Das Investment: Die Fondsmanager über 25 Jahre Fidelity European Growth Fund

sjb_werbung_das_investment_300_20025 Jahre Fidelity European Growth Fund: Aus dem Anlass sprachen Anthony Bolton und Matthew Siddle, der erste und der aktuelle Fondsmanager, über veränderte Märkte, Spekulationsblasen und das eigene Berufsbild. Ein Interview mit freundlicher Genehmigung von Fidelity.

Wie haben sich die Märkte in Europa in den letzten 25 Jahren verändert?

Bolton: Europas Aktienmärkte haben sich im letzten Vierteljahrhundert dramatisch verändert. Als ich 1990 mit der Verwaltung des Fidelity European Growth Fundbegann, galt Europa unter Anlegern als rückständig.

Großbritannien, die USA und Japan: Das waren die wichtigsten Anlageregionen. Meist fiel dem Linguisten im Investmentteam die Aufgabe zu, die Europa-Fonds zu managen! Kaum eine der großen Investmentbanken interessierte sich damals für europäische Unternehmen. Gute Kontakte zu lokalen Nischen-Brokern waren deshalb das A und O.

Der alte Kontinent war im Wesentlichen eine Ansammlung von Ländern mit unterschiedlich weit entwickelten Märkten, unterschiedlichen gesamtwirtschaftlichen Treibern und Aktionärsstrukturen. Damals bestand der Investmentprozess zu einem Großteil darin, zu entscheiden, ob man in Frankreich oder Belgien, in Norwegen oder Deutschland anlegt. Entsprechend war das Research nach Ländergrenzen strukturiert. Wir waren daher schon etwas Besonderes und galten als Pioniere, als wir begannen, das Research nach Branchen zu organisieren.

Siddle: Eine weitere große Veränderung hat mit der Anzahl und Art der Anleger an den Aktienmärkten zu tun. Mit dem Aufkommen von Hedgefonds, Hochfrequenzhandel und ETFs ist die Zahl der Marktteilnehmer explosionsartig gestiegen und hat sich der Anlagehorizont dramatisch verkürzt. Aus dieser Veränderung erwachsen aber auch Chancen: Wenn man sich auf die nachhaltige Qualität eines Unternehmenskonzentriert und nicht nur darauf fixiert ist, ob es im nächsten Quartal die Gewinnerwartungen erfüllt oder nicht, kann man wirklich gute Anlagechancen aufspüren.

Und gibt es auch etwas, das gleich geblieben ist?

Bolton: Wie sagt man so schön: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Eines der großen Themen, auf die ich 1990 innerhalb des Fidelity European Growth Fundgesetzt hatte, war das Aufkommen kommerzieller TV-Sender. Damals wuchsen sierasant und machten den öffentlichen Sendeanstalten mit ihrem gesetzlichen Auftrag, nicht kommerzielle Programme zu produzieren, immer mehr Marktanteile streitig. Ausdieser veränderten Branchendynamik ergaben sich hervorragende Anlagemöglichkeiten. Und dieser Prozess der Weiterentwicklung der Branche, der Neuausrichtung und Rationalisierung der Sender ist noch nicht abgeschlossen. Für die europäischen Märkte wird er dank ihrer globalen Ausrichtung und Offenheit kennzeichnend bleiben.

Siddle: Natürlich gibt es immer Veränderung bei den Branchen oder Unternehmen, die gerade gefragt sind. Die Grundprinzipien der Anlage aber sind gleich geblieben. Immer noch bestimmen letztlich die Fundamentaldaten und Bewertungen den Kurseiner Aktie. Um es sinngemäß mit Benjamin Graham zu sagen: Auf kurze Sicht ist die Börse eine Art Wahlmaschine – entscheidend ist, was gerade populär ist. Langfristig aber gleicht der Markt eher einer Waage, die sich dem wahren Wert eines Unternehmens annähert.

Das gilt auch heute noch: Wer sich auf die nachhaltige Qualität eines Unternehmens konzentriert und die Störgeräusche außen vor lässt, kann vorübergehende Stimmungs- und Bewertungsumschwünge zu seinem Vorteil nutzen.

Hat sich die Einstellung der Unternehmen gegenüber ihren Aktionären über die Jahre gewandelt?

Bolton: Ich glaube, man kann durchaus sagen, dass damals viele Unternehmen in Europa ihren Aktionären ein gewisses Misstrauen entgegenbrachten. So zeigten sie sich im Allgemeinen erstaunt darüber, dass wir wirklich am Unternehmen interessiert waren. Sie betrachteten uns meist als Spieler, sicher nicht als Eigentümer des Unternehmens. Viele hielten es nicht für nötig, sich mit ihren Aktionären zu treffen oder taten dies nur sehr sporadisch.

