Pressemitteilung Degroof Petercam: Erkältet sich die Welt, wenn die Schwellenländer niesen?

Bei der FondsAuswahl zählt die Unabhängigkeit vom Anbieter! Degroof Petercam | Brüssel, 01.10.2018.

Die letzten Monate waren für Schwellenländer schwierig. Seit Jahresbeginn ist der MSCI Emerging Markets-Index auf Dollar-Basis um 12 Prozent gesunken. Der MSCI Türkei Index notiert derzeit sogar 55 Prozent niedriger. Bei den Währungen stellen wir fest, dass der brasilianische Real um 13 Prozent und der südafrikanische Rand um 16 Prozent niedriger als am Jahresanfang handeln, während es bei der türkischen Lira 40 Prozent und beim argentinischen Peso 48 Prozent sind. Auch ohne den Extremfall Venezuela (minus 96 Prozent) zu erwähnen, können wir feststellen, dass die Verluste erheblich sind. Betrachtet man das gesamte Schwellenländeruniversum, so wird schnell deutlich, dass mehr passiert als nur die Probleme in Argentinien und der Türkei, die seit einiger Zeit mit ihrem externen Finanzierungsbedarf zu kämpfen haben. Ansteckungspotenzial scheint gegeben.

Die Probleme in den Schwellenländern beginnen darüber hinaus, auch die entwickelten Märkte zu belasten. Die Gründe dafür, dass die Emerging Markets in unruhiges Wasser eindringen, sind vielfältig. Zum einen ist die Straffung der globalen monetären Bedingungen auf der Grundlage der höheren Leitzinsen der Fed zu nennen. Zum anderen verlangsamt sich das chinesische Wachstum. Zudem haben die Schwellenländer mit einem starken Dollar, Unsicherheiten in Bezug auf Protektionismus und sowie Druck auf die Rohstoffmärkte zu kämpfen. Wie groß aber ist das Risiko einer Ansteckung von Argentinien und der Türkei auf die Schwellenländer und den Rest der Welt wirklich? Im Folgenden nun ein genauerer Blick auf die Risiken anhand einiger ausgeprägter Beispiele aus den letzten Jahrzehnten.

Krisen in Mexiko und Thailand

Betrachten wir die mexikanische Peso-Krise von 1994. Diese war das Ergebnis einer Geld- und Fiskalpolitik, die angesichts des von Mexiko gegenüber dem Dollar beibehaltenen Wechselkurses nicht nachhaltig war. Mexiko war gezwungen, eine Abwertung vorzunehmen. Die Märkte waren von der Entscheidung überrascht und reagierten stark. Die Panik erreichte auch andere Schwellenländer, insbesondere in Lateinamerika. Nur wenige Jahre später begannen thailändische Währungspositionen nach einer Zeit des explosiven Kreditwachstums bei den Krediten im Immobiliensektor, die hauptsächlich von ausländischen Finanzinstituten finanziert wurden, unsicher zu werden. Der Konkurs von Finanzinstituten und spekulative Angriffe auf die Währung zwangen Thailand, die Währung flexibel schwanken zu lassen. Die asiatische Finanzkrise von 1997 breitete sich schließlich auf Länder mit einer ähnlichen Wirtschaftsstruktur wie Thailand aus. Malaysia, Indonesien und die Philippinen waren die nächsten. Andere regionale Währungen litten unter nachfolgenden Spekulationsangriffen. Die Finanzkrise stürzte den ostasiatischen Raum in eine Rezession mit Auswirkungen auf den Rest der Welt, einschließlich der Industrieländer. Besonders Japan war betroffen, da seine Wirtschaft nach einer langen Periode mageren Wachstums immer noch fragil war.

