft mit eine der am stärksten von Russland abhängigen ist, denke ich, dies lässt sich direkt mit den Spannungen zwischen Russland und der Ukraine in Verbindung bringen.

Handelssanktionen wirken sich längerfristig aus

Die Daten der Eurozone für das dritte Quartal dürften ebenfalls schwach ausfallen. Grund hierfür sind zum Teil die gegenseitigen, strengen Handelssanktionen, die Russland und der Westen – die USA und Westeuropa, einschließlich Deutschland – gegeneinander verhängt haben. Es lässt sich bereits eine enttäuschende Auftragslage in der Industrie beobachten, und deutsche Unternehmen setzen Expansionspläne aus. Die Kapitalausgaben in Deutschland waren niedrig. Das Vertrauen der Unternehmen im Land ist insgesamt angeschlagen.

Unserer Ansicht nach besteht daher die

EZB will Märkte in Krise unterstützen

Wir glauben aber, dass es eine Reihe anderer Entwicklungen gibt, die die Märkte potenziell etwas unterstützen könnten – selbst wenn die Krise fortwährt. Zunächst hat die EZB ihre Bereitschaft demonstriert, falls nötig mit noch viel aggressiveren geldpolitischen Maßnahmen, einschließlich quantitativer Lockerungsmaßnahmen, einzugreifen. Ich erwarte auch eine weitere Schwäche des Euro. Diese dürfte die europäische Wirtschaft stützen, da die Exporte aus Europa konkurrenzfähiger werden würden.

Obwohl die Lage in der Ukraine derzeit besorgniserregend erscheint, kann sich Russland meiner Meinung nach eine länger währende Krise nicht leisten. Die russische Wirtschaft bewegt sich auf eine Rezession zu oder befindet sich sogar schon in einer. Die verloren gegangene Produktivität aufgrund westlicher Sanktionen in Verbindung mit Lieferengpässen und höheren Verbraucherpreisen, die die Russen nun zu bezahlen haben, könnten mit der Zeit zu einem Schwinden der Unterstützung für Präsident Putin führen.

Gegenseitige Abhängigkeit gibt Hoffnung auf ein Ende des Konflikts

Noch wichtiger ist folgendes aus meiner Sicht: Es ist sowohl in Russlands als auch in Europas langfristigem Interesse, diesen Konflikt zu beenden. Denn beide brauchen, was der jeweils andere hat. Russland muss seine auf Ressourcen beruhende Wirtschaft entwickeln und kann ohne europäisches Kapital und europäische Technologien seine Öl- und Gasfelder nicht erschließen.

Europa braucht russisches Gas für seine Kraftwerke. Präsident Putin ist sich dessen genau bewusst. Ich glaube daher, dass diese Krise aller Wahrscheinlichkeit nach friedlich gelöst werden wird – möglicherweise noch vor Ende des Jahres. Denn es gibt meiner Meinung nach keine andere tragbare Lösung.

Möglichkeit, dass sich die erwartete Erholung der europäischen Wirtschaft verzögern wird – insbesondere im Fall einer Eskalation der politischen Spannungen.

Investitionen in europäische Unternehmen lohnen sich

Die Aktien einiger europäischer Unternehmen, die in Russland tätig sind, wurden aus meiner Sicht durch die Entwicklungen unverhältnismäßig stark abgestraft. Das deutet unserer Meinung nach darauf hin, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, über den Kauf europäischer Aktien nachzudenken.

Es gibt unterschiedliche Gründe, europäische Unternehmen in einem positiven Licht zu sehen. Wenn man beispielsweise über die kurzfristige Schwäche der Konjunkturdaten hinwegsieht, waren die Umsatzergebnisse auf Unternehmensniveau in der Tat besser als erwartet. Die Umsätze europäischer Unternehmen präsentierten sich im zweiten Quartal 2014 insgesamt solide. Hinzu kommen die generell positiven Prognosen für die nächsten zwei oder drei Quartale. Da ist es nicht schwer, in Hinsicht auf die Wachstumsaussichten für europäische Unternehmen optimistisch zu sein.

