SJB | Korschenbroich, 20.03.2015. Bisher haben die Emerging Markets ihr rasantes Wachstum auch auf Kosten der Umwelt und des sozialen Friedens gestemmt. Eine Entwicklung, die sich nicht beliebig fortsetzen lässt und Chance für neue, nachhaltigere Investments ist, meint Raphael Lüscher, Fondsmanager eines Emerging-Markets-Nachhaltigkeitsfonds.
Sie setzen mit dem Swisscanto Equity Fund Green Invest Emerging Markets auf die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch. Ist ein schlichtes Weiterso wirklich nicht möglich?
Raphael Lüscher: Langfristig müssen die Schwellenländer in diesen Mechanismus investieren – und sie machen es auch. Denn zum einen werden die Menschen immer aufgeklärter und dulden das verantwortungslose Wachstum nicht dauerhaft. Zum anderen bringt das Ausmaß an Umweltverschmutzung immense Folgekosten mit sich.
Ein Beispiel?
Nehmen Sie China. Die Luftverschmutzung beeinträchtigt die Gesundheit, was wiederum immense Ausgaben für das Gesundheitswesen nach sich zieht. Pekings Bürgermeister hat aufgrund der starken Luftverschmutzung seine Stadt unlängst als nicht mehr lebenswert bezeichnet. Die Botschaft ist bei den Entscheidungsträgern angekommen. Es sind also rationale Überlegungen die im Vordergrund stehen. Die bereits getroffenen Maßnahmen genügen allerdings noch nicht, es müssen strengere Standards eingeführt werden und auch ökonomische Anreize geschaffen werden. Zudem müssen bei Nichtbeachtung die Bußen auch vollstreckt werden.
Ihre Grundüberzeugung übersetzen Sie in die Investmentstrategie über acht Schlüsselbereiche. Wie kommen Sie auf die?
Die Anzahl ergab sich aus der Themenfindung. Wir haben für unseren Fonds die Bereiche definiert, die wichtig sind im Transformationsprozess der Schwellenländer hin zu einem ressourceneffizienteren und sozialverträglicheren Wirtschaftsmodell. Diese Schlüsselbereiche wirken gewissermaßen als Katalysatoren für ein nachhaltigeres Wachstum. Aufgrund dieser Prüfung entwickelten wir acht relevante Schlüsselbereiche, darunter zum Beispiel Wasser, Gesundheit und Mobilität.
Warum gewichten Sie derzeit die Schlüsselbereiche „Zugang zu Finanzdienstleistungen“, „Energieversorgung und -effizienz“ und „Bildung und Digitale Innovation“ am stärksten?
Die drei genannten Bereiche verfügen jeweils über ein breites Aktienuniversum und weisen aktuell interessante Investmentchancen auf. In vielen Schwellenländern ist beispielsweise der Zugang zu klassischen Finanzdienