Fidelity | Kronberg, 18.08.2016.
Seit 2011 haben sich Aktien aus Schwellenländern deutlich schwächer entwickelt als ihre Pendants aus Industrieländern
Zuletzt hat sich der Negativtrend bei Schwellenländeraktien aber umgekehrt, seit Januar haben sie 12 Prozent besser abgeschnitten als Aktien aus Industrieländern
Attraktive Bewertungen, wieder Tritt fassende Volkswirtschaften, die Ölpreiserholung und weltweit niedrige Renditen stützen die Aussichten
Kronberg im Taunus, 18. August 2016 – Die Entwicklung der globalen Aktienmärkte wurde in den vergangenen Jahren abwechselnd von Schwellenländern und Industrieländern dominiert. Auf mehrjährige Phasen mit schwächerer Wertentwicklung von Schwellenländeraktien folgen meist längere mit überdurchschnittlicher Kursentwicklung. Nach vier schwachen Jahren sind wir zurückhaltend optimistisch, dass sich die seit Jahresbeginn beobachtete Erholung der Schwellenländeraktien fortsetzen kann.
Gemessen an nahezu allen Kennzahlen sind die Bewertungen von Aktien aus den Schwellenländern inzwischen attraktiv. Und unterstützt durch die Erholung der Ölpreise, fassen ihre Volkswirtschaften Tritt. Auch die zurückgeschraubten Zinserwartungen in den USA begünstigen die Entwicklung. Zugleich setzen die weltweit ohnehin niedrigen Renditen ihre Talfahrt fort und treiben Anleger weiter in riskantere Anlageklassen.
Anlegern, die von den langfristigen Investmentthemen in Schwellenländern profitieren wollen, bieten die günstigen Bewertungen möglicherweise attraktive Einstiegspunkte. Allerdings erscheinen die von aktuellen Trends in den Bereichen Internet, Gesundheit und Konsum am meisten begünstigten Aktien mittlerweile bereits hoch bewertet, ein selektiver Ansatz ist daher wichtig.
Seit Januar haben Schwellenländeraktien um 12 Prozent besser abgeschnitten als ihre Pendants aus den Industrieländern, wobei mehrere Faktoren ihre weitere Erholung begünstigen könnten.
Günstige Bewertungen
Eine positive Folge der längeren Flaute bei Schwellenländeraktien sind ihre deutlich günstigeren Bewertungen verglichen mit Aktien aus Industrieländern. Aktuell liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis von Schwellenländeraktien mit 1,4 unter dem 20-jährigen Durchschnitt von 1,8. Der Abschlag zum Kurs-Buchwert-Verhältnis von Industrieländeraktien liegt bei 28 Prozent. Auch das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die nächsten 12 Monate liegt mit 12,3 deutlich unter dem von Aktien aus Industrieländern mit 15,7.
Verbesserte wirtschaftliche Fundamentaldaten
Niedrige Bewertungen sind oft Ausdruck schwacher Wirtschaftsdaten, die typischerweise mit schlechteren Gewinnaussichten von Unternehmen einhergehen. Aufgrund des langsameren Wachstums in China, der niedrigen Rohstoffpreise und des schwächelnden Exportwachstums hat die Konjunktur in den Schwellenländern in den vergangenen Jahren an Dynamik verloren. Allerdings scheinen sie nun wieder Tritt zu fassen. Anders als in China sind viele Wirtschaftsindikatoren für Russland und Brasilien im Aufwind. Die Eigenkapitalrenditen von Schwellenländeraktien steigen seit April wieder und liegen inzwischen das erste Mal seit Mitte 2014 wieder über jenen von Industrieländeraktien. Dabei sollte das Potenzial vor dem Hintergrund struktureller Faktoren – beispielsweise deutlich steigender Einkommen und Urbanisierung – betrachtet werden, die die langfristigen Wachstumsaussichten stützen.
Der gestiegene Ölpreis hilft
Viele Schwellenländer sind stark von Rohstoffexporten und insbesondere von der Entwicklung des Ölpreises abhängig, dessen Entwicklung stark mit dem MSCI EM Index korreliert – für die vergangenen 20 Jahre liegt die Korrelation bei 0,66. Deshalb ist die jüngste Ölpreiserholung für die Schwellenländer von zentraler Bedeutung. Am 20. Januar 2016 schloss Rohöl der Sorte Brent auf dem tiefsten Stand von 27,92 US-Dollar je Barrel. Seitdem ist der Preis wieder um über 50 Prozent auf rund 45 US-Dollar gestiegen. Davon haben Schwellenländeraktien profitiert. Ihre Kurse sind seitdem um über 28 Prozent gestiegen.
Korrelation von US-Zinspolitik und Schwellenländeraktien
Aktien aus Schwellenländern gelten als einer der größten Nutznießer der weltweit lockeren Geldpolitik. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, dass eine Straffung der US-Zinspolitik zunächst keine negativen Auswirkungen auf Schwellenländeraktien haben muss – im Gegenteil. In den vier zurückliegenden US-Zinszyklen lag die Rendite von Schwellenländeraktien in den ersten 12 Monaten nach der ersten Zinserhöhung im Schnitt bei 15 Prozent und 24 Monate danach bei 35 Prozent. Der aktuelle Kursanstieg um 11 Prozent seit dem Anziehen der US-Zinsschraube im Dezember 2015 entspricht diesem Muster.
Zinserhöhungen in den USA erfolgen üblicherweise dann, wenn es der amerikanischen Wirtschaft gut geht und sie einen positiven Beitrag zum globalen Wachstum leistet. Eine Phase mit sehr langsamer Zinsstraffung der Fed bei gleichzeitig solidem Wirtschaftswachstum und niedriger Inflation in den USA könnte sich daher eher positiv als negativ auf Schwellenländeraktien auswirken.
Weiter sinkende Anleiherenditen helfen Schwellenländeraktien
Die bis dato erstaunlichste Entwicklung an den Märkten in diesem Jahr ist der weltweit anhaltende Rückgang der Anleiherenditen. Mehr als ein Drittel aller Staatsanleihen weltweit werfen inzwischen nur noch negative Renditen ab, nur 6 Prozent rentieren bei über 2 Prozent. Das hat auch auf Schwellenländeraktien erhebliche Auswirkungen. Denn der Renditerückgang bei Staatsanleihen aus sicheren Häfen kommt de facto einem weltweiten Rückgang des risikofreien Zinssatzes gleich. Und macht im Gegenzug Anlagen in riskantere und höher verzinste Vermögenswerte attraktiver.
Risiken bleiben
Alle günstigen Faktoren können sich jedoch umkehren. Der Anstieg der Konjunkturbarometer könnte sich als Strohfeuer erweisen, wenn die Wirkung von Chinas Stimulusmaßnahmen verblasst und die Rohstoffnachfrage erneut nachlässt. Zudem gehören Schwellenländeraktien zu den mit höheren Risiken behafteten und zu größeren Schwankungen neigenden Anlageklassen. Ein gewisser Abschlag gegenüber Industrieländeraktien ist daher gerechtfertigt. Der Grund für diese höheren Risiken und Schwankungen sind strukturelle Faktoren, darunter höhere politische Risiken, wie jüngst in der Türkei gesehen. Hinzu kommen weniger hohe Standards der Unternehmensführung sowie eine stärkere Einflussnahme der Regierung auf die Privatwirtschaft. Und da einige strukturell attraktive Schwellenländeraktien bereits hoch bewertet erscheinen, ist ein selektiver Anlageansatz in Schwellenländern unverzichtbar.
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