Das Investment:„Wir müssen unsere Dienstleistung erklären“

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 07.05.2015. Zinsanstieg in den USA, politisch gesteuerte Märkte, Verkaufsstorys und flexible Asset Allocation – sechs Branchenvertreter diskutierten mit DAS INVESTMENT über die aktuellen Trends in der Investmentindustrie.

DAS INVESTMENT: Alles rechnet mit der Zinswende in den USA. Wann kommt sie Ihres Erachtens?

Detlev Kleis: Die erste Zinsanhebung der Fed wird wohl bis zum Herbst erfolgt sein. Weitere Anhebungen werden unseres Erachtens dann eher zeitlich gestreckt erfolgen. Um mögliche Auswirkungen einzuschätzen, schauen wir am besten auf die Jahre 1994 und 2004 zurück: 1994 wurden die Märkte stark von den Zinssprüngen überrascht, entsprechend negativ reagierte vor allem der Fixed-Income-Bereich. Das Gegenstück ließ sich 2004 beobachten, als der damalige Fed-Chef Alan Greenspan diese Maßnahme vorher gut kommuniziert hat. Die Märkte konnten sich darauf einstellen, die Zinserhöhungen waren eingepreist, und entsprechend gab es kaum negative Auswirkungen. Wir glauben, dass wir dieses Mal näher am 2004er-Szenario sind.

Josef Kaesmeier: Aber die Märkte zeigen sich erfahrungsgemäß doch immer wieder von den Ereignissen überrascht. Ich kann mir auch vorstellen, dass nach dem ersten Zinsschritt nicht alles ganz so harmonisch abläuft. Und wir alle gehen im Gesamtszenario davon aus, dass die Konjunktur weltweit brummt und dass es eigentlich nur aufwärts geht. Das halte ich nicht für garantiert. Der feste Dollar und der schwache Ölpreis sind zudem nicht optimal für die US-Wirtschaft. So wäre es auch möglich, dass man seitens der Fed mit der Entwicklung des Dollars unzufrieden ist und eine Zinserhöhung bis auf Weiteres sogar zurückstellt.

Christian Mosel: Die Frage, wie sich der Dollar entwickeln wird, ist sicherlich spannend. In diesem Zusammenhang stellt sich auch das Problem vor allem für Investoren, die stark gehebelt eingestiegen sind. Denn unsere Branche hat auch schon mal die Erfahrung gemacht: Gerät ein großer Hedgefonds in die Bre-douille, gibt es schnell massive Schneeballeffekte.

Sehen Sie denn Belege dafür, dass das Gros der Retail-Fonds auf die Zinssituation reagieren konnte?

Klaus-Dieter Erdmann: Mit MMD analysieren wir vor allem vermögensverwaltend gemanagte Produkte, und dort haben auf breiter Front in den vergange-nen Monaten Anpassungsbewegungen stattgefunden. Etwa, indem die Dollar- und die Aktienquote hochgefahren wurden. Teils sicherlich nicht in dem Maß, wie man dies hätte tun können oder sollen. Einige Fondsmanager haben den Trend sicherlich auch ganz verpasst, während andere wiederum zu früh eingestiegen sind.

Detlef Glow: Ich glaube, dass ein Szenario steigender Zinsen ganz gut zeigen kann, wer eigentlich ohne Badehose schwimmt. Denn solange die Märkte steigen, ist es relativ einfach, im Spiel zu bleiben. Etwas anders sieht es aus, wenn Turbulenzen aufkommen. Und viele der Anbieter gerade im Bereich der vermögensverwaltenden Fonds haben noch gar keine echte Krise mitgemacht. Hier wird sich in Zukunft die Spreu vom Weizen trennen.

Um ordentliche Erträge erwirtschaften zu können, gelten Aktien allgemein als alternativlos. Doch der Dax hat gerade wieder Höchststände erreicht, das „Einsteigen“-Mantra wird jetzt auch in den Boulevardzeitungen gebetet. Eigentlich ein Kontraindikator, oder?

