Das Investment: Finanzmarktaufsicht Österreich: „Mifid II wird die Honorarberatung stärken“

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 SJB | Korschenbroich, 20.05.2015. Klaus Kumpfmüller ist Vorstand der österreichischen Finanzmarktbehörde FMA und in dieser Funktion mit der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht befasst. DAS INVESTMENT fragte den FMA-Chef nach den zu erwartenden Auswirkungen der Mifid II auf die Branche.

DAS INVESTMENT.com: Gibt es große Unterschiede in der Umsetzung der EU-Finanzmarktregulierung zwischen Deutschland und Österreich?

Klaus Kumpfmüller: Wir sind in weiten Bereichen auf einer Linie, weil die Struktur unserer Finanzdienstleistungsindustrie ähnlich ist. Auch in Österreich haben wir einen sehr starken Bankenvertrieb und der Vertrieb über Beratungsunternehmen, Wertpapierfirmen und die Wertpapierdienstleister ist ähnlich strukturiert wie in Deutschland. Insofern liegen wir mit deutschen Kollegen oft auf einer Linie.

In Deutschland hat Branche allergisch auf Forderungen reagiert, die Finanzanlagevermittler der Bafin zu unterstellen.

Auch wir kennen die doppelte Zuständigkeit mit der FMA und den Gewerbebehörden. Dort ist keine Änderung geplant. Wir streben eine indirekte Aufsicht über alle Vermittler über die Produkthersteller an. Zum Beispiel bei den Kreditvermittlern. Das heißt, wir legen für die Banken, die Kredite vergeben, bestimmte Standards fest für die Vermittlung. Die Banken werden von uns verpflichtet zu überprüfen, ob sich die Vermittler an die Qualitätsstandards halten.

Über Mifid II wird es eine Abgrenzung der Beratung zwischen unabhängig und abhängig geben. Mit welchen Auswirkungen auf die Praxis rechnen Sie?

Ich glaube, dass sich die Geschäftsmodelle in manchen Bereichen anpassen werden, insgesamt werden sich die Unkenrufe aber sich nicht bewahrheiten. Vor zwei Jahren mussten wir aufgrund des Forderungskatalogs der Mifid/Mifir noch befürchten, dass mit einem Provisionsverbot gleich die ganze Branche wegbricht, weil Geschäftsmodelle verboten werden. Nun haben wir aber den „technical advice“ der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA zur Mifid II vorliegen und es ist uns im Vorfeld gelungen, dieses Thema zu entschärfen.

Die Forderung nach einem Verbot von Provisionen wird immer mal wieder vorgebracht – ist sie für die Mifid II wirklich endgültig vom Tisch?

Ja, davon kann man ausgehen. Regulierungsbehörden werden künftig allerdings viel Wert darauf legen, dass sich Regulierungen für unterschiedliche Bereiche nicht mehr in die Quere kommen. Wir haben seit 2008 in vielen Teilen Überschneidungen und zum Teil widersprüchliche Regulierungen erlebt. Die Kommission hat nun das Ziel, dies künftig zu vermeiden. Insofern ist es nach Umsetzung der Mifid II unwahrscheinlich, dass doch noch aus anderer Richtung ein Provisionsverbot auf uns zukommt.

Die Honorarberatung in Deutschland wurde reguliert, hat aber nicht dazu geführt, dass dieser Beratungszweig gestärkt wurde. Bietet Mifid II nun die Chance, die Honorarberatung als echte Alternative zu etablieren?

Ich denke schon. Im ersten Schritt kommt die Transparenz in den Vordergrund. Da sind Banken und Finanzdienstleister schon in Vorleistung auf die Mifid-II-Umsetzung gegangen. Wenn die Transparenz branchenweit hergestellt ist, wird die bisher in einer Nische steckende Honorarberatung deutlich gestärkt werden. Sicherlich gilt das nicht für alle Kunden, für die Oma mit dem Sparbuch ist sie keine Option. Aber für diejenigen mit einem Anlagewunsch von mehr als 20.000 Euro und diejenigen, die nicht nur in ein oder zwei Produkte investieren, wird sie deutlich interessanter werden.

Kleinere Unternehmen, die Honorar- und Provisionsberatung anbieten möchten, müssen sich rechtlich und personell getrennt aufstellen. Das ist ein Problem.

Ja, das wird für viele kleine Unternehmen schwierig zu bewerkstelligen sein und ist wohl mancherorts gar nicht umsetzbar. Wir achten als Regulator auf nationaler Ebene sehr stark auf die Proportionaliät. Wenn wir die Möglichkeiten hätten, in einem diskretionären Spielraum entsprechend zu gestalten, würden wir es tun. Aber auf EU-Ebene haben unsere Vorschläge an dieser Stelle keinen Eingang in den ‚technical advice’ der ESMA zur Mifid gefunden. Die kleinen Unternehmen werden sich folglich für den Beratungsansatz entscheiden, der für sie lukrativer ist.

