Steigende Regulierungsanforderungen, Niedrigzinsphase, Fintech-Konkurrenz: DAS INVESTMENT.com fasst die zehn größten Herausforderungen für Finanz- und Versicherungsvermittler zusammen.
Wer heute sein Geld mit Finanzberatung verdient, Versicherungen, Geldanlagen oder Immobilienkredite vermittelt, weiß genau, wie anspruchsvoll der Job ist. Auf der einen Seite sich verändernde Rahmenbedingungen durch EU-Regulierung und neue Gesetzgebung, die immer anspruchsvoller, zeit- und kostenintensiver wird.
Auf der anderen Seite herrschen Marktbedingungen, die angesichts einer nicht enden wollenden Niedrigzinsphase nicht schwieriger sein könnten, um zum Beispiel eine Altersvorsorge sinnvoll und nachhaltig zu planen.
Dazu kommt ein Image des Finanzberaters in der Öffentlichkeit, dass angesichts so manchen Anlageskandals der letzten Jahre von Vertrieben und Banken unfairerweise auf die gesamte Branche und damit auch auf den solide arbeitenden unabhängigen Versicherungsmakler oder Finanzanlagenberater abfärbt. Trotz der vergleichsweise neuen gesetzlichen Qualitätsstandards an Ausbildung und Ausführung der Finanzberatung hat es sich nicht signifikant in der Wahrnehmung der Kunden verbessert.
10 Experten beleuchten die 10 wichtigsten Themen
DAS INVESTMENT.com hat aus der Fülle an Anforderungen die zehn besonders wichtige Themen ausgewählt und zu jeder dieser Herausforderungen einen namhaften unabhängigen Experten und/oder einen ausgewiesenen Praktiker gebeten, den aktuellen Sachstand zu kommentieren und einen Ausblick auf kommende Entwicklungen zu geben.
Die anhaltenden Regulierungsoffensiven aus Brüssel wirken sich auf viele Bereiche der Beratung aus und betreffen entsprechend viele der Herausforderungsthemen. Eines davon ist die Weiterbildung für Vermittler, die über die Vertriebsrichtlinie IDD erstmals mit 15 Stunden Fortbildung verpflichtend werden wird.
1. Weiterbildung
Frank Rottenbacher, Vorstand der Going Public Akademie für Finanzberatung, schätzt sinnvolle Konzepte und Probleme beim Dauerbrenner Weiterbildung im Interview ein und kommentiert den Sachstand. „Ein Wettlauf um die Inhalte zeichnet ab. Unser Eindruck ist, dass das Ministerium nicht nur einen Anbieter zertifizieren wird. Es wird gewissermaßen die Leitplanken setzen und dann verschiedene Weiterbildungsmodelle im Wettbewerb zulassen“, so Rottenbacher.
Fragen der Zertifizierung und Prüfung der Inhalte sind noch offen, ebenso ist noch unklar, wer die Bildungsanbieter kontrollieren soll. Hier hat die Branche indes Ideen formuliert.
2. Dokumentation
Dazu gehört auch der Komplex der Dokumentation, der für die Versicherungsmakler 2004 mit der Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie reguliert wurde. Wie Makler damit umgehen und welche neuen Herausforderungen die IDD – Stichwort Geeignetheitsprüfung – hierzu voraussichtlich bringen wird, damit beschäftigt sich seit 12 Jahren derArbeitskreis Beratungsprozesse (AKBP).
Die Arbeitshilfen des AKBP wie zum Beispiel Beratungsleitfäden und Risikoanalysebögen dürfen Vermittler kostenlos verwenden und können es auf Wunsch sogar personalisieren.
Mitgründer Friedel Rohde begründet, warum Makler immer noch überfordert sind und wie eine rechtssichere Beratungsdokumentation den gesamten Beratungsprozess widerspiegeln sollte. „Der beginnt mit der Auftragsklärung, gefolgt von der Bedarfsanalyse, Marktuntersuchung und Empfehlung bis hin zum Antrag. Wir raten dazu, die Dokumentation prozessbegleitend und mithilfe unseres Arbeitsmaterials durchzuführen“, so Rohde.
3. Vergütung
Provisionen oder Honorar, Mischmodelle und alternative Vergütungssysteme sind eines der meist diskutierten Themen in der Branche. Die Politik will erklärtermaßen den freien Wettbewerb der Systeme und insbesondere die Honorarberatung fördern. Inwieweit Eingriffe wie das LVRG mit seiner Verlagerung von Abschluss- auf Bestandsprovision beim Makler ein Umdenken gebracht hat, darüber gibt
Oliver Kieper, Vorstand der Netfonds AG und der Netfonds Versicherungsservice AG, Auskunft.
„Vermittler lassen sich zunehmend Services wie die Online-Depoteinsicht, die Online-Vertragsübersicht, die Nutzung einer Kunden-App und andere weiterführenden Service-Dienstleistungen über ein Honorar direkt vom Kunden vergüten. In der Vermittlung aber kommen nach wie vor überwiegend provisionsgestützte Tarife zum Einsatz. Häufig auch in Ermangelung echter Alternativen“, sagt Kieper im Interview mit DAS INVESTMENT.com.
