Zwischen 2000 und 2014 wuchs der Pkw-Absatz in China um durchschnittlich 27,5% – pro Jahr. Seit einigen Monaten zeichnet sich jedoch ein Ende der hohen Dynamik ab; von Mai bis Juli 2015 lagen die Pkw-Verkäufe sogar um 1,3% unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Autonachfrage in China dürfte in den nächsten Jahren deutlich auf ein einstelliges Niveau fallen. Dies ist ein Schritt in Richtung „Normalität“. Die erwartete geringere Dynamik bei der Pkw-Nachfrage – gepaart mit vorerst wachsenden Produktionskapazitäten vor Ort – sollte dazu führen, dass der Preis- und Wettbewerbsdruck im chinesischen Automarkt weiter zunimmt. Einer solchen Entwicklung werden sich die deutschen Hersteller im Premium-Segment nicht vollständig entziehen können.
Der chinesische Automarkt verzeichnete in den letzten Jahren ein enormes Wachstum. Der Pkw-Absatz stieg zwischen 2000 und 2014 um durchschnittlich 27,5% – pro Jahr! Die Autoverkäufe des Landes übertreffen seit 2013 das Niveau der USA, sodass China inzwischen zum größten Automarkt der Welt aufgestiegen ist. Dabei war im gesamten Zeitraum in keinem einzigen Jahr ein Rückgang des Pkw-Absatzes zu verzeichnen. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Autonachfrage in allen anderen großen Schwellenländern (z.B. in Indien, Brasilien, Russland oder den ASEAN-Staaten) im Verlauf der letzten 15 bis 20 Jahre zwischenzeitlich auch mal gesunken war – zum Teil sogar kräftig. Eine hohe Volatilität bei den Wachstumsraten inklusive temporärer Rückgänge beim Pkw-Absatz ist also durchaus charakteristisch für „junge“ Automärkte. China bildet mit seinen stetigen Zuwächsen daher die Ausnahme unter den Emerging Markets.
Seit einigen Monaten zeichnet sich im chinesischen Automarkt jedoch ein Ende der hohen Dynamik ab; von Mai bis Juli 2015 lagen die Pkw-Verkäufe (nach statistischer Abgrenzung des VDA) sogar um 1,3% unter dem entsprechenden Vorjahresniveau. Für die geringeren Wachstumsraten sind mehrere Gründe maßgeblich. So ist die gesamtwirtschaftliche Dynamik in China zuletzt gesunken. Die jüngsten Turbulenzen an den chinesischen Finanzmärkten spielen ebenfalls eine Rolle. Zu nennen ist ferner ein gewisser Basiseffekt. Denn das Absatzniveau ist aufgrund des starken Wachstums der vergangenen Jahrzehnte inzwischen derart hoch, dass fortgesetzte zweistellige Zuwachsraten immer weiter steigende absolute Pkw-Verkäufe bedeuten würden. Dies fällt von Jahr zu Jahr jedoch schwerer. Letztlich gewinnen im chinesischen Automarkt die Ersatzbeschaffungen an Bedeutung.
In den letzten Jahren hat man in bestimmten chinesischen Städten bzw. Regionen bereits temporäre Rückgänge beim Pkw-Absatz beobachten können, die u.a. auf regulatorische Vorgaben wie zeitlich befristete Zulassungsbeschränkungen zurückzuführen waren. Diese hatten das Ziel, der lokalen Umweltverschmutzung entgegenzuwirken. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Politik auch künftig in einzelnen Städten/Regionen solche Maßnahmen ergreifen wird. Hinzu kommen Infrastrukturengpässe vor allem in den Metropolen der Küstenregionen, in denen die Pkw-Dichte bereits hohe Werte erreicht hat. Diese Engpässe erschweren die Pkw-Nutzung im Alltag, was perspektivisch dämpfend auf die Autonachfrage wirken kann.
In Summe sprechen die skizzierten Faktoren dafür, dass die durchschnittliche Wachstumsrate der Autonachfrage in China in den nächsten Jahren deutlich auf ein einstelliges Niveau fällt. Kämen von Seiten der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Politik/Regulierung mehrere belastende Einflüsse zusammen, wäre bis 2020 in einzelnen Jahren auch ein Rückgang der Pkw-Nachfrage im Gesamtmarkt denkbar. Letztlich bedeutet die erwartete geringere Dynamik jedoch „lediglich“, dass sich Chinas Automarkt allmählich auf einem Weg Richtung Normalität bewegen dürfte.
Wachstumspotenzial vor allem abseits der Küstenregionen
Fast alle Marktbeobachter erwarten, dass sich das Wachstum der Autonachfrage in den nächsten Jahren stärker von den Küstenregionen in die Provinzen im chinesischen Hinterland verlagern wird, wo der Motorisierungsgrad der Bevölkerung noch deutlich niedriger ist. Da dort die Infrastruktur schlechter ausgebaut ist und die Pro-Kopf-Einkommen niedriger ausfallen als in den Küstenregionen, dürften „robuste“ Fahrzeuge aus dem Volumensegment dort besonders gefragt sein. Gleichwohl existiert auch in den bislang noch weniger erschlossenen Regionen ein großes Potenzial für Fahrzeuge der automobilen Oberklasse.
Die erwartete geringere Dynamik bei der Pkw-Nachfrage – gepaart mit vorerst wachsenden Produktionskapazitäten vor Ort – dürfte in den nächsten Jahren dazu führen, dass der Preis- und Wettbewerbsdruck im chinesischen Automarkt weiter zunimmt. Dieser Entwicklung können sich die deutschen Hersteller im Premium-Segment nicht vollständig entziehen. Insofern dürfte China einen Teil seiner herausragenden Bedeutung als Renditebringer für die deutschen Autohersteller vorerst einbüßen, was natürlich auch von der jeweiligen Modellpalette der einzelnen Anbieter abhängt. Die erwarteten Einschnitte auf der Ertragsseite sind für die Unternehmen kurzfristig schmerzhafter als etwaige Einbußen bzw. ein geringeres Wachstum beim Absatz. Die jüngste Abwertung der chinesischen Währung bereitet in diesem Zusammenhang ebenfalls Sorgen, denn importierte Fahrzeuge werden in China dadurch teurer, was wiederum Preisanpassungen nach unten erforderlich machen könnte. Der Wechselkurseffekt sollte durch den hohen Anteil der lokalen Produktion jedoch zumindest gedämpft werden.
Ein erhöhter Preisdruck im chinesischen Automarkt wäre ein weiterer Schritt in Richtung Normalität, denn die etablierten Automärkte sind schon seit vielen Jahren durch eine hohe Wettbewerbsintensität geprägt. Kurzfristig dürften die Hersteller mit einem reduzierten Produktionsvolumen in China reagieren, um einen übermäßigen Lageraufbau zu vermeiden. Hielte die jüngste Absatzschwäche länger an, könnten einzelne Pläne zum Ausbau der Kapazitäten zurückgestellt werden. Mittelfristig ist es wahrscheinlich, dass sich die Autoexporte aus China in andere aufstrebende Länder zu einem Ventil für die Autofabriken vor Ort entwickeln.
Alles in allem bleibt China in den nächsten Jahren (gemessen an den abgesetzten Einheiten) der wichtigste Automarkt der Welt, der – trotz der aktuellen Schwächephase – weiteres Wachstum verspricht. Die Dynamik der letzten 15 Jahre wird jedoch nicht mehr erreicht. Gleichzeitig erwarten wir, dass der Preis- und Wettbewerbsdruck steigt, weshalb die durchschnittlichen Renditen pro verkauftes Fahrzeug vorerst sinken dürften.