Ich erinnere mich an eine Gelegenheit, bei der ich mit einem Schweizer Pharmahersteller telefonierte und um ein Treffen bat. Man teilte mir mit, die Aktionärsversammlung habe vor wenigen Tagen stattgefunden. Ich müsse mich nun wohl bis zum nächsten Jahr gedulden. Und dann war da noch der Assistent eines deutschen Vorstandsvorsitzenden, der mich in der Empfangshalle des Unternehmens wissen ließ, Treffen mit den Aktionären würden nicht zu ihrer Firmenpolitik gehören. Dabei hatten wir den Termin Wochen zuvor vereinbart. Glücklicherweise hatte ich für diesen Tag noch andere Unternehmensbesuche terminiert, sodass die Reise nicht ganz umsonst war!

Siddle: Da hat sich inzwischen viel getan. Heute legen die Unternehmen großen Wert auf gute Aktionärsbeziehungen. Das ermöglicht es mir, ein Unternehmen in all seinen Facetten zu verstehen. Hierin liegt auch ein echter Vorteil für Anleger mit langfristigem Anlagehorizont, die personell gut aufgestellt sind, um sich regelmäßig mit Managern zu treffen und so enge Kontakte zum Unternehmen aufzubauen und zu pflegen.

Mittlerweile haben die meisten börsennotierten Aktiengesellschaften in Europa eigene Investor-Relations-Abteilungen. Regelmäßig halten sie ihre Aktionäre über die neusten Entwicklungen, die Finanzlage und den Ausblick auf dem Laufenden und besuchen uns in unserem Büro in London. Vor 25 Jahren war Anthony häufig unterwegs zu Treffen mit Unternehmenslenkern. Für mich geht es heute eher darum, systematisch und diszipliniert zu entscheiden, welche Unternehmen am ehesten für eine Anlage in Frage kommen, damit ich meine Zeit so effektiv wie möglich nutze.

Haben Unternehmen heute die Rendite stärker im Blick?

Bolton: Die Wurzeln von Fidelity liegen ja bekanntlich in den USA. Deshalb steht für uns schon immer die Kapitalverzinsung im Fokus. Viele Unternehmen hingegen maßen 1990 der Aktionärsrendite keine zentrale Bedeutung bei. Sie konzentrierten sich stattdessen häufig auf das Erreichen abstrakterer Ziele wie erstklassige Ingenieurleistung oder die Wahrung ihres unternehmerischen Erbes.

Siddle: Meines Erachtens rücken die Unternehmen inzwischen die Rendite deutlichstärker in den Fokus und achten darauf, dass ihre Interessen mit denen ihrer Aktionäre übereinstimmen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass eine kurzfristige Renditemaximierung nicht immer im besten Interesse des Unternehmens ist. Ich suche daher nach Firmen mit attraktiver Kapitalverzinsung. Nach Unternehmen, die laufend in ihr Geschäft reinvestieren und so sicherstellen, dass sie dauerhaft attraktive Renditen erwirtschaften und interessante Wachstumschancen ergreifen können. Denn nur so sind sie in der Lage, nachhaltige Werte für ihre Aktionäre zu schaffen statteinmalig eine hohe Kapitalverzinsung.

Heute richtet sich der Fokus des Fidelity European Growth Fund stärker auf Large Caps als in den Anfangsjahren. Was war der Grund für diese Veränderung?

Bolton: Seit jeher gehe ich bei der Anlage nach dem Contrarian- beziehungsweise wertorientierten Ansatz vor. Ich suche also nach günstigen Aktien in ungeliebten, nicht angesagten Marktbereichen und scheue mich nicht, gegen den Strom zu schwimmen, wenn ich von etwas überzeugt bin. Das war auch der Grund, weshalb ich Ende der 1990er-Jahre einen großen Bogen um teure Technologiewerte gemacht und stark in Nebenwerte investiert hatte. Mittlere und kleine Aktienwerte galten damals als überausriskant und wurden daher zu äußerst attraktiven Kursen gehandelt. Als Contrarian-Anleger fand ich das natürlich interessant, zumal es mir gelang, attraktiv bewertete Unternehmen aufzuspüren, von denen die anderen kaum etwas wussten.

Siddle: Das ist heute anders. Nebenwerte haben ihre großen Wettbewerber weit hinter sich gelassen und werden aktuell mit einem erheblichen Bewertungsaufschlag gehandelt. Unter meinen Kollegen gibt es derzeit eine klare Tendenz zu Werten mit mittlerer Marktkapitalisierung. Antizyklisch heißt heute offenbar in Large Caps anlegen. Ich verstehe mich zwar nicht direkt als Contrarian-Anleger, bin aber durchaus bereit, antizyklisch zu investieren, wenn die Fundamentaldaten und Bewertungen es hergeben. Wenn man bedenkt, dass Mid Caps in der Zeit, von der Anthony spricht, mit einem 40-Prozent-Abschlag gegenüber ihren großen Wettbewerbern gehandelt wurden und gegenwärtig mit einem 25-Prozent-Aufschlag, dann wird klar, warum ich es heute leichterfinde, gute Anlageideen unter den günstigeren, ungeliebten Large Caps aufzuspüren.

