SJB | Korschenbroich, 09.06.2015. „30 Prozent der weltweiten Börsengänge in den letzten zehn Jahren fanden in Schwellenmärkten statt“, sagt Mark Mobius, Chef der Templeton Emerging Markets Group. In seinem aktuellen Kommentar erklärt Mobius, weshalb er trotz der derzeit hohen Volatilität auf Schwellenmärkte setzt.
Dieses Jahr sorgen die enormen Unterschiede in der Geldpolitik zum einen für Wachsamkeit unter den Anlegern und zum anderen für mehr Volatilität an den Märkten. Marktbeobachter grübeln außerdem über die potenziellen Auswirkungen des länger anhaltenden Preissturzes beim Öl auf die unterschiedlichen Volkswirtschaften beziehungsweise einer Erholung der Preise.
Die Performance in den einzelnen Märkten ist uneinheitlich. Die Schwellenmärkte haben in den ersten vier Monaten dieses Jahres besser abgeschnitten als die Industriemärkte. Die Auswirkungen des niedrigeren Ölpreises wurden im Allgemeinen als etwas Positives für die größten Schwellenmärkte, China und Indien, aufgefasst. Der niedrige Ölpreis hat auch dazu beigetragen, die Reformbestrebungen in einigen Schwellenmärkten anzuspornen, zum Beispiel durch die Abschaffung staatlicher Zuschüsse. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat noch keine Zinserhöhung angekündigt. Experten erwarten, dass die Fed erst in der zweiten Jahreshälfte die Zinsen erhöhen wird.
Die Mehrheit der globalen Notenbanken verfolgt aber auch weiterhin eine lockere Geldpolitik. So setzen zum Beispiel die People’s Bank of China, die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank auf massive quantitative Lockerungsprogramme (QE). Die durch die QE-Maßnahmen wiederauflebende Inflation und das Wirtschaftswachstum in Europa werden unter europäischen Anlegern aktuell heiß diskutiert. Meiner Meinung nach verleihen die Banken einfach nicht genug Geld (siehe Diagramm zum Kredit-Einlagen-Verhältnis) und die Menschen geben nicht genug aus. Ich denke, es gibt immer noch Geld, das in der Welt angelegt werden will. Geld, das den globalen
Aktienmärkten weiterhin Dynamik verleihen dürfte – auch wenn die Fed mit Zinserhöhungen beginnen wird.
Keine Zinserhöhung dank verhaltener Inflation
Viele der modernen technologischen Mittel wie Mobiltelefon-Apps und e-Commerce-Sites, haben den Wettbewerb und den Preisdruck erhöht. Dadurch bleibt die Inflation in vielen Wirtschaftsbereichen verhalten. Für eine Notenbank ist es schwierig, Zinserhöhungen zu rechtfertigen, solange das Wirtschaftswachstum sich nicht überhitzt und es keine Anzeichen für eine Inflation gibt.
Ich kann nicht vorhersagen, wann die Fed mit Zinserhöhungen beginnen wird. Es scheint aber, dass die US-Notenbank keine Eile damit hat, auf aggressive Art und Weise zu handeln. Zinserhöhungen werden daher wahrscheinlich schrittweise und in gemessener Form erfolgen. Ich denke nicht, dass die Fed einen zu starken US-Dollar haben möchte. Das könnte sich negativ auf exportorientierte Unternehmen auswirken. Dies ist etwas, das wir bereits während der jüngsten Ertragssaison bei US-Unternehmen beobachten konnten. Nichtsdestotrotz werden die Märkte wahrscheinlich reagieren, wenn die Fed nicht handelt.
Für 2015 rechnen wir mit einem komplexen globalen Hintergrund, der positiv für Schwellenmärkte erscheint. Die Industriemärkte bieten einen Kontrast zwischen den soliden Wachstumstrends, die sich in den USA beobachten lassen, und den laufenden Maßnahmen in Europa und Japan zur Belebung träger Volkswirtschaften über aggressive QE-Maßnahmen und Währungsabwertungen.
Asiatische Schwellenmärkte profitieren von Reformprogrammen
In den Schwellenländern erhalten die Aktienmärkte immer noch Auftrieb durch robuste Wirtschaftswachstumstrends, weitreichende Reformen und Vorteile aufgrund niedrigerer Ölpreise. Hinzu kommen die fortgesetzten Impulse durch demografische Einflüsse, den Technologietransfer und die allgemein niedrige Verschuldung. Unserer Meinung nach wird in den meisten Teilen Asiens ein politischer Kurs eingeschlagen, der dem Wirtschaftswachstum ausgesprochen zuträglich ist.
