Europa hinkt hinterher – noch
Europäische Aktien profitieren vom EU-Hilfsfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro. Dennoch hinkt Europa – ohne große Tech-Konzerne und mit dem Fokus auf Value-Titel – dem US-Markt weiter hinterher. Impfstoffe, mit denen sich die Wirtschaft weiter normalisieren würde, könnten Value-Werten Auftrieb verleihen und zum Wachstumstreiber für Europa werden.
Die Zahl der neuen Covid-19-Fälle ist in Europa, und dort insbesondere in Spanien und Frankreich, zuletzt gestiegen. Mehr Tests und eine bessere Rückverfolgung haben neue Lockdowns bislang verhindert. Selbst in den am schlimmsten vom Virus betroffenen Ländern sind die im Krankenhaus behandelten Patienten sowie die Todesfälle zurückgegangen. Dennoch belastet die Sorge über die zweite Welle die Märkte. Ein Blick auf die Wirtschaftsdaten aber gibt Anlass zu Optimismus: Die Stimmungsindikatoren in der Eurozone sind bereits im vierten Monat in Folge angestiegen. Was die Branchen anbelangt, schnitten Verbrauchsgüter, Industrie und Werkstoffe am besten ab.
Anleger, so zeigt sich, rechnen mit einer Normalisierung der Wirtschaft bis 2021. Die Hauptprofiteure dieser Entwicklung waren zuletzt Qualitätsaktien zyklischer Branchen. Gelingt es tatsächlich, in absehbarer Zeit wirksame Impfstoffe auf den Markt zu bringen, könnten sich Wachstums- und Value-Titel annähern.
Anders als in der Finanzkrise im Jahr 2008 verfügen Banken derzeit über genügend Eigenkapital, um den Corona-Schock zu bewältigen. Dazu hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit der Empfehlung an Institute beigetragen, keine Dividenden auszuschütten. Zudem gab es bislang weniger notleidende Kredite als erwartet. Qualitativ hochwertige Banken mit dem Fokus auf dem Privatkundengeschäft bieten damit ein aussichtsreiches Risiko-Ertrags-Verhältnis.
Vorsichtig sollten Anleger hingegen bei Kommunikationsdiensten sein, die sinkende Margen hinnehmen müssen. Eine weitere schwierige Branche sind die Versorgungsunternehmen – ein teurer, wachstumsschwacher und qualitativ schlechter Sektor. Viele dieser Firmen sind wenig rentabel und hoch verschuldet. Etwas weniger optimistisch ist auch die Automobilbranche zu bewerten. Neben der Corona-Krise könnte nun auch ein harter Brexit Auswirkungen auf die deutschen Hersteller haben.
Nasdaq lässt sich von Trumps Krisenpolitik nicht beeinflussen
Im August kletterten die US-Aktienmärkte, obwohl sich der US-Präsident und die Demokraten im Kongress nicht auf ein fünftes Corona-Hilfspaket einigen konnten. Der Nasdaq erreichte neue Höchststände. Die großen Tech-Konzerne setzten ihre Rally bis September fort.
Die Zahl der Coronavirus-Infektionen hat den Höhepunkt überschritten. Der tägliche Anstieg der Neuinfektionen ist weiter rückläufig. Darüber hinaus machen die Pharmakonzerne bei der Impfstoffentwicklung Fortschritte.
Die Wirtschaftsindikatoren zeigen ein differenzierteres Bild. Jüngst veröffentlichte Daten deuten auf ein anhaltendes, wenn auch moderates Wachstum hin. Der Einkaufsmanagerindex übertraf sowohl für das verarbeitende Gewerbe als auch in der Dienstleistungsbranche die Erwartungen. Andere Indikatoren, darunter der von der Universität Michigan erhobene Index zum Verbrauchervertrauen, gingen jedoch zurück.
Bei den Branchen liegen Verbrauchsgüter, Rohstoffe und Industriegüter vorn. Das spiegelt den Optimismus der Anleger wider. Wie in Europa profitierten davon auch in den USA vor allem Qualitätsaktien zyklischer Sektoren.
Die Übergewichtung von Finanzwerten und Medien sowie die Untergewichtung im Bereich Telekommunikation haben sich für Candriam ausgezahlt. Mit leichten Verlusten verbunden war nach den jüngsten Korrekturen das Engagement in der IT- und Gesundheitsbranche. Bleibt es bei dem Rücksetzer für die Tech-Aktien oder zeichnet sich ein längerer Abschwung ab? Die Frage lässt sich noch nicht beantworten. Allerdings weist die Branche als Wachstumstreiber nach wie vor solide Fundamentaldaten auf.
Aussichtsreich ist weiterhin die Finanzbranche. Covid-19-Impfstoffe dürften erheblich zur Erholung der Wirtschaft beitragen und höhere US-Zinsen nach sich ziehen. Trotz des jüngsten Abwärtstrends hält Candriam die Übergewichtung in Tech-Werten weiterhin für gerechtfertigt. Industrieaktien bleiben neutral bewertet. Die Branche weist nach Einschätzung der Experten bei relativ hoher Bewertung aktuell nur begrenzt Steigerungspotenzial auf. Ein positiver Trend lässt sich auch bei Medien- und Unterhaltungsaktien erkennen – die großen Gewinner der Krise.
Candriam setzt zudem weiterhin auf die Gesundheitsbranche, die sich besonders bei Konjunkturabschwächung als widerstandsfähig erwiesen hat. In jedem Fall wird sich die US-Präsidentschaftswahl auf die Märke auswirken. Noch ist es aber zu früh, das Portfolio dahingehend anzupassen.