Bei der geplanten Abschaffung der Abgeltungssteuer werden wohl viele Punkte zu diskutieren sein. Doch um welche Aspekte werden sich wohl die meisten Diskussionen drehen? Hier die Antworten von Steuerexperten zu unserer Frage 3: Hauptdiskussionspunkt.
Alle Fragen aus der Reihe „10 Fragen an Steuerexperten über die Abgeltungssteuer“:
Frage 1: Ist eine Abschaffung der Abgeltungssteuer noch in dieser Legislaturperiode denkbar?
Frage 2: Was haben Flüchtlingsproblematik & Co. mit der geplanten Abschaffung der Abgeltungssteuer zu tun?
Frage 3: Was wird der Hauptdiskussionspunkt bei der Frage um eine Abschaffung der Abgeltungssteuer sein?
Frage 4: Werden Sparer tatsächlich bis zu 45 Prozent an den Fiskus werden abführen müssen?
Frage 5: Was wird Steuergegenstand sein?
Frage 6: Was könnte der Gesetzgeber unternehmen, um einen Ausverkauf zum Stichtag der Steuererhöhung zu vermeiden?
Frage 7: Ist eine Wiedereinführung der Haltefrist denkbar?
Frage 8: Welche Freibeträge wären denkbar?
Frage 9: Wie würde sich eine Aufhebung des Werbungskostenverbots auf Freibeträge auswirken?
Frage 10: Ist die Benachteiligung der Beteiligungsfinanzierung gegenüber der Fremdfinanzierung durch höhere Steuern gerechtfertigt?
Frage: Was wird Ihrer Meinung nach der Hauptdiskussionspunkt bei der Frage um eine Abschaffung der Abgeltungssteuer sein?
Michael Bormann, Gründungspartner und Steuerexperte von bdp Bormann Demant & Partner
Das Problem ist in Deutschland immer wieder die Abschaffung einer einmal eingeführten Subvention. Dies sieht man ja auch bei der Hotelsteuer, die es immer noch gibt. Es wird wieder um den Punkt gehen: Kann Deutschland alle Kapitaleinkünfte, die in Deutschland steuerpflichtig wären, erfassen oder ist wieder der der Dumme, der sein Geld oder seine Aktiengeschäfte in Deutschland anlegt beziehungsweise macht. Dieser Eindruck darf einfach nicht wieder entstehen.
Thomas Zacher, Fachanwalt für Steuerrecht und Gründungspartner der Kanzlei Zacher & Partner
Ich sehe drei hauptsächliche Problemkreise in folgender Abstufung:
1.) Eine generelle Anwendung des individuellen Steuersatzes ist bei manchen Kapitaleinkünften nicht möglich, da sie insgesamt zu der durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen Gesamtsteuerbelastung von deutlich über 50 Prozent führen würde. Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Unternehmen begibt Aktien. Auf einen Gewinn von 100 Punkten zahlt es selbst zunächst knapp 30 Punkte Körperschaft- und Gewerbesteuer. Würden die nun noch zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden 70 Punkte mit 45 Prozent Einkommensteuer belastet, würden insgesamt über 60 Prozent Steuern anfallen beziehungsweise weniger als 40 Prozent beim Anleger ankommen. Also muss man insoweit entweder wieder zu einer Anrechnung der Steuern auf Unternehmensebene für den Anleger kommen (Anrechnungsverfahren) oder darf die Dividende nur zum Teil besteuern (Teil- beziehungsweise Halbeinkünfteverfahren) – beides Verfahren, die wir schon einmal hatten und die man mit der Abgeltungsteuer bis auf Sonderfälle abgeschafft hatte.
2.) Mindestens für kleinere und mittlere Sparer wird man weiterhin vereinfachende und auch steuerneutrale Regelungen brauchen – es dürfte politisch kaum durchsetzbar sein, wenn man die seinerzeitigen Pro-Argumente bei der Abgeltungsteuer für die breite Masse der Anleger nun wieder einstampft und von diesen (wieder) aufwändige Steuererklärungen und letztlich höhere Steuern auf ihr Erspartes fordert.
3.) Aufwändige und umstrittene Übergangsregelungen werden erneut für die „Rolle rückwärts“ nötig. Das hat die noch heute andauernde Diskussion um die Anwendung und Auslegung der Übergangsregelungen hin zur Abgeltungsteuer seit 2009 gezeigt.
Heiko Wunderlich, Partner bei SKW Schwarz Rechtsanwälte
Meines Erachtens wird sich die Diskussion – neben der Steuergerechtigkeit, also der Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung – um die systematischen Fragen drehen, etwa ob Zinsen und Dividenden wirklich gleich behandelt werden sollen. Dem Fiskus wird Sicherheit am Herzen liegen, alle Steuerpflichtigen tatsächlich zu erfassen. Insoweit erwarte ich, dass auch viel über die Qualität und Auswertungsmöglichkeiten des Datenaustauschs diskutiert werden wird.
Ingo Kleutgens, Partner der Kanzlei Mayer Brown
Hauptdiskussionspunkte werden der Umfang der Abziehbarkeit von Werbungskosten, d.h. ob diese nur im Rahmen des Sparer-Pauschbetrages abziehbar sind oder vollumfänglich, sowie die Frage der Verrechenbarkeit von Verlusten im Rahmen eines Verlustvor- beziehungsweise Verlustrücktrages sein. Weiterhin wird es auch darum gehen, ob der alte Sparerfreibetrag, der bis zur Einführung der Abgeltungssteuer galt, wieder eingeführt werden müsste.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.