US-Aktien haben ein starkes Jahrzehnt hinter sich. Eine mehr als zehnjährige Periode der Globalisierung kam sehr großen, hochwertigen Technologie-Unternehmen an der Spitze des S&P 500, wie Amazon, Alphabet, Apple und Microsoft, sehr gelegen. Das größte Wachstum fand zwar nicht in den USA und Europa, sondern in China und Indien statt – dennoch waren es die US-Tech-Giganten, die kräftig profitierten.
Seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg zeichnet sich ein neues Umfeld ab: Ein Umfeld der Deglobalisierung, der steigenden Preise, anhaltender und hoher Inflation, steigender Zinsen und Rezession. Wir sehen, dass die eng vernetzten globalen Lieferketten, die in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut wurden, darunter auch die Bereiche Lebensmittel und Energieversorgung in Europa, unter Druck geraten sind. Die übermächtige Rolle Russlands bei der Gasversorgung Europas hat gezeigt, dass zu große Abhängigkeiten verhängnisvoll sein können.
Die USA stehen vor diesem Hintergrund etwas besser da. Sie verfügen aufgrund ihrer eigenen Ressourcen über eine hohe Energiesicherheit und müssen auch nicht so viele Lebensmittel wie Europa importieren. Die weltgrößte Volkswirtschaft hat jedoch weiterhin mit steigenden Zinsen zu kämpfen und könnte durchaus in die Rezession rutschen; sie zeigt sich bislang aber widerstandsfähig. Die US-Verbraucher verfügen über enorme Kaufkraftressourcen, für die das gewaltige Covid-19-Konjunkturpaket in Höhe von 5 Billionen US-Dollar gesorgt hat, mit dem Haushalte und Unternehmen vor dem pandemiebedingten Wirtschaftsschock geschützt werden sollten. Die bereitgestellten Mittel ließen die privaten Ersparnisse als Prozentsatz des verfügbaren Einkommens auf fast 35 Prozent (nach Angaben von Columbia Threadneedle Investments und Bloomberg, Stand: 9. September 2022) ansteigen, wodurch die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen weiterhin hoch ist.
Small Caps profitieren vom US-Binnenmarkt
Was bedeutet dieses Umfeld nun für die Unternehmen in den USA? Absehbar ist, dass die US-Großunternehmen weiterhin phänomenale Geschäfte machen: Wir erwarten, dass Amazon weiterhin wachsen wird, ebenso wie die Cloud-Services von Microsoft. Eine Abkehr von der Globalisierung und eine stärkere Konzentration auf den US-Markt könnte sich jedoch auch für US-Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung als überzeugend erweisen. Betrachtet man etwa das Auslandsgeschäft nach Marktkapitalisierung, so sind Small Caps in viel größerem Umfang auf das Inland ausgerichtet.
Zugleich hat sich die Stärke des US-Dollars fortgesetzt. Die jüngste Aufwertung und die jeweiligen Kursverluste des Euro und des Britischen Pfunds haben dazu geführt, dass zum ersten Mal seit 20 Jahren die Parität zwischen dem US-Dollar und dem Euro erreicht worden ist und das Pfund nicht mehr weit davon entfernt ist. Ein starker Greenback drückt allerdings auf die Unternehmensgewinne, da diejenigen US-Unternehmen, die einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen im Ausland erzielen, feststellen werden, dass die Währungsstärke ihre Gewinne schmälert, wenn die Fremdwährungseinnahmen in US-Dollar umgerechnet werden.
Im Großen und Ganzen ist das jedoch ein Problem für die Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung. Bei den Small Caps tritt häufig der gegenteilige Effekt ein: Ihre Umsatzbasis bleibt gut, weil sie den Großteil ihrer Geschäfte in den USA abwickeln, während ihre Lieferketten global aufgestellt bleiben. Und der starke US-Dollar bedeutet, dass ihre Kaufkraft im Ausland ein wenig stärker wird.