Das LVRG habe seiner Ansicht nach in nahezu allen Tarifen zu deutlichen Verbesserungen des Kundennutzens geführt, auch wenn es alles andere als problemlos in der Branche eingeführt wurde. So wurde auch an anderen Stellschrauben wie der Stornohaftung gedreht – zum Unmut der Makler. Und: „Die Systeme der Versicherer waren für einen so umfangreichen Eingriff in die Vergütungsstruktur nicht ausreichend vorbereitet“, sagt Kieper. Noch immer haben die Pools mit der Umstellung zu kämpfen.
4. Produkte
An Finanzprodukten ist mittlerweile alles erfunden und optimiert, sollte man meinen. Doch aktuelle Marktbedingungen und regulatorische Eingriffe führen immer wieder zu neuen Produkttrends – wie der Garantiesucht der Deutschen. Norbert Porazik, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Fonds Finanz, beklagt: „Die neuen Garantiemodelle vieler Gesellschaften entsprechen zwar der Nachfrage der Kunden. Für eine gute Altersvorsorge können wir diese aber nur teils gutheißen, weil die Renditeabschläge bei diesem Konzept einfach zu hoch sind.
Porazik erklärt im Interview mit DAS INVESTMENT.com, warum man als unabhängiger Pool keinen direkten Einfluss auf die Produktkonzeptionen nehmen darf und warum die Trends zu Multi-Asset-Fonds und vermögensverwaltenden Lösungen im Markt noch weiter anhalten werden.
Die politischen Eingriffe über die Regulierung und die Auswirkungen auf die Produkte hält Porazik in Teilen für zweckmäßig, auch wenn es zu Kompensationsströmungen bei den Maklern führt, die auf weniger stark regulierte Produktbereich ausweichen.
5. Akquise
Ein Dauerbrenner unter den Berater-Herausforderungen ist der Weg zum Kunden. Die Akquise hat sich dabei in den letzten 15 Jahren sehr verändert, relativ neu sind das Kaufen von Leads und Online-Werbung.
Vertriebsexperte Jörg Laubrinus erläutert im Interview den strategischen Nachteil, den unabhängige Makler hier gegenüber Banken und den AO der Versicherer haben und betont die Bedeutung des richtigen Empfehlungsmarketings für die Akquise.
„Wer die Empfehlungsfrage konsequent stellt, braucht keine Leads. Es wird enorm viel Potenzial verschenkt“, konstatiert Laubrinus und erläutert, die der Makler sein Potenzial besser nutzen kann. Hierzu zählt er auch den Einsatz von Bewertungsportalen und eine sinnvolle Fokussierung auf geeignete Zielgruppen.
6. Social Media
Finanzberater müssen den Markt, in dem sich ihre Kunden bewegen, gut kennen. Dazu gehört es auch über Veränderungen im Mediennutzungsverhalten Bescheid zu wissen und auf Mega-Trends wie Digitalisierung konsequent in der eigenen Geschäftsaussichtung zu reagieren. Für viele Kunden etwa ist der Alltag ohne Social Media kaum mehr vorstellbar.
Doch in der Online-Kommunikation klaffen Kundenerwartungen und die Kontaktangebote der Vermittler weit auseinander. Unternehmensberaterin und Social-Media-Expertin Claudia Hilker hat für DAS INVESTMENT.com das Thema beleuchtet und extrahiert, mit welchen Technologien und Konzepten Vermittler viele wichtige Vertriebsimpulse generieren und die Kundenbindung erhöhen können. Zudem gibt die Expertin 7 Tipps für Versicherungen und Vermittler für das digitale Zeitalter.
7. Fintechs
Doch die Kunden sind umkämpft. Aggressive Fintechs haben vielen Beratern und Pools einen Schrecken eingejagt –werden sie die Beratungslandschaft nachhaltig umkrempeln? Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Universität Frankfurt, hat die rasante Entwicklung verfolgt und ordnet die Entwicklung im Interview mit DAS INVESTMENT.com ein.
„Der Test steht also noch aus, inwieweit die neuen Anbieter nicht nur für den Überblick sorgen, sondern den Kontakt mit der Versicherungsgesellschaft reibungslos regeln und den Kunden sogar zu besseren Versicherungsprodukten verhelfen können.“ sagt Hackethal. Doch von den von Fintechs ausgehenden Impulse kann die Branche lernen.