Wie ist es Ihnen in der Phase der TMT-Blase und dem anschließenden Börsen-Crash ergangen?

Bolton: Die Spekulationsblase rund um TMT-Werte gehört zu den bemerkenswertesten Phasen in meiner Investmentlaufbahn. Der Herdentrieb der Anleger und die Euphorie über die Möglichkeiten des Internets trieben die Kurse in einigen Marktbereichen in schwindelerregende Höhen. Ende der 1990er hatte ich große Mühe, unter diesen hochgejubelten Technologieaktien welche mit Wertpotenzial zu finden. Glücklicherweise fiel der Höhepunkt der Spekulationsblase mit der Erweiterung des Anlagemandats für den Fidelity European Growth Fund zusammen.

Ich konnte fortan auch in Großbritannien investieren und legte daher einen großen Teil des Vermögens in britische Aktien der „Old Economy“ an. Die hinkten damals dem Markt hinterher und beinhalteten dementsprechend enormes Wertpotenzial. Meine Entscheidung erwies sich als gut: Als die Blase platzte, schnitt der Fonds deutlichbesser ab als der Markt.

Siddle: Eine interessante Frage. Ich hatte damals, als sich die Blase aufblähte, gerade als Analyst begonnen. Da ich mich in der ersten Branche, für die ich zuständig war, gut geschlagen hatte, teilte man mir nun den begehrten Technologiesektor zu –just zu dem Zeitpunkt, als dem Hype die Luft ausging. Unternehmen in einer Zeit unter die Lupe zu nehmen, in der die Nachfrage nach ihren Produkten einbricht und zu beobachten, wie sie reagieren und mit dieser unglaublich schwierigen, unerwarteten Situation umgehen, hat mir vor allem eines gezeigt: Die Qualität und Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells zu verstehen und schwindelerregende Bewertungen zu meiden ist das A und O.

In den späten 1990er-Jahren erlebte ich, wie etliche Versicherungen in einer Abschwungphase für die Branche ins Taumeln gerieten. Diese Erfahrung zu Beginn meiner Karriere hat mich geprägt und half mir später, die am schlimmsten betroffenen Firmen zu meiden. Schließlich gelang es mir, aus dem Trümmerhaufen einige gute Aktien herauszupicken, die sich anschließend erholten. Wie etwa den Videokonferenzspezialisten Tandberg, in den Anthony investiert hatte.

Haben sich die Aufgaben des Fondsmanagers über die Jahre verändert?

Bolton: Als wir 1990 mit dem Fidelity European Growth Fund an den Start gingen, bestand der Job eines Fondsmanagers vor allem in der Jagd nach Informationen. Größe und Reputation von Fidelity verschafften uns dabei einen riesigen Vorteil. Mit unserem großen Analystenteam und den hervorragenden Kontakten in Europaerarbeiteten wir uns einen echten Informationsvorsprung. Wir vereinbarten Treffen mit Firmen, die noch nie zuvor Aktionären direkt Einblick in ihr Unternehmen gewährt hatten, und beschafften uns so Informationen, über die andere Anleger nicht verfügten. Das hat sich seitdem deutlich verändert – neuen Bestimmungen und dem technologischen Fortschritt sei Dank.

Siddle: Ja, das sehe ich auch so. Die Menge an Informationen und Datenquellen, die uns heute zur Verfügung steht, ist überwältigend. Jeden Tag bekommen wir hunderte E-Mails. Neben unseren eigenen Analysen haben wir Zugang zu Finanznachrichten, zu Webcasts von Unternehmen, zu Research von Beratern und Brokern. Dabei kommt es darauf an, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und sich auf die wesentlichen, die Fundamentaldaten eines Unternehmens beeinflussenden Faktoren zu konzentrieren. Es geht uns also nicht nur um einen Informationsvorsprung, sondern auch darum, einen besseren Einblick zu bekommen als andere.

Angesichts der unglaublichen Fülle von Informationen muss man als Fondsmanagersicherstellen, dass man seine Zeit möglichst effizient nutzt. Ich habe daher diverse Instrumente entwickelt, die mir helfen, Unternehmen zu identifizieren, die am ehesten meinen Qualitäts- und Bewertungskriterien entsprechen. Auf diese Unternehmen konzentriere ich mich dann. Um Research und Fondsmanagement zu unterstützen, investieren wir massiv in die erforderliche Technologie. Aus unserer eigenen Datenbank kann ich mir jederzeit Analysen und Modelle zu Unternehmen in Echtzeitanzeigen lassen und mit den gebündelten Branchendaten vergleichen.

Und natürlich sind wir dank unseres großen und äußerst kompetenten Analystenteams in der Lage, den Unternehmen, in die wir investieren, genau auf den Zahn zu fühlen. Nicht nur, um stets auf dem Laufenden zu sein, sondern auch um Einblick in die langfristigen Treiber zu bekommen, diese zu interpretieren und auf ihre Plausibilität zu prüfen.

Von: Fidelity

Quelle: DAS INVESTMENT.

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