Die Regulierung hat zuletzt insbesondere auch auf Marktmissstände und Skandale regiert. Ist das die Aufgabe einer funktionalen Regulierung?

Eine Anlassgesetzgebung ist niemals gut. Andererseits muss man sagen, wenn wir die Krise in 2008 und 2009 nicht gehabt hätten, wäre es nicht zu einer derart starken und schnellen Finanzmarktregulierung gekommen. Diese Regulierung ist ja nicht nur lästig für die Unternehmen, sondern hat ja auch viele positive Effekte im Sinne der Finanzmarktstabilität. Sie sorgt für mehr Anlegeschutz und fördert mehr Qualität in der Beratung.

Der abschließende Mifid-Text liegt noch nicht vor. Wenn er kommt, welchen Teil schauen sie sich zuerst an?

Aus unserer Sicht ist das Inducement-Thema für die österreichische Finanzdienstleistungsindustrie das Wesentliche. Also alles was Provisionen, Zuwendungen, Gebühren oder geldwerte Vorteile bezeichnet, die einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen von einem Dritten oder umgekehrt gewährt werden. Die Kommission kann den Mifid-Text zwar noch in vielen Punkten ändern, aber die Richtung steht fest. Das Inducement-Thema etwa ist so komplex und politisch viel zu heikel, sodass ich keine grundsätzlichen Änderungen der Kommission mehr erwarte.

Wie ist der Zeitplan?

Die Umsetzung einer Richtlinie erfolgt in drei Stufen. Level 1 ist fertig. Der technical advice der ESMA liegt ebenfalls vor. Level 2 mit den finalen Bestimmungen muss bis Juli 2016 fertig sein. Dann folgt noch eine halbjährige Implementierungsphase beziehungsweise Übergangsfrist. Ab 3. Januar 2017 gilt die Mifid II dann EU-weit.

Es gibt große Unterschiede etwa bei Dokumentation und Weiterbildung bei Vermittlung von Versicherungen gegenüber Kapitalanlagen. Müsste der nationale Gesetzgeber nicht für mehr Fairness zwischen den Sektoren sorgen?

Ja, das Level-Playing-Field ist ein wesentliches Thema. Wir wissen ja genau, wenn in irgendeiner Regulierung Lücken bestehen, dann ist die Industrie sehr schnell kreativ und nutzt diese aus. Regulierung ist ein politischer Prozess und die Interessensgruppen sind unterschiedlich stark vertreten, die Versicherungswirtschaft hat traditionell eine starke Lobby. Immerhin haben wir bereits die Verordnung PRIPS, wo es um „verpackte Finanzprodukte“ geht. Hier sind die Versicherungsmäntel zumindest teilweise mit berücksichtigt worden. Wir registrieren diese Unterschiede besonders stark, weil wir eine Allfinanzaufsicht haben, genau wie in Deutschland. In vielen anderen EU-Staaten sind die Aufsichtsbehörden für Versicherungen und Wertpapiere jedoch nach Produktklasse getrennt.

Wie viel Spielraum haben die nationalen Aufsichtsbehörden noch bei der Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel?

Immer weniger. Es ist ein Trend in Brüssel, mehr zu Verordnungen statt zu Richtlinien überzugehen. Der Verordnungstext gilt automatisch ab einem Stichtag, es gibt dort keinen diskretionären Spielraum mehr bei der Umsetzung, anders als bei einer Richtlinie. Wir können uns in solchen Fällen uns nur im Vorfeld auf der ESMA-Ebene einbringen, wenn es um die Guidelines geht. In vielen Bereichen ist das aber auch recht vorteilhaft.

Zur Information: In Österreich wird die Aufsicht über die Finanzmärkte von drei Institutionen wahrgenommen. In groben Zügen dargestellt, entwickelt und setzt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) gemeinsam die rechtlichen Rahmenbedingungen, die dann vom österreichischen Parlament beschlossen werden. Die Österreichische Nationalbank (OeNB) wacht über die Stabilität des Finanzmarktes als Ganzes (Makro-Aufsicht), ist für die Aufsicht über Zahlungssysteme zuständig sowie in die Bankenaufsicht eingebunden. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) überwacht und kontrolliert die einzelnen Finanzinstitute und Akteure (Mikro-Aufsicht). Alle drei Institutionen arbeiten eng miteinander verzahnt zusammen und bilden das österreichische System der Aufsicht über den Finanzmarkt.

Von: Oliver Lepold

Quelle: DAS INVESTMENT.

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