Roboadvisors wollen dadurch überzeugen, dass die Anleitung zur klugen Geldanlage extrem einfach, transparent und verständlich ist. „Fast alle haben zudem gemein, dass sie nicht auf den Verkauf einzelner Wertpapiere ausgerichtet sind, sondern die Kunden hin zu sauberen und breit gestreuten Portfolien leiten. Damit verfolgen sie das sinnvolle Credo ‚matching people with portfolios’“, so Hackethal. Der einfache Anlageprozess führe zudem dazu, dass Anleger mit der Zeit das Zusammenspiel von Rendite und Risiko lernen und ebenso, wie sie über Anpassung von Sparverhalten und Zeithorizont Ziele besser erreichen.
8. Vertriebsunterstützung
Pools haben bereits reagiert und den Angeboten der Fintechs eigene Apps für den Kunden entgegengestellt. Jung, DMS & Cie. sieht den Wandel der Aufgaben eines Pools als Partner des unabhängigen Maklers als unumkehrbar an. Sebastian Grabmaier, Vorstandschef der Jung, DMS & Cie. beleuchtet im Interview zudem die Rolle und das Potenzial neuer, alternativer Vergütungsmodelle.
„Wir glauben, dass Makler und Vermittler diese Möglichkeiten selbst in der Hand haben sollten. Denn sie sind am Kunden am nächsten dran und daher auch am ehesten geeignet, dort neue Technologien zu platzieren“, sagt Grabmaier.
Fintechs schnitten Kunden von jeglicher vertrauten Betreuung ab. „Sie sind technisch gut, haben aber im Service viel Nachholbedarf. Während Makler mit Poolanbindung über sehr gute Betreuungssysteme verfügen und nur mehr die letzten 10 Prozent selbst übernehmen müssen, nämlich die Kundenschnittstelle und deren Ausgestaltung“, so Grabmaier. Die Endkundenapp „allesmeins“ soll die Vorteile der Fintech-Welt mit den Zusatzservices des vertrauten persönlichen Beraters kombinieren.
9. Bestandsbewertung
Eine weitere Herausforderung, die jeder selbstständige Berater im Blick behalten sollte, ist die Frage der Bewertung und Veräußerungsmöglichkeiten seines Bestandes. Hier hat sich der Markt stark verändert. Die Aussichten für Makler eines Tages ihr Lebenswerk zu versilbern, ist fraglich geworden.Stefan G. Adams, geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Adams & Associates GmbH & Co KG, erläutert, in welchem Umfang und in welchen Bereichen der Kaufpreisverfall für Maklerunternehmen des Versicherungs- und des Kapitalanlagesektors bereits stattgefunden hat.
Signifikant ist, dass sich die Ober- und Untergrenzen bei der Bestandsbewertung von Versicherungsmaklerbeständen sich seit 2009 um zirka 50 Prozent reduziert haben, während bei Kapitalanlagevermittlern der Abrieb sogar rund 65 Prozent beträgt. „Dies lässt sich nach unserer Einschätzung auf das höhere Risiko und die größere krisenbedingte Volatilität für Unternehmen des Kapitalanlagesektors zurückführen“, sagt Adams.
Der Experte gibt in seinem Fachbeitrag für DAS INVESTMENT zudem eine Prognose für die weitere Entwicklung. Für bestimmte Strukturen wie Industrie-/Gewerbemaklerunternehmen oder Kapitalanlagevermittler, die den Großteil der Einnahmen über widerkehrende Courtagen/Honorare darstellen, kann es sogar wieder nach oben gehen.
10. Haftung
Ohne eine adäquate Berufshaftpflichtversicherung läuft für einen Berater nichts. Trends und Tendenzen bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gehören dazu zu den wichtigsten Entwicklungen, die im Blick zu behalten sind. Das Erschließen neuer Vertriebswege, regelmäßige Vorgaben durch die Gesetzgebung sowie zu berücksichtigende Einflüsse der Rechtsprechung wirken sich unmittelbar auf die Anforderungen an eine erfolgreiche und rechtlich zulässige Vermittlungstätigkeit aus.
Marc Hinrichsen, Geschäftsführer der Hans John Versicherungsmakler GmbH, leitet in einem Fachbeitrag den daraus entstehenden Änderungsbedarf ab, etwa durch das anstehende Erste Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (1. FimanoG), das die Vermittlung von Direktinvestments, künftig unter den Paragraf 34 f GewO stellt. „Auch wenn auf Produktebene damit nur noch die Vermittlung prospektpflichtiger Anlagen unter den Versicherungsschutz fallen, werden die Versicherer diese Ausweitung des Paragraf 34 f weiter mit Argusaugen betrachten und womöglich Ihre Zeichnungspolitik ändern. Schon jetzt verhalten sich einige Versicherer mit der Zeichnung dieses Risikos sehr zurückhaltend. Andere Risikoträger haben sich bereits ganz aus diesem Bereich zurückgezogen“, sagt Hinrichsen.
Worauf Berater, die in diesem Umfeld neue Vertriebsmöglichkeiten und weitere Tätigkeitsfelder erschließen, unbedingt achten müssen, fasst Hinrichsen in einem Fachbeitrag für DAS INVESTMENT zusammen.
Von: Oliver Lepold
Quelle: DAS INVESTMENT.