Das Investment: Emerging Markets: Schwellenland-Fondsmanager sollten sich vom Index lösen

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 18.09.2015. Schwellenländer geraten in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser. Es ist Zeit, altstaatliche, unprofitable Unternehmen aus den Aktienportfolios auszusondern und sich von Indizes zu lösen. Welche Fondsmanager das gut hinbekommen.

Manches kann sogar die Banker von Goldman Sachs noch erschüttern. Zum Beispiel, wenn sie bei ihrem Chefvolkswirt ein Werk in Auftrag geben und nicht gerade das Erwartete herauskommt. „Sie waren nicht amüsiert“, erinnert sich Jim O’Neill an das Jahr 2008, als er in dieser Funktion etwas über die Zukunft Russlands schreiben sollte.

Der Ölpreis werde nicht weiter steigen, so wie in den acht Jahren zuvor, stellte er fest. Gekoppelt mit der alternden Bevölkerung sei ein deutlich sinkendes Wachstum nicht zu vermeiden. Es war nicht gerade das, was die Goldmänner hören wollten. Und noch schlimmer: Der Bericht ging auch an die Presse und sorgte für das eine oder andere unerwünschte Echo, so O’Neill später in einem Interview mit dem Fernsehjournalisten Charlie Rose.
Vorsicht vor alten Restbeständen

Der heute für die Queen arbeitende Volkswirt nahm damit etwas vorweg, das nur wenige sobald für möglich gehalten hatten: Das über viele Jahre starke Wirtschaftswachstum der globalen Schwellenländer lässt nach.
Am Aktienmarkt ist das der Zeitpunkt, an dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Schlecht gemanagte Unternehmen bekommen unter dem nachlassenden wirtschaftlichen Rückenwind Probleme. Gute Unternehmen können hingegen trotzdem wachsen und ihre Aktionäre mit steigenden Gewinnen und Dividenden beglücken. In den Schwellenländern passiert das schon seit einigen Monaten, streng genommen sogar Jahren. Nur dass viele schlechte Unternehmennoch immer von ihren Staaten gepäppelt werden.

Doch die können sich das bald nicht mehr leisten, wenn das Wirtschaftswachstum schwächelt und Geld aus dem Ausland knapper und teurer wird. Schließlich wollen die Amerikaner demnächst ihre Zinsen erhöhen. „Die Länder kommen alle entweder aus der kommunistischen, sozialistischen oder kolonialen Welt“, berichtet Jean-Louis Scandella, der das globale Aktienmanagement bei Baring Asset Management leitet. „Und die meisten Unternehmen spiegeln das alles noch wider.“ Für den gebürtigen Franzosen sind solche Restbestände aus dunklen Vergangenheiten nichts. Ihn interessieren neue, modern geführte Unternehmen mit Zukunft.

Scandella kam vor etwas über einem Jahr zu Barings und brachte die dortigen Schwellenländerfonds auf Vordermann. Zu seinen wichtigsten Maßnahmen gehörte es, die Portfolios um mehr als die Hälfte einzudampfen und von den Vergleichsindizes zu lösen. Denn die neuen Werte, die er sucht, sind noch zu klein, um in einem Index zu landen. Dort stehen eher die von ihm so verachteten klobigen Restbestände aus alten Zeiten. Damit zog Scandella den Active Share, also den nicht im Index enthaltenen Portfolio-Teil, auf deutlich über 80 Prozent hoch.

Eine für heute unverzichtbare Maßnahme, wenn man noch ansprechende Renditen einfahren will. Die Maxime „Geht Butter, geht auch Käse“ funktioniert nicht mehr. Qualität macht den Unterschied. Das Analysehaus Copley Fund Research sortierte jüngst Schwellenländer-Aktienfonds nach ihrem Active Share. Und siehe da, einige der aktivsten Manager gehören auch zu den erfolgreichsten der vergangenen fünf Jahre.

Hervorzuheben ist vor allem der Dreierpack von First State Stewart. Deren Global Emerging Markets Leaders Fund konzentriert sich auf Standardwerte, der Global Emerging Markets darf auch Nebenwerte hinzunehmen. Und der Global Emerging Markets Sustainability fügt einen Filter für Nachhaltigkeit hinzu, über den das Management prüft, ob sich die Unternehmen vorbildlich verhalten. Nicht nur in Bezug auf Umwelt, sondern auch auf Löhne und Lieferverträge und Ähnliches.

