Frank Ulbricht: Das erstreckt sich von – bis. Einige unserer Berater haben sich schon lange auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert und sind vielleicht schon seit zehn Jahren in dem Thema unterwegs. Andere haben das in letzter Zeit von sich aus bei ihren Kunden angesprochen – oder sie werden darauf angesprochen. Man kann natürlich sagen: Ach, schon wieder ein neues regulatorisches Thema. Man muss sich umstellen und Neues abfragen. Man kann es aber auch als ein Thema betrachten, mit dem sich aktiv arbeiten lässt. Berater können damit auf ihre Kunden zugehen. Dieses Bewusstsein wollen wir bei unseren Beratern fördern.
Was bedeutet die neue Regulierung für Sie als Pool?
Ulbricht: Zweierlei. Wir bauen einerseits unsere hauseigene Analyse für die Produktauswahl aus. Mit unserer Bank für Vermögen (BfV) verfügen wir über sehr gute Research-Möglichkeiten. Wir wollen noch detaillierter bestimmen, wann ein Produkt nachhaltig ist – indem wir unser eigenes Know-how einbringen und selbst Kriterien definieren. Das zweite ist die Beratung. Auch dort wird die Nachhaltigkeitsregulierung noch sehr großen Raum einnehmen. Daher geben wir unseren Maklern das Rüstzeug an die Hand, um bei ihren Kunden sattelfest aufzutreten.
Wie haben Sie Ihre Berater auf die kürzlich gestartete Offenlegungsverordnung vorbereitet?
Ulbricht: Darüber haben wir ausführlich in unserem Newsletter informiert. Wir stellen außerdem Mustertexte für Websites und Beratungsdokumentation zur Verfügung und haben haben Webinare angeboten. Alle Vermittler, die ihre Internetseite über BCA betreiben, haben die nötigen Anpassungen automatisch im Hintergrund eingepflegt bekommen. Sie erscheinen automatisch auf den Web-Seiten. Generell zu ESG und Nachhaltigkeit bieten wir regelmäßige Webinare an – und hoffentlich auch bald wieder Präsenzveranstaltungen.
Eine aktuelle Umfrage von Amundi hat ergeben, dass sich auch nach dem Start der Offenlegungsverordnung viele Berater in den neuen Regeln noch nicht firm fühlen. Beobachten Sie das auch?
Ulbricht: Wir haben bereits zeitnah Unterstützungsmaßnahmen ergriffen. Daher halten sich die Nachfragen unserer Partner jetzt in überschaubarem Rahmen. Natürlich kommen vereinzelt noch Rückfragen zum Thema. Beim Gros unserer Berater verspüren wir aber keine besondere Verunsicherung.
34f-Vermittler sollen von der Offenlegungsverordnung ausgeklammert sein, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Können sie das Thema also ignorieren?
Ulbricht: Ich empfehle, dass jeder 34f-Makler diesen Weg mitgehen sollte. Auch weil die Regulierung damit ja nicht endet. Irgendwann werden auch die Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungskontext abgefragt werden müssen. Laut Plan soll das noch im ersten Jahresquartal 2021 auf EU-Ebene verabschiedet werden. Dann haben wir ein Jahr Zeit, bis das Thema in den Beratungsprozess Einzug hält. Viele Berater fragen es heute schon ab – insbesondere jüngere Kunden legen Wert auf nachhaltige Geldanlage.
Das wird häufig behauptet, aber ist es tatsächlich so? Es heißt, dass Kunden meist das kaufen, was ihnen der Berater ihres Vertrauens empfiehlt. Fragen wirklich die Kunden nach nachhaltigen Anlagen, oder sind es eher die Berater, die solche Anlagen ins Gespräch bringen?
Ulbricht: Da hat sich in den vergangenen Monaten, auch durch Corona, einiges verändert. Die Kunden haben sich mehr mit dem Thema Geldanlage beschäftigt. Vielleicht auch, weil sie mehr Zeit dazu hatten. Viele setzen sich auch verstärkt mit Nachhaltigkeit auseinander. Sie möchten, dass mit ihrem Geld vernünftig umgegangen wird. Das beobachten wir quer durch alle Altersschichten. Verstärkt sehen wir das aber bei jungen Menschen. Gerade sie setzen sich mit dem Kapitalmarkt auseinander und stellen entsprechende Fragen.
Es heißt, dass Finanzkunden von den drei Nachhaltigkeitsfaktoren E, S und G, also dem ökologischen, sozialen und Governance-Aspekt, vor allem auf den Umwelt-Aspekt Umwelt schauen. Sind ihnen die anderen Kriterien nicht so wichtig?
Ulbricht: Sagen wir mal umgekehrt: Die Governance-Seite, also der Aspekt Unternehmensführung, ist als Thema bereits gesetzt. Wir haben ein Aktienrecht, wir haben einen deutschen Corporate-Governance-Index. Darin ist schon vieles zum Verhalten der Führung von Unternehmen geregelt. Deshalb dreht sich die Diskussion nicht so vordergründig darum. Ich habe allerdings auch schon eine Umfrage gesehen, wo das „S“, das Soziale, für Kunden das größte Thema war. Kinderarbeit, Armut, Bildung. Das sind ebenso Themen, die Kunden interessieren.
Wie beurteilen Sie den Aufwand, den die Nachhaltigkeitsregulierung mit sich bringt – bei Produkten und in der Beratung: Ist sie aufwendiger, als es die Mifid-II-Vorbereitungen waren?
Ulbricht: Mifid II war ein dickes Brett. So einen starken Aufwand werden wir hier aus meiner Sicht nicht mehr haben. Aber es wird ein Aufwand sein. Es wird noch viele Schulungen geben, und es wird einigen IT-Aufwand kosten. Vieles müssen wir allerdings noch abwarten. Zum Beispiel beim Thema, wie der Gesetzgeber Nachhaltigkeit in die Beratung einbinden will. Erst dann können wir uns sinnvollerweise an die Umsetzung machen. Außerdem warten wir immer noch auf genaue Eckpunkte bei der europäischen Nachhaltigkeits-Taxonomie.
Über den Interviewten:
Frank Ulbricht ist seit 2012 Vorstandsmitglied des Maklerpools BCA aus Oberursel. Zuvor baute er ab 2010 als Vorstand die BCA Bank mit auf – Vorgängerin der heutigen Bank für Vermögen, die zur Unternehmensgruppe von BCA gehört. Der Bankbetriebswirt und promovierte Wirtschaftsjurist bekleidete in der Vergangenheit zudem Führungspositionen bei mehreren Wertpapierhandelsbanken und war im Investmentbanking tätig.
von Iris Bülow