Christian Machts: Das könnte man so sehen. Wann immer die Publikumsmedien aufgerufen haben, in Aktien zu investieren, war das in der Regel das Ende des Zyklus. Doch wir erwarten bei den Aktienmärkten keine dramatische Korrektur – wobei natürlich ab und zu mal Rücksetzer auch im zweistelligen Prozentbereich liegen können. Insgesamt glauben wir jedoch, dass die volkswirtschaftlichen Daten positiv und die Gewinnerwartungen der Unternehmen solide sind. Wir erleben derzeit einen Prozess der Wertaufholung: Die USA sind im vergangenen Jahr vorweggelaufen, jetzt folgen Europa und Deutschland.

Mosel: Gefährlich wird es doch erst, wenn sich vermeintliche Alternativlosigkeit mit Sorglosigkeit paart. Das kann ich aber derzeit auch nicht erkennen. Und das Zweite ist: Wir gewöhnen uns gerade an Nullzinsen. Möglicherweise wird bei Aktien ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 bald normal sein. Im Moment denken wir noch, dass ein Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 13 oder bei 14 gesund ist. Vielleicht wird es so kommen, dass wir über viele Jahre mit null Zinsen, dafür aber mit hohen KGVs leben und dass dann viele Analysten und Researcher darauf ihre Modelle aufbauen.

Kaesmeier: Und was weiterhin ebenfalls für die Aktie spricht, sind die Blasen am Rentenmarkt und im Immobilienbereich, die sich auch in Deutschland abzeichnen. Aktien sind demgegenüber noch relativ moderat bewertet, deshalb würde ich auf Sicht von ein, zwei Jahren sagen, dass der Dax auch auf 15.000 Punkte steigen könnte. Allerdings gilt selbstredend immer: Je steiler der Anstieg, desto heftiger werden Rücksetzer aussehen.

Kommt hinzu, dass das ganze Zinsszenario ja künstlich gesteuert ist, da die Politik so einen großen Einfluss nimmt.

Erdmann: Natürlich sind die Märkte stark von den politischen Maßnahmen und auch von denen der EZB abhängig. Die daraus resultierende Verunsicherung bemerke ich auch in den Gesprächen mit meinen Kunden: Von diesen haben viele in den ersten zwei Monaten dieses Jahres schon 8 bis 10 Prozent Plus gemacht. Doch so mancher kann sich nicht wirklich darüber freuen, weil er diesen Wertzuwachs als eher virtuell ansieht. Dann antworte ich: Kaufen Sie sich davon eine Ferienwohnung, ein neues Auto oder sanieren Sie das Dach Ihres Hauses. Dann wird die Sache real. Andererseits: Wenn alles Kaufkraft wird, was irgendwo in irgendwelchen Büchern oder auf Konten steht, haben wir dann überhaupt genug Güter zur Verfügung? Wahrscheinlich nicht.

Glow: Die Konsequenz ist meiner Meinung nach recht simpel. Wenn alles in Kaufkraft umgewandelt werden soll, gibt es nur noch Verkäufer. Und was die Kur-se dann machen, wissen wir. Der Käu-fer bleibt in diesem Fall auf der Strecke, denn den Letzten beißen bekanntermaßen die Hunde.

Machts: Ich denke, wir befinden uns inmitten eines Experiments. Denn das, was derzeit die Notenbanken und speziell die EZB umsetzen, hat noch niemand vorher getan. Wir waren noch nie in der jüngeren Geschichte in einem Marktumfeld, das derart niedrige Zinsen und Renditen bei Staatsanleihen aus den Industrienationen aufwies. Ich würde davor warnen, heute genau zu prognostizieren, wo das endet. Ich glaube, das kann derzeit niemand.