Schwacher Euro macht europäische Unternehmen konkurrenzfähig

Tatsache ist, ein großer Teil des erwarteten Wachstums stammt von außerhalb der europäischen Grenzen. Die Umsatzzahlen europäischer Unternehmen für das zweite Quartal veranschaulichen dies recht gut. Denn ein großer Anteil kommt aus Nordamerika und China. Diese Märkte sind solide gewachsen und für viele Unternehmen in Deutschland und anderenorts viel wichtiger als Russland.

Ich glaube, europäische Unternehmen dürften auch durch den abschwächenden Euro Rückenwind erhalten. Die Währung fiel von 1,40 US-Dollar noch am 6. Mai 2014 auf unter 1,30 US-Dollar am 11. September.  Das wirkt sich jetzt schon auf die Unternehmensumsätze in Europa aus. Wir gehen davon aus, dass dies eine gute Entwicklung für europäische Aktien ist. Denn eine schwächere Währung könnte diese Unternehmen sogar noch konkurrenzfähiger machen.

Dividendenrendite macht europäische Aktien attraktiv

Eine weitere Dynamik, die europäische Aktien derzeit für uns attraktiv macht, ist die durchschnittliche Dividendenrendite des Stoxx 600, dem europäischen Gegenstück zum S&P 500 Index. Denn sie ist deutlich attraktiver als in den USA. Das bedeutet, Anleger erhalten eine Ausschüttung nur dafür, dass sie die Aktien dieser Unternehmen halten. Dies insbesondere zu einer Zeit, zu der (Stand: 1. September 2014) zehnjährige deutsche Bundesanleihen weniger als 1 Prozent Rendite brachten. Dabei wird das Potenzial weiterer, zukünftiger Verbesserungen der Unternehmensumsätze und Gewinnspannen noch gar nicht einmal berücksichtigt.

Aktien von Automobilherstellern und Finanzwesen im Fokus

Insbesondere deutsche Aktien erscheinen uns zunehmend attraktiv und inmitten der russischen Krise können wir Wert entdecken. Wir mögen Aktien im Sektor zyklische Konsumgüter, denn ihre Bewertungen sind im Vergleich zu anderen Sektoren, wie Gesundheitswesen und nichtzyklische Konsumgüter, niedrig.

Wir finden in dieser Sparte viele Unternehmen mit soliden Bilanzen, gutem Cashflow und einer guten Geschäftsführung. Dabei gefallen uns Automobilhersteller, Einzelhändler, Aktien aus dem Freizeitbereich und Finanzwesen, einschließlich Banken, ganz besonders gut. Wir favorisieren generell auch Industriewerte und halten Unternehmen für besonders attraktiv, die derzeit umstrukturiert werden.

Bei allen Krisen oder anderweitigen Marktverwerfungen ist es wichtig, das Gesamtbild nicht aus dem Auge zu verlieren. Wenn wir investieren, erstreckt sich unser Zeithorizont über Jahre und nicht nur über Monate. Wir verhalten uns sehr oft dem Trend entgegenläufig und sind bisweilen auch früh dran. Nichtsdestotrotz sehen wir keinen Grund dafür, nicht weiterhin an Orten nach langfristigem Wert zu suchen, an denen andere nur kurzfristige Risiken sehen – in diesem Fall in Europa.

Von: Philippe Brugère-Trelat

Quelle: DAS INVESTMENT.

Siehe auch

FondsProfessionell: FFB-Chef: “Wir bleiben Teil von Fidelity”

Fidelity sucht einen Käufer für die FIL Fondsbank (FFB), hieß es im Sommer 2023. Doch das ist Geschichte, sagt FFB-Geschäftsführer Jan Schepanek im Interview mit FONDS professionell. Im Gespräch erläutert er, wie es zu dieser Entscheidung kam – und welche Pläne er mit der Fondsplattform hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert