SJB | Korschenbroich, 29.08.2014. Verkaufen Bert Flossbach und Kurt von Storch Anteile an ihrer Vermögensverwaltung im Rahmen einer Nachfolgeregelung? Diese Frage beschäftigt die gesamte Branche. DAS INVESTMENT.com befragte Experten, wie sie den Wert des Unternehmens einschätzen, womit der mögliche Preis zusammen hängt und was die Verhandlungen mit den berühmten James-Bond-Filmen zu tun haben.
Der Verkauf einer Vermögensverwaltung ähnelt einem James-Bond-Film. Zumindest, wenn man den Schilderungen eines Finanzexperten glaubt, der dieses Prozedere bereits mitmachen durfte. Er spricht von Codenamen, konspirativen Treffen, ahnungslosen Sekretärinnen. Lediglich fünf bis sechs Personen seien eingeweiht gewesen, erzählt er. Der Firmenchef, ein hausinterner Steuer-Experte, das Top-Management. Sonst niemand. Wann man die Mitarbeiter informiert hätte?
Erst wenn der Deal über die Bühne gegangen ist. Hätten die Angestellten womöglich erst aus der Zeitung davon erfahren? Ja, das wäre wohl möglich. Wäre das fair? Natürlich nicht. Doch die Mitarbeiter und Kunden vorher einzuweihen wäre kein kluger Schachzug und hätte negative Folgen für das Unternehmen gehabt.
Der Verkauf klappte nicht. Man konnte sich nicht einigen, die Eigentümer überlegten es sich anders, es blieb alles beim Alten. Die Öffentlichkeit bekam nichts von den Plänen mit. Unser Gesprächspartner verließ kurz darauf das Unternehmen, gründete eine eigene Vermögensverwaltung. Um keine Rückschlüsse auf seinen früheren Arbeitgeber und dessen Verkaufspläne zu ermöglichen, möchte er anonym bleiben. Diskretion sei in der Branche das oberste Gebot, sagt er.
Auch unser zweiter Gesprächspartner sieht das so. Der Vermögensverwalter aus Süddeutschland ist gerade selbst in einen aktuellen Fall involviert – „nein, Flossbach von Storch ist es nicht“ – und möchte daher seinen Namen ebenfalls an dieser Stelle nicht lesen. Umso offener spekulieren die beiden darüber, was Bert Flossbach zu seiner unvorsichtigen Äußerung gegenüber dem „Manager Magazin“ bewogen haben könnte. Während der erste Vermögensverwalter die Meinung von DAS-INVESTMENT-Herausgeber Peter Ehlers teilt und von einer unbedachten Äußerung des gesprächigen Firmengründers ausgeht, sieht sein süddeutscher Kollege das anders.
„Bert Flossbach und Kurt von Storch sind Vollprofis“, sagt er. Eine derart unprofessionelle unbedachte Äußerung traue er Flossbach nicht zu. Er könne sich eher vorstellen, dass bereits irgendwelche Informationen über geplante Gespräche nach außen durchgesickert waren und Flossbach lediglich Schadensbegrenzung betreiben wollte.
1,5 bis 1,75 Prozent des verwalteten Vermögens sind realistisch
Wie dem auch sei: Wenn die Firmengründer tatsächlich ihre Anteile im Rahmen einer Nachfolgeregelung verkaufen würden, wie hoch wäre dann der Preis? Bei der Bewertung einer Vermögensverwaltung orientiert man sich hauptsächlich an dem verwalteten Vermögen. Dieses beträgt bei Flossbach von Storch 16 Milliarden Euro. Doch die 200 Millionen Euro, die derzeit in einigen Medien im Gespräch sind, sind nach Meinung der Experten zu niedrig angesetzt.
1/80 beziehungsweise 1,25 Prozent des verwalteten Vermögens seien viel zu wenig, sagt der Vermögensverwalter aus Süddeutschland. Er bezeichnet 1,5 bis 1,75 Prozent als realistisch. Hinzu käme noch das Eigenkapital, so dass die Gesamtsumme seiner Einschätzung nach bei 240 bis 250 Millionen Euro liegen dürfte.
250 Millionen Euro plus 20 Prozent Bleibe-Prämie
Auch Frank Wieser, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Packenius, Mademann + Partner in Düsseldorf, bezeichnet 250 Millionen Euro als angemessen. Sollten die Firmengründer noch mehrere Jahre an Bord bleiben, könnte dieser Wert sogar um weitere 20 Prozent nach oben gehen. Den hohen Preis erklärt er mit dem starken Markennamen, dem sogenannten Brand, der vor allem auf ausländische Käufer attraktiv wirken dürfte.
Als Beispiel nennt Wieser den Verkauf der Traditionsbank Merck Finck an den Emir von Katar und seine Familie. Diese sollen über ihre Investmentgesellschaft Precision Capital rund eine Milliarde Euro für die Bankengruppe gezahlt haben. Ohne den in Europa hoch angesehenen Namen würden die Investoren aus dem Nahen Osten wohl kaum so viel Geld für die Bank locker machen wollen, ist Wieser überzeugt.
Allerdings würde der Brand auch bleiben, selbst wenn die Gründer das Unternehmen verlassen würden, meint Wieser. Als Beispiel führt er Sal. Oppenheim an. Obwohl kein Mitglied aus der Oppenheim-Familie mehr in der Privatbank tätig ist, sei die Marke nach wie vor sehr stark.
„Für dominante Führungspersönlichkeiten könnte es schwierig werden”
Kathrin Eichler, Geschäftsführerin der Eichler & Mehler Finanzdienstleistungen, die im vergangenen Jahr die Vinke Vermögensverwaltung übernommen hat, hält einen 20-prozentigen Aufschlag für das Bleiben der Firmengründer ebenfalls für angemessen. Dies sei allerdings eher eine Richtgröße, die von mehreren weiteren Faktoren abhänge. Zum Beispiel von der Frage, ob die Firmengründer weiterhin freie Hand haben würden. Dies sei gerade bei großen institutionellen Investoren schwierig, da diese oft eigene Richtlinien haben, die die Firmengründer dann ebenfalls befolgen müssten. Ein weiteres Problem: „Für dominante Führungspersönlichkeiten könnte es schwierig werden, sich plötzlich an bestehende Strukturen und vorgegebene Prozesse anpassen zu müssen“.
Wenn man den fairen Wert einer Vermögensverwaltung ermitteln will, müsse man zudem weitere, nicht-monetäre Faktoren berücksichtigen. Dazu zählen laut Eichler vor allem das Management in der zweiten Reihe sowie die Kundenbindung. Wie lange sind die Manager, die eine Ebene unter den Firmengründern angesiedelt sind, im Unternehmen? Wie stark sind sie in die Kundenbetreuung involviert? Wie ist die Kundenstruktur? Und wenn das Durchschnittsalter der Kunden recht hoch ist – wie gut ist der Kontakt zu potenziellen Erben? Die Antworten auf diese Fragen bestimmen den Unternehmenswert maßgeblich mit
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.