Mosel: Die europäische Politik wird sich jedenfalls nicht mehr aus den Märkten zurückziehen. Sie hat gelernt, dass sie große Macht hat – ob das die Teilverstaatlichung der Commerzbank war oder die aktuelle Einflussnahme auf die EZB, wir können das im täglichen Geschäft beobachten. Diese Chance wird sich die Politik nicht mehr entgehen lassen. Und ein paar weitere Untiefen hat die politische Lage in Europa ja noch auf Lager: Wir werden in den kommenden zwei Jahren hier eine Menge Wahlen haben. Mal sehen, was es in Spanien für Diskussionen gibt, wenn Podemos mit in die Regierung kommt oder Frau Le Pen mit ihrer Front National in Frankreich immer stärker wird.

Warum kommen die USA immer schneller aus dem Schlamassel?

Kleis: Die Vereinigten Staaten sind im Gegensatz zur Euro-Zone eine politisch sehr gefestigte Organisation und haben Institutionen, die handlungsfähig sind. Wenn der komplette Privatsektor spart, so empfehlen viele Volkswirte, muss der Staat einspringen. Das war in den USA möglich, aber weniger in der Euro-Zone angesichts der massiven Vertrauenskrise vor allem gegenüber den Südstaaten. Die USA verzeichnen seit zwei, drei Jahren wieder Wachstumsraten von 2 Prozent und darüber. Auch die Kreditvergabe im Privatsektor zieht wieder an. Da hinkt die Euro-Zone um einige Jahre hinterher. Dennoch sollte man hier nicht alles schwarzmalen: Die Hypothekenzinsen sind in Deutschland auf einem Niveau, das wir nie erahnt hätten, und die Unternehmen können sich zu extrem günstigen Sätzen refinanzieren. Das sind Dinge, die über die Zeit hinweg auch der Euro-Zone sehr helfen sollten.

Nun ist aber der sogenannte Home-Bias bei deutschen Anlegern sehr stark: Investiert wird vor allem vor der Haustür. Weniger in den USA, wo der Aufschwung heute schon stattfindet.

Kaesmeier: Da sollten wir differenzieren. Deutschland ist Export-Weltmeister. Wenn Sie im Dax investiert sind, ist der Home-Bias-Effekt also weniger schlimm. Mit deutschen Aktienwerten profitieren wir sozusagen direkt auch vom Potenzial der USA und der Schwellenländer. Mir würde es schon reichen, wenn wir die Deutschen von deutschen Aktien überzeugen könnten. Aber es scheitert ja selbst daran.

Kleis: Das kann man auch etwas anders sehen. Wenn uns Anleger fragen, wo sie in Aktien investieren sollen, und sie gleichzeitig keine dezidierte Präferenz mitbringen, raten wir, sich so breit wie möglich zu engagieren. Und man darf auch nicht vergessen: Der Dax ist deutlich volatiler als ein weltweiter Aktienindex. Wenn mich Wertschwankungen im Depot beunruhigen, bin ich mit globalen Aktien besser aufgehoben. Zudem gleicht sich das Thema Währung bei Aktien relativ gut aus.

Glow: Da mögen Sie in vielen Fällen sicherlich recht haben. Aber wenn Sie sich die Dollar-Entwicklung über die vergangenen 40 Jahre ansehen, würde ich das nicht so ohne Weiteres unterschreiben. Wir hatten das Hoch mit knapp über 1,40 Euro markiert, warum können wir nicht wieder bei 0,80 Euro landen? Doch ich glaube auch, dass es relativ wichtig ist, dass zumindest der Retail-Anleger in derjenigen Währung denkt, in der er seine Verbindlichkeiten und sein Leben finanzieren muss. Entsprechend ist eine währungsgehedgte Fondstranche sinnvoll. Ich verzichte dabei eventuell auf ein bisschen Rendite, aber ich erspare mir auch eine ganze Menge Volatilität. Das lässt den Anleger am Ende des Tages ruhiger schlafen.