Der Einfluss auf den Rest der Welt wächst

Die Große Finanzkrise von 2008 hatte ihren Ursprung auf den ersten Blick in den entwickelten Ländern. Jedoch hatten auch die Schwellenländer einen erheblichen Anteil an der Entstehung der Krise. Nach den Krisen der späten 90er Jahre nutzten die Emerging Markets die relativ guten weltwirtschaftlichen Bedingungen, um ihre ökonomischen und finanziellen Fundamentaldaten zu stärken. Viele haben flexible Wechselkurse umgesetzt, umfangreiche Reservepuffer aufgebaut und finanzielle Sicherheitsnetze geschaffen. Durch die Erhöhung ihrer Reserven stimulierten die Schwellenländer die weltweite Nachfrage nach sicheren Vermögenswerten und übten damit großen Druck auf die US-Zinsen aus. Dieser Druck verstärkte die Suche nach Renditen, einschließlich der Nachfrage nach höher rentierenden strukturierten Produkten, die sich später als katastrophal für das globale Finanzsystem erwiesen. Durch die zunehmende Integration von Schwellenländern in die Weltwirtschaft folgten viele von ihnen im Zuge der Finanzkrise und Großen Rezession in den weltweiten Abschwung.

Ein weiteres wichtiges Beispiel ist das Tapering im Jahr 2013, als US-Notenbankchef Ben Bernanke sinkende Käufe von Vermögensverwerten durch die Fed ankündigte und damit steigende US-Zinsen und einen breiten Ausverkauf bei Anlagen in Schwellenländern auslöste. In den folgenden Volatilitätsphasen kam es jedoch zu einer deutlich stärkeren Marktdifferenzierung: Die Investoren konzentrierten sich insbesondere auf Länder mit größerem Fremdfinanzierungsbedarf. Zu diesen problematischen Ländern zählten Brasilien, Indien, Indonesien, die Türkei und Südafrika – eine Gruppe, die als ‚Fragile Five‘ bezeichnet wurde.

Welche Schlussfolgerungen können wir aus alldem ziehen?

  • Erstens ist der aktuelle Ausverkauf signifikant, wenn auch bei weitem nicht näher vergleichbar mit vergangenen Krisen. Daher sind die Bewertungen in den Schwellenländern attraktiver geworden. Allerdings werden sich die schwierigen Rahmenbedingungen in Form strafferer monetärer Rahmenbedingungen, Protektionismus und einer sich abzeichnenden Verlangsamung des chinesischen Wachstums nicht über Nacht ändern. Das bedeutet, dass die Emerging Markets noch nicht aus dem Schneider sind.
  • Zweitens ist der aktuelle Ausverkauf signifikant, wenn auch bei weitem nicht näher vergleichbar mit vergangenen Krisen. Daher sind die Bewertungen in den Schwellenländern attraktiver geworden. Allerdings werden sich die schwierigen Rahmenbedingungen in Form strafferer monetärer Rahmenbedingungen, Protektionismus und einer sich abzeichnenden Verlangsamung des chinesischen Wachstums nicht über Nacht ändern. Das bedeutet, dass die Emerging Markets noch nicht aus dem Schneider sind.
  • Drittens haben die Krisen der Vergangenheit gezeigt, dass, wenn ein bestimmtes Schwellenland von einem Schock getroffen wird, immer die Gefahr einer Ansteckung anderer Schwellenländer besteht. So geschehen 1994 in Mexiko und 1997 in Thailand.

Darüber hinaus können Markterwartungen zu sich selbst erfüllenden Krisen führen, wie die Serie von Spekulationsangriffen während der asiatischen Finanzkrise in den späten 90er Jahren deutlich gezeigt hat. Im Nachgang des Taperings von 2013 stellte sich jedoch heraus, dass Schwellenländer ganz unterschiedlich reagieren und deshalb eine höhere Marktdifferenzierung vorgenommen werden muss. Dies gilt heute umso mehr: Nicht alle Schwellenländer sitzen angesichts der Vielfalt des Emerging Markets-Universums im selben Boot.

Michiel Verstrepen, Ökonom bei Degroof Petercam AM

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