Darüber hinaus haben wir in der Vergangenheit beobachtet, dass die Wirtschaftskraft kleinerer Unternehmen bei fallenden Zinsen zwar tendenziell hinter Large Caps zurückbleibt, die Unternehmen in einem Umfeld steigender Zinsen jedoch eine bessere Performance erzielen. Eine Studie (Nicolas Janvier, „US smaller companies may shine as rates rise“, Oktober 2018) unseres Hauses zeigt, dass seit 1962 (dem längsten Zeitraum, für den wir verlässliche Daten haben) in den Monaten, in denen die Zinsen stiegen, der S&P 500 eine Rendite von 6,1 Prozent und kleinere Unternehmen eine Rendite von 14 Prozent erzielten; umgekehrt fuhren in den Monaten, in denen die Zinsen sanken, Large Caps eine Rendite von 14,9 Prozent und Small Caps 10 Prozent ein.
Dass kleinere Unternehmen in Zeiten steigender Zinsen und normaler Inflation besser abschneiden, hängt im Allgemeinen mit einer gesunden Wirtschaft zusammen. Die Lage für die kleinen Unternehmen sieht indes anders aus, wenn die Inflation bei 8 Prozent und mehr liegt.
Die Industrie bleibt stark, aber der Verbraucherkonsum schwächelt
Sehr interessant ist, dass wir zum ersten Mal seit der Jahrtausendwende einen klaren Unterschied in der Wirtschaftsleistung verschiedener Sektoren sehen, insbesondere zwischen Industrieunternehmen und Konsumgüteranbietern. Erstere, die in den industriellen Zyklus eingebunden sind, halten sich sehr gut – sie profitieren von den Trends zum Onshoring und der Automatisierung und haben Schwierigkeiten, zu expandieren und neue Mitarbeiter zu finden. Der US-Arbeitsmarkt ist sehr angespannt, die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA liegt bei aktuell bei niedrigen 219.000.
Für Unternehmen, die auf die privaten Verbraucher ausgerichtet sind, sieht es jedoch ganz anders aus. Sie spüren allmählich eine Abschwächung der Nachfrage, was zu einem Rückgang ihrer Umsätze und zu einem Druck auf ihre Kostenbasis führt; sowohl bei Material und Vorprodukten als auch bei den Arbeitskosten. Inzwischen beginnen auch die Sparguthaben, die sich in der Pandemie akkumulierten, zu schwinden. Angesichts der Tatsache, dass rund 70 Prozent der US-Wirtschaft vom privaten Konsum abhängen, ist zu erwarten, dass eine schwächere Verbrauchernachfrage schließlich auch auf die Produktionsleistung der Industrie durchschlägt.
Aktuell verändert sich die Makrolage auf globaler und nationaler Ebene. In den USA ist die Federal Reserve darauf bedacht, die Zinsen anzuheben und auf einem Niveau zu halten, von dem sie sich erhofft, die grassierende Inflation in den Griff zu bekommen. Eine Reihe von Zinserhöhungen hat den Leitzins auf eine Spanne von 3 bis 3,25 Prozent gebracht, und dort könnte er länger bleiben als bisher erwartet. Die Fed-Zinsprognosen gehen von einem mittleren Zinssatz von 4,4 Prozent bis Ende 2022 aus, was laut Bloomberg weitere 125 Basispunkte an Zinserhöhungen in den kommenden beiden Sitzungen des Jahres 2022 und einen Endsatz von 4,6 Prozent im Jahr 2023 bedeuten würde.
Was unsere Zielunternehmen mitbringen müssen
Auch im derzeit schwierigen makroökonomischen Umfeld halten wir an unserem Anlageprozess fest, der auf einer forschungsbasierten Bottom-up-Aktienauswahl beruht. Unser intensives Research, das von Standorten sowohl in den USA als auch in Großbritannien aus betrieben wird, ermöglicht es uns, Unternehmen zu finden, von denen wir überzeugt sind, dass sie die Rendite des investierten Kapitals, ihre Rentabilität und die Erzielung von freiem Cashflow nachhaltig verbessern können – und zugleich nachhaltige, verantwortungsbewusste Investitionsüberlegungen in ihre Geschäftsmodelle einbinden. Die Unternehmen, die uns interessieren, sind gut positioniert, um über einen Marktzyklus hinweg eine überdurchschnittliche Performance zu erzielen. Die Verwaltung von Portfolios mit den besten aktienspezifischen Ideen kann uns dabei helfen, durch die derzeit turbulenten Märkte zu navigieren und kontinuierlich starke, risikobereinigte Renditen zu erwirtschaften.