Stressfreiheit ist ein gutes Stichwort. Eine der großen Investmentstorys der jüngeren Zeit lieferten die Emerging Markets. Dort haben sich aber viele An-leger eine blutige Nase geholt. Sprechen trotzdem Argumente für den Einstieg?
Kaesmeier: Auf jeden Fall. Ich würde nach wie vor jedem empfehlen, einen Teil seiner Investitionen in die Schwellenländer zu tätigen – gerade nach der Entwicklung der letzten Jahre. Denn die Schwellenländer sind bezogen auf die Assetklasse Aktien momentan vergleichsweise sehr günstig bewertet. Natürlich muss man sich die Einzeltitel genauer anschauen, ein Index-Investment ist dann möglicherweise nicht das Mittel der Wahl. Und wenn ich Präferenzen setzen sollte, würde ich für Asien plädieren: Asien läuft einfach anders, die Wirtschaft dort brummt nachhaltiger, und die politischen Verhältnisse sind stabiler als etwa in Osteuropa oder Südamerika.

Glow: Doch muss man ernsthaft überlegen, ob jemand in den zurückliegenden Jahren mit Emerging-Markets-Investments mehr Geld verdient hat als mit dem Dax.

Machts: Doch, das war schon so. Nehmen wir den Zeitraum 2002 bis 2012: Da boten europäische Aktien keine oder nur geringe positive Performance, Schwellenländeraktien liefen hingegen sehr gut. Aber ich stimme zu, dass beim Thema Emerging Markets Pauschalisierungen fehl am Platz sind. Wir haben alle mal gelernt: Je mehr Risiko man eingeht, desto mehr Rendite sollte man dafür erwarten können. Die Emerging Markets waren dafür immer auf der Equity-Seite das klassische Beispiel. Doch was wir in der jüngeren Zeit erleben, ist: Der Value-Bereich bietet eine gute Performance, ebenso die entwickelte Welt. Bei den Emerging Markets sah das anders aus. Es gilt, dass man bei den Emerging Markets stark differenzieren sollte. Auch wir sehen zum Beispiel im asiatischen Raum in einigen Fällen gute Chancen, würden aber heute zum Beispiel davon abraten, sich in Lateinamerika zu engagieren.

Mosel: Das stimmt, wir leben vielfach mit pauschalen Urteilen aus einer Zeit, in der man erstmals die Gelegenheit hatte, in Schwellenländer zu investieren. Doch sind Korea oder Singapur, die ja überall Teil von Emerging-Market-Fonds sind, überhaupt noch Schwellenländer? Dieses Attribut trifft vielleicht eher auf Rumänien, Bulgarien oder andere Länder in Osteuropa zu.

Wie viel Tradition bleibt denn noch im modernen Portfoliomanagement?

Kleis: Auf jeden Fall ist Diversifikation nach wie vor ein zentrales Thema. Die Frage ist nur, wie kann ich Diversifikation erreichen? Wenn wir eins in den vergangenen zehn Jahren gelernt haben, dann dies: Die klassischen Korrelationsannahmen funktionieren nur noch bedingt. Phasenweise sind in jüngerer Vergangenheit alle risikobehafteten An-lagen im Kurs nahezu gleichzeitig gestiegen und gefallen. Wir setzen darum in flexibleren Fonds – wie etwa bei unserer Dynamic Alpha Strategie – unter anderem auf unsere Relative-Value-Analyse: Wir schauen uns permanent mehr als 150 Märkte an und fällen dann ein Urteil. Ein Beispiel für Europa: Deutsche Aktien halten wir momentan für attraktiver als schwedische Aktien, und diese Erkenntnis bilden wir über Derivate in unserer Strategie ab.

Mancher hat sich zur Nervenschonung auch auf sogenannte Absolute-Return-Ansätze verlassen. Leider ignorieren von diesen auch nicht gerade wenige dieses Versprechen.

Erdmann: Der Bereich Absolute-Return-Fonds ist sehr schwer zu greifen. Bei den klassischen Vermögensverwaltungen, die verschiedene Assetklassen mischen, kann ich je nach strategischer Bandbreite in defensiv, ausgewogen, offensiv oder flexibel kategorisieren. Im Absolute-Return-Bereich sieht das deutlich anders aus. Dort werden eine ganze Reihe von Strategien und Assetklassen genutzt, deren Chance-Risiko-Profile nicht in das klassische Raster passen. Das heißt: Dort kann man vielleicht die möglichen Schwankungen und den Maximum Drawdown einschätzen, doch wie sind demgegenüber zum Beispiel komplexere Vola-Strategien einzuordnen?

