Das Investment: Chinesische Tech-Branche soll unabhängig werden

Der Handelskonflikt mit den USA veranlasst China, die Produktion wichtiger Technologien ins Inland zu verlagern. Bei seinen jüngsten Begegnungen mit Vertretern der Branche erkundete Hyun Ho Sohn, Manager des Fidelity Global Technology Fund, welche Bereiche der chinesischen Technologieindustrie das Zeug dazu haben, auch ohne US-Komponenten Weltrang zu erreichen.

Kürzlich reiste ich mit anderen Fondsmanagern und Analysten von Fidelity nach China und Hongkong, um 19 Branchenführer aus den Bereichen Technologie und Kommunikation zu treffen. Solche Reisen – wir besuchen auch einmal im Jahr das Silicon Valley – sind integraler Bestandteil meines Research-Prozesses: Nirgends bekommt man so detaillierte Einsichten wie bei Unternehmenstreffen mit Führungskräften und Vorständen, bei denen geschäftliche Themen und neue Technologien diskutiert werden. Auch diese Reise bildete keine Ausnahme.

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat die Stimmung vieler Unternehmen aus den Bereichen Hardware und Komponenten beeinträchtigt, deren Lieferketten betroffen sind. Dies ermutigt die Chinesen in ihren Bemühungen, die Technologieproduktion in China zu bündeln und so die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Dies kann in bestimmten Bereichen funktionieren, zum Beispiel bei der KI-Entwicklung, wo China gegenüber anderen Ländern einen Vorteil bei den verfügbaren Daten hat, da es dort keinerlei datenschutzrechtliche Bedenken gibt. Jedoch hat diese Reise meinen Eindruck verstärkt, dass es China sehr schwerfallen wird, mittelfristig eine eigene führende Halbleiterindustrie zu entwickeln. In dieser Hinsicht ist Amerika sowohl industriell als auch wissenschaftlich sehr stark etabliert und hat dadurch erhebliche Vorteile.

Meine Überzeugung hat sich bestätigt, dass es langfristige Chancen im Zusammenhang mit dem Cloud-Ausbau in China und damit verbundene Möglichkeiten in der Softwareentwicklung gibt. Trotz der Probleme von Huawei dürfte der 5G-Rollout in China wie geplant verlaufen, was gewissen Mobilfunk- und Telekommunikationsanbietern zugutekommt. Es bestehen außerdem Chancen bei ausländischen Chip-Herstellern, die China beim Aufbau seiner Kapazitäten in der Halbleiterproduktion behilflich sind.

Cloud-Expansion wird vorangetrieben

Chinesische Unternehmen investieren weiterhin stark in Cloud-Kapazitäten, wobei die Digitalisierung insgesamt im Vergleich zu einigen anderen Ländern noch nicht so weit fortgeschritten ist. Chinas IT-Ausgaben betragen lediglich 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, verglichen mit 4,9 Prozent in den USA. Und während 80 Prozent der IT-Ausgaben in den USA für Software und Dienstleistungen getätigt werden, sind es in China 80 Prozent für Hardware, haben die Analysten von Fidelity International herausgefunden.

Cloud-Anbieter mit erheblichen Chancen

Da sich China in Bezug auf die Softwarepenetration in einem frühen Stadium befindet und das Land ein relativ kleiner Markt für internationale Softwareunternehmen ist, erledigen inländische Cloud-Firmen viel Softwarearbeit „von der Pike auf“ intern anstatt sich auf Dritte zu verlassen. In China gibt es keine großen etablierten Softwareunternehmen wie in den USA. Jedoch ist Alibaba im Cloud-Bereich sehr gut positioniert und kann seine E-Commerce-Expertise nutzen, um Synergien mit dem Cloud-Angebot zu schaffen. Langfristig kann Alibaba das Amazon Web Services oder ein gleichwertiger Cloud-Anbieter von Microsoft in China werden, obwohl die große Zahl an Wettbewerbern in diesem Bereich bedeutet, dass das Unternehmen sich auf sein Produktangebot konzentriert und seine Kundenbasis vergrößert, bevor es um die Rentabilität geht. Baidu, JD und Tencent sind alle ebenfalls in diesem Bereich aktiv.

Nutzniesser der Handelsbeschränkungen

Das Verbot der US-Regierung, mit Huawei zusammenzuarbeiten, bedeutet, dass Huawei keinen Zugang zu Schlüsselkomponenten hat, die nur aus den USA bezogen werden können. Dies eröffnet Chancen für konkurrierende Telekommunikationsunternehmen wie Ericsson. Das Unternehmen steht in vielen Märkten mit Huawei im Wettbewerb. Ericsson hat in den vergangenen Jahren Umstrukturierungen durchgeführt, und zielt darauf ab, im Rahmen von 5G eine strategische Chance im B2B-Bereich zu ergreifen, während sich alle anderen auf B2C konzentrieren. B2B bietet hohe steigende Margeneinnahmen und das Unternehmen investiert in Betreiber, die es bei der Erschließung in diesem Bereich unterstützt. Auch Samsung dürfte davon profitieren.

Halbleiterausbau

Faktoren wie die Cloud-Expansion in China führen zu einer ständig steigenden Nachfrage nach Halbleitern. Die Regierung in China ist zwar bestrebt, die vollumfängliche Produktion im Land auf den Weg zu bringen, aber für den Moment – und in absehbarer Zeit – hat diese Reise noch einmal deutlich gemacht, wie sehr das Land bei der Ausrüstung zur Herstellung von Halbleitern auf US-Firmen angewiesen ist. KLA-Tencor und Lam Research sind beides Hersteller von Halbleiterausrüstung, die chinesische Unternehmen entscheidend unterstützen. KLA besitzt einen unangefochtenen Vorsprung in der Prozesskontrolle, was sich in den höchsten Margen im Halbleiter-Bereich und einem freien Cashflow von einer Milliarde US-Dollar pro Jahr niederschlägt.

Fazit

Der Handelskonflikt spielt weiterhin eine große Rolle. Eine zu starke Ausrichtung auf Unternehmen, die anfällig für Störungen in der Lieferkette sind, versuchen wir zu vermeiden. Die vielleicht wichtigsten Erkenntnisse der genannten Reise sind die hervorragenden Chancen, die sich angesichts der starken Expansion in Chinas Cloud-Industrie ergeben. Umgekehrt bedeuten Huaweis Probleme, dass wir die Chancen, die sich im 5G-Bereich bieten, besser durch nicht-chinesische Unternehmen erschließen, während zwei US-Firmen (KLA und Lam) nach wie vor wichtige Lieferanten für Chinas Halbleiterindustrie sind. Trotz der aktuellen politischen Probleme bestehen nach wie vor gute langfristige Chancen in China.

von Hyun Ho Sohn

Quelle: Das Investment

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