Die Regierung in Peking steckt in einer misslichen Lage, die am Ende zu einer bitteren Erkenntnis führt. Bantleon-Analyst Andreas Busch über Chinas Spagat zwischen Wachstum, gutgelaunten Staatsbürgern, Amerika und Schulden.Die chinesische Regierung sieht sich auch ohne Handelskrieg einer großen ökonomischen Herausforderung gegenüber: dem Abbau des riesigen Schuldenbergs. Er hat sich in den vergangenen neun Jahren nach der Finanzkrise fast verdoppelt und beträgt inzwischen knapp 260 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Fokus stehen vor allem die Unternehmen, auf die allein knapp zwei Drittel der Verbindlichkeiten entfallen
Mit strengeren Regulierungen hat Peking schon im vergangenen Jahr begonnen, die ausufernde Kreditvergabe zu bremsen. Dabei wurde auch bewusst eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Kauf genommen. Nach Zuwachsraten von 6,9 Prozent im 1. Halbjahr 2017 (gegenüber dem Vorjahr) rutschte das Expansionstempo im 2. Quartal dieses Jahres auf 6,7 Prozent ab – noch langsamer wuchs die chinesische Wirtschaft zuletzt vor neun Jahren.
In die Quere ist der Regierung nun aber die Zuspitzung des Handelskonflikts gekommen, die das Wirtschaftswachstum zusätzlich bremst. So werden seit kurzem 10 Prozent aller Ausfuhren in die USA (rund 50 Milliarden US-Dollar) mit 25-prozentigen Zöllen belegt, was der Exportwirtschaft einen empfindlichen Dämpfer versetzen wird. Kommen die angedrohten 10- bis 25-prozentigen Zölle auf Waren im Umfang von weiteren 200 bis 400 Milliarden Dollar hinzu, wären die Belastungen sogar noch größer. Und die Drohungen sind durchaus ernst zu nehmen, da die USA im Rennen um die globale Technologieführerschaft und zur Bekämpfung des unlauteren Technologietransfers nicht so schnell zu einem Kompromiss bereit sein werden. Kein Wunder also, dass Peking in diesem Umfeld den Fuß von der Bremse nimmt und wieder Gas gibt. Neben Mindestreservesatzsenkungen (von 17,0 Prozent auf 15,5 Prozent in den vergangenen vier Monaten) und einer Beschleunigung bereits verabschiedeter Steuersenkungen steht die Förderung von Infrastrukturinvestitionen auf dem Programm.
Spagat der Konjunkturpolitik – Schattenbanken bremsen aber Bankkredite ankurbeln (Grafik vergrößern)Quelle: PBC, Bantleon
Eine 180-Grad-Wende der Wirtschaftspolitik ist das jedoch nicht. Laut offiziellen Verlautbarungen wird am übergeordneten Vorhaben der Schuldenstabilisierung festgehalten. Der daraus resultierende Spagat ist in den jüngsten Kreditdaten deutlich zu erkennen. Einerseits ist es im Schattenbankensektor zu einem Rückgang der Neukreditvergabe gekommen. Das betrifft zum Beispiel Unternehmensfinanzierungen, die zwar von Banken vermittelt werden, jedoch in keiner Bankbilanz auftauchen. Andererseits ziehen die klassischen Bankkredite als Reaktion auf die geldpolitischen Lockerungen wieder an (obere Grafik).
Gegenwärtig überwiegen in China die dämpfenden Effekte (Grafik vergrößern)Quellen: PBC, Markit, Bantleon
In der Gesamtschau überwiegen gegenwärtig die bremsenden Effekte. Das zeigen die jüngsten Einkaufsmanagerumfragen, die einen schwindenden Optimismus widerspiegeln, ebenso wie das langsamere Expansionstempo der Industrieproduktion oder die bis in den Sommer hinein immer noch schrumpfenden Infrastrukturinvestitionen. Ein Blick auf die Entwicklung der Neukreditvergabe insgesamt (Schattenbanken und Bankkredite zusammen), die der Unternehmensstimmung tendenziell vorausläuft, bestätigt den verhaltenen Ausblick. Hier ist allenfalls eine Bodenbildung auszumachen (zweite Grafik). Die Konjunkturdynamik sollte entsprechend im 2. Halbjahr nochmals nachlassen. Wir gehen daher davon aus, dass das BIP-Wachstum in im 3. Quartal auf 6,6 Prozent nachgibt und im Jahresdurchschnitt auf 6,7 Prozent sinkt (nach 6,9 Prozent in 2017). So niedlich diese Abschwächung aussieht – für die Weltwirtschaft bedeutet sie, dass ein wichtiger Motor weiter an Schwung verliert.
Von: Andreas Busch
Quelle: Das Investment