Kaesmeier: Absolute Return war ein Marketing-Schlagwort, das vor Jahren verbreitet wurde, und davon ist bei vielen Anlegern nur noch Return übrig geblieben. Und dann macht man seine Erfahrungen, wie man sie immer mit diesen Schlagwörtern macht. Wenn wir den Begriff Absolute verwenden, dann sagen wir dem Kunden immer dazu, dass er auch mal bei minus 3 oder 5 Prozent landen kann. Aber er wird nicht, wenn der Markt um minus 40 Prozent fällt, bei minus 30 sein, sondern eben bei minus 5 oder 6. Es ist aber nicht sinnvoll, an der Nulllinie einen Strich zu ziehen. Dann kann kein Assetmanager mehr Ertrag generieren.

Glow: Das Marketing zu Absolute-Return-Fonds war der zweite große Fehler, den die Investmentindustrie in der vergangenen Dekade gemacht hat. Der erste Fehler war, dass im Jahr 2000 alle unreflektiert in das Horn der Aktienfonds geblasen haben. Wenn man sich erinnert, gab es seinerzeit die Volksaktie, beworben von einem Volksschauspieler, und eine Volkszeitung trommelte dafür. Der Fehler der Investmentindustrie war, dass man nicht bremsend darauf eingewirkt hat. Mit den bekannten Ergebnissen. Dann kamen die Anleger gerade aus der Krise, da wurde 2005 die neue Kategorie Absolute Return ins Schaufenster gestellt mit dem Hinweis, man könne hier kein Geld verlieren. 2008 wurden dann viele eines Besseren belehrt. Das heißt: Sollte jetzt auch noch das Multi-Asset-Thema anbrennen, braucht die Fondsindustrie nicht mehr anzutreten.

Machts: Unsere europaweiten Investoren-Studien zeigen allerdings, dass der durchschnittliche Privatanleger noch sehr weit weg von Begriffen wie Multi-Asset oder Absolute Return ist. Die finanzielle Allgemeinbildung ist nach wie vor ein Riesenthema. Und die Aufgabe unserer Branche für die kommende Dekade ist, unsere Dienstleistung erklären zu können, nämlich das Wert stiftende Verwalten von Geld. Dabei reden wir über am Kundenbedarf orientierte Geldanlage, also darüber, wie man als Anleger mit einem akzeptablen Risiko kontinuierlich zum Beispiel 4 Prozent erzielen kann. Da geht es dann unter anderem auch um Fragen der finanziellen Grundversorgung, also etwa um die Pensionsgelder des Feuerwehrmanns und der Krankenschwester.

Die neuen Income-Fonds imitieren so-zusagen für die Anleger die früheren Zinsprodukte.
Glow: Richtig. Und natürlich ist das etwas, was den derzeitigen Anlegerbedürfnissen entspricht. Eine kritische Anmerkung: Es gibt Fonds, die 8 Prozent Ausschüttung jährlich versprechen. Und was passiert, wenn man die 8 Prozent mit regulären Erträgen nicht erwirtschaften kann? Dann muss man sich aus der Substanz bedienen. Wenn ich dann null Erträge unterstelle, hätte ich im nächsten Jahr nur noch 92 Prozent an Substanz. Und dann bekäme ich die 8 Prozent Auszahlung nur noch von den 92 Prozent gezahlt. Das ist das, was der Anleger verstehen muss.

Mosel: Wobei ich insbesondere Multi-Asset-Strategien für alles andere als eine kurzfristige Modeerscheinung halte. Die-se kamen vor einigen Jahren aus meiner Sicht vor allem aus folgendem Grund auf: Die Märkte wurden komplexer und gingen durch Krisen. In einem solchen Umfeld hat der Privatanleger nach Lösungen gesucht, die ihm die Allokationsentscheidung ein Stück weit abnehmen können. Dann landet man zwangsläufig bei der Vermögensverwaltung oder bei Multi-Asset-Produkten. Hierbei muss dem Anleger natürlich noch viel transparenter gemacht werden, welche spezifischen Risiken er eingeht, wie die Makroentscheidungen in diesen Fonds laufen und wie groß deren Flexibilität wirklich ist.