Die chinesischen Behörden führen ihr umfangreiches Reformprogramm, das sie Ende 2013 vorgestellt hatten, weiter fort. Auch in Indien beginnt Premierminister Narendra Modi mit ehrgeizigen Reformmaßnahmen. In vielen anderen Märkten der gesamten Region ist ein positiver Strukturwandel im Gang. Weitere Wachstumsimpulse versprechen wir uns von Freihandelsinitiativen, allen voran der geplanten ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft und der transpazifischen Partnerschaft.
Attraktives Zinsklima für Anleger
In Lateinamerika bietet die derzeit schwierige Lage in Brasilien den Nährboden für eine Erholung. Fallende Wechselkurse steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig dürfte ein radikaler Kampf gegen die Korruption Wirtschaftsführung und Corporate Governance längerfristig verbessern. Auch die Reformen in Mexiko und anderen Ländern werden die Markt-Performance allmählich stützen. Die zentraleuropäischen Schwellenländer und die Türkei können vom Konjunkturaufschwung in der Eurozone profitieren. Dieser sollte auch wirtschaftlichen Druck von Griechenland nehmen. Nachlassende Spannungen bezüglich der Ukraine dürften die Aufmerksamkeit der Anleger wieder mehr auf die attraktiven Anlagen und niedrigen Bewertungen lenken, die der russische Markt bietet.
Die Schwellen- und Grenzmarktländer verfügen über einige der dynamischsten und am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Obwohl es einige Diskussionen über das Schwinden der Devisenreserven gibt, glaube ich, dass sie in einem gesunden Zustand bleiben. Die Kreditratings verbessern sich ebenfalls und es ist in den Schwellenmärkten zu mehr Heraufstufungen gekommen als in den Industriemärkten.
Darüber hinaus ist das Zinsklima in Schwellenmärkten für Anleger attraktiv. Viele Schwellenländer nutzen die gesunkenen Energiepreise zur Reformierung ihrer Volkswirtschaften, so zum Beispiel durch die Abschaffung staatlicher Zuschüsse. Natürlich belasten die Auswirkungen des Ölpreises auch einige Volkswirtschaften, da manche Länder Nettoimporteure und andere Nettoexporteure sind. Bei Betrachtung der globalen Nachfrage nach Öl glauben wir nicht, dass der Ölpreis lange auf dem gedrückten Niveau bleiben wird.
Vertrauen in das Potenzial der Schwellenmärkte
Die Volatilität bereitet vielen Anlegern Kopfzerbrechen. Gleichzeitig ist sie aber eine Chance, Aktien von Unternehmen aufzunehmen, die unserer Ansicht nach gute Qualität zu attraktiven Preisen bieten. Aktien sind in vielen Schwellenmärkten auf Grundlage der Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert Werte derzeit unterbewertet. Weiterhin glauben wir, dass immer noch Geld im Umlauf ist, da Notenbanken in der ganzen Welt ihre Bilanzen erhöhen.
Außerdem hat sich der Markt für Börsengänge (IPOs) und Zweitplatzierungen in den Schwellenmärkten als gesund erwiesen und bietet zunehmend Möglichkeiten. 30 Prozent der weltweiten IPOs in den letzten zehn Jahren fanden in Schwellenmärkten statt. Wir glauben auch, dass das Technologiewachstum in Schwellenmärkten neue Anlagegelegenheiten schaffen wird. Eine zunehmende Zahl Menschen, vor allem in Schwellenmarktländern, stellen von Laptops auf Smartphones um. Es lassen sich enorme Absätze dieser Produkte in Schwellenmärkten beobachten, insbesondere in China und Indien.
Natürlich wird es immer auch Herausforderungen geben. Und es kann recht schwierig sein, die Phasen der Ungewissheit zu ertragen. Aber wie Sir John Templeton einst sagte: „Kapital erfolgreich anzulegen, ist nicht so leicht. Es erfordert Aufgeschlossenheit, laufende Analysen und kritisches Urteilsvermögen.”
Quelle: DAS INVESTMENT.