Manager, die auf Indizes pfeifen

Der Active Share aller drei Fonds kratzt an der 90-Prozent-Marke, Wertentwicklung und eingegangenes Risiko sind lupenrein. Die Manager gehen ähnlich vor wie Barings-Mann Scandella: Sie suchen günstig bewertete, gut geführte Unternehmen mit nachhaltigem Gewinnwachstum und verständlichem Geschäftsmodell. Und sie sind eben auch bereit, abseits der Indizes im Markt danach zu graben.

Der Nachteil: Alle drei Fonds sind sanft geschlossen („soft closed“), weil sie schon ziemlich groß sind. In diesem Fall heißt das, dass Anleger zwar noch einsteigen können, aber in jedem Fall denkompletten Ausgabeaufschlag in Höhe von 4 Prozent zahlen müssen. Presseanfragen zu den Fonds beantwortet das Unternehmen darüber hinaus derzeit nicht.

Die Rating-Agentur Morningstar kippte jüngst etwas Wasser in den Wein. Knackpunkt ist der Umstand, dass First State Stewart am 1. Juli sein asiatisches und europäisches Geschäft voneinander getrennt hat. Dadurch haben die Schwellenländer-Manager im schottischen Edinburgh weniger Kontakt zu den asiatischen Analysten und somit auch zu den Unternehmen. Morningstar stufte die beiden Fonds ohne Nachhaltigkeitskomponente deshalb von der höchsten Stufe Gold auf Silber herab. Ob die Performance wirklich nachlässt, wird sich zeigen.

Eine andere Form des Soft Closings zieht gerade Vontobel Asset Management mit ihrem Emerging Markets Equity durch. Nur bereits investierte Anleger dürfen noch einsteigen. Auch dieses Unternehmen will keine Fragen zum Produkt beantworten. Als Alternative weist Vontobel auf den noch verfügbaren Sustainable Emerging Markets Leaders hin, der wie der ähnlich heißende First-State-Fonds das nachhaltige Verhalten von Unternehmen mitbewertet. Speziell in Hinblick auf die hohen Selbstmordraten in Unternehmen wie dem Technikzulieferer Foxconn sei das heutzutage enorm wichtig, heißt es von Vontobel.

Allerdings ist bei diesem Fonds der preisgekrönte, von New York aus agierende Manager Rajiv Jain, der den geschlossenen Blockbuster managt, nicht mit dabei. Stattdessen stehen die Zürcher Portfoliomanager Roger Merz und Thomas Schaffner am Ruder. Wie auch immer: Die Zahlen seit Auflegung im Juli 2011 sehen recht gut aus.

„Es erfordert eine Menge Mut“

Natürlich tauchen in der Bestenliste unter den Schwellenländerfonds auch bewährte Recken wie Nick Price von Fidelity, Mark Mobius von Franklin Templeton und Vincent Strauss von Comgest auf. Wobei speziell die Managementqualität von Mark Mobius zwar nicht unumstritten ist und er kürzlich die Leitung für einen der renommiertesten Fonds des Hauses abgab. Hier legt er mit dem Nebenwertefonds Templeton Emerging Markets Smaller Companies aber eine gute Leistunghin.

Auch die drei genannten Manager vereint die Suche nach guten Unternehmen, die ohne staatliche Stütze auskommen. „Es ist nicht leicht und erfordert eine Menge Mut, wenn sich die Märkte vorübergehend gegen einen wenden und die risikoreicheren Anlagen belohnen“, gesteht Price. „Aber wir glauben fest daran, dass hochwertige Aktien mit den besten Positionen im Konkurrenzkampf, soliden Gewinnen und Bilanzen und einwandfreien Managementteams am Ende am besten abschneiden werden.“ Auch Price versucht, das Getöse um nachlassendes Wirtschaftswachstum zu ignorieren. Er hält nicht viel von sogenannten Top-down-Ansichten, die Anlageregionen nach ihren Makrodaten auswählen. „Sogar in einer Wirtschaft, in der sich die Wachstumszahlen verringern und für die die Schlagzeilen dramatisch klingen, finden wir unter der Oberfläche viele Unternehmen mit attraktiven Gewinnprofilen“, meint der Fidelity-Managerspeziell in Hinblick auf China. Schließlich habe das Land trotz alledem eine große Bevölkerung, deren Einkommen über die Zeit stetig wachse.

Entsprechende Konsumwerte machen derzeit einen beträchtlichen Teil seines Portfolios aus. Das gilt übrigens auch für Mark Mobius, der ebenfalls über Konsumaktien auf den wachsenden Wohlstand in den Schwellenländern setzt.

Ein Team von hoher Qualität

Eine Macht bleibt auch der Comgest Growth Emerging Markets, der mit dem legendären Magellan Fund baugleich, für den deutschen Anleger steuerlich aber interessanter ist. Er hat nämlich eine ausschüttende Variante. „Drei erfahrene Teammitglieder, zwei mit Sitz in Asien, haben 2014 und 2015 das Unternehmen verlassen“, bemängelt zwar Mathieu Caquineau. Der Morningstar-Analyst stellt aber fest, dass das „ständig erweiterte Team weiterhin von hoher Qualität“ ist.

Einer der Abgänger ist übrigens Jean-Lou-is Scandella, der zu Barings ging. Auch bei Comgest mag man Wachstums- und Qualitätsunternehmen, die ihre Gewinne unabhängig von der Konjunktur steigern können. „Die Anlagekriterien unterstreichen den defensiven Charakter der Strategie, deren langfristige Volatilität generell unter dem Durchschnitt liegt“, lobt Analyst Caquineau.

GRAFIK: Der China Böller

Doch es gibt auch einige Fonds, die vor allem über ihre Risikozahlen auffallen. So erreichte die Fondsgesellschaft Quoniam, eine Tochter von Union Investment, mit ihrem Emerging Markets Equities Min-Risk in dieser Hinsicht bemerkenswert niedrige Werte. Das Unternehmen hat sich zwar auf institutionelle Anleger spezialisiert, der Fonds hat aber keine Mindestanlagesumme.

Quoniam bewerte weltweit fortlaufend von Tausenden Aktien 200 bis 300 fundamentale Kriterien. Aus 200 Titeln bauen die Manager emotionslos ihre Portfolios zusammen. Das ist quantitatives Management in seiner besten Form. Im Vitruvius Emerging Markets Equity hingegen geht es ähnlich zu wie in einem Dachfonds von Eckhard Sauren. Das Beratungsunternehmen Belgrave sucht geeignete Fondsberater und gibt ihnen Mandate. Für den genannten Fonds sind die Investmentboutiquen Sloane Robinson, Prince Street Capital und Indus Capital Partners verantwortlich.

Belgrave studiert Mandatsträger genau, bevor es sie engagiert. „Das ist kein High-Speed-Investment-Prozess, das ist ein Low-Speed-Investment-Prozess“, erläutert Managing Director Mattia Nocera gegenüber dem Branchenblatt „Invest-Hedge“. Hier geht es umGeschäftsbeziehungen, die sich über fünf bis zehn Jahre aufbauen, und um das Motto: Wenn wir es nicht verstehen, investieren wir auch nicht.

Ein dritter Qualitätsfonds kommt von der Genfer Investmentfirma RAM Active Investments. Auch das Team um Aktienchef und Teilhaber Thomas de Saint-Seine betreibt reines Stockpicking fernab von Vergleichsindizes. Allerdings richtet es sich nicht nur nach fundamentalen Daten, sondern auch nach der Markttechnik. Es prüft die Stimmung von Analysten gegenüber einer Aktie und die vergangenen Preisbewegungen, also das Momentum. Ansonsten gilt auch hier: Qualität, Gewinnstärke, Bilanz, Geschäftsmodell.

GRAFIK: Aktien-Spagat: Plus 2.200 oder Minus 95 Prozent

Newcomer aus gutem Haus

Natürlich gibt es daneben viele weitere Fonds, die noch jung sind und vielversprechende Ansätze fahren. Als hochinteressantes Beispiel soll an dieser Stelle der im März 2015 aufgelegte Jupiter Global Emerging Markets Unconstrained (WKN: A12 GH4) herhalten. Warum? Weil Jupiter eine hervorragende Adresse ist, die insbesondere mit ihren Rentenfonds gezeigt hat, dass sie sich tatsächlich losgelöst von Indizes auf den Finanzmärkten bewegt.

Und weil es sogar durch den Begriff „Unconstrained“ (deutsch etwa: „ohne Zwänge“) im Namen zementiert ist, dass Manager Ross Teverson die unprofitablen Altlasten an den Aktienmärkten meiden darf. „Wenn ich unsere Philosophie in einem einzigen Wort zusammenfassen sollte, würde es das Wort ‚Veränderung‘ sein“, sagt der Fondsmanager. „Elementare Veränderungen, die einen Aktienkurs antreiben, können auf struktureller Ebene, industrieller Ebene oder firmeninterner Ebene passieren. Und diese fundamentalen Veränderungen suchen wir.“ Seinen Active Share gibt Teverson mit über 90 Prozent an. Bisher setzt er seinen Vorsatz, ohne Zwänge zu investieren, offenbar rigoros um. Im heutigen Zustand der Schwellenländer ist es definitiv dasBeste, was er tun kann.

GRAFIK: Top-Aktienfonds für Schwellenländer

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

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