Erdmann: Es ist doch so, dass der Anstoß für das verstärkte Auflegen von vermögensverwaltenden Fonds von der Politik aus gekommen ist – und zwar unbeabsichtigt. Viele Vermögensverwalter hätten ohne die Abgeltungssteuer nie Fonds aufgelegt. Es war aber die Absicht von Finanzminister Steinbrück, lieber 25 Pro-zent von etwas als 50 Prozent von nichts zu bekommen. Das hat im ersten Schritt für den Staat dann auch nicht so ganz funktioniert, aber für die Anleger war es gut. Der zweite Schritt war die schärfere Regulierung, die dazu geführt hat, dass das Drehen in Fondsportfolios durch die Berater auch bei den Banken und Sparkassen nachgelassen hat.

Mosel: Die Regulierung unserer Branche hat viele Vorzüge, man sollte nur darauf achten, dass keine Oligopole weniger großer Anbieter entstehen, die sich den immer größeren administrativen und kostenseitigen Aufwand leisten können. Anleger brauchen einen breiten Zugang zu Investmentmöglichkeiten. Als Beispiel sind hierfür Cat-Bonds zu nennen: Sie sind eine Anlageklasse, bei der ein privater Investor normalerweise außen vor bleibt. Doch bieten sich in diesem Bereich reelle Chancen fernab von Marktzyklen.

Kommen wir zum Schluss. Wo sehen Sie gegenwärtig weitere besondere Chancen und Risiken?

Kleis: Geht es um momentane Risiken, ist auch die Politik der Zentralbanker zu nennen, die zum Teil einen sehr schmalen Grat beschreiten. So ist jederzeit durchaus das Risiko eines Errors etwa durch eine unglückliche Kommunikation denkbar – der dann auch zu einer zu frühen Zinsanhebung oder zu frühen Reduzierung des Staatsanleihenkaufs führen könnte. Zu den momentanen Chancen: Für uns sind vor allem Aktien von Unternehmen aus den USA und Japan interessant.

Machts: Wenn wir die klassische Asset Allocation voranstellen, heißt das auch für uns Übergewichtung europäischer und japanischer Aktien. Das sind die beiden Märkte, die wir für die kommenden zwölf bis achtzehn Monate favorisieren. Auf der Fixed-Income-Seite erwarten wir mehr Risiken als Chancen – hier bieten einige Schwellenländer noch Chancen. Ich glaube, für den Kunden ist ein Multi-Asset-Produkt durchaus der richtige Weg. Mögliche Extremszenarien sollten wir aber nie ausschließen, sei es aus einer Isis-Perspektive im Mittleren Osten oder aus einer Situation in Osteuropa, aus der politische Verwerfungen entstehen – oder eben genau aus Situationen, die wir einfach schlichtweg nicht vorhersagen können. Ich glaube, strategisch gut für die unterschiedlichsten Szenarien gerüstet zu sein ist das A und O.

Erdmann: Das größte Risiko liegt meines Erachtens im Anleger selbst begründet. Nämlich dass er Dinge tut, die er nicht versteht. Oder noch viel schlimmer, dass er meint, orientiert zu sein, und dann alles auf eine Karte setzt. Und er sollte denjenigen gegenüber misstrauisch sein, die sagen, sie wüssten, wohin die Reise an den Märkten geht. Und er sollte sich darauf einstellen, dass es immer Schwankungen geben wird. Denn noch ist die Regel, dass der Privatmann prozyklisch zum ungünstigen Zeitpunkt aus- und einsteigt. Ich glaube, damit wird das meiste Geld verloren – und nicht durch schlechte Fondsmanager.

Das Gespräch moderierte Markus Deselaers.

Von: Markus Deselaers

Quelle: DAS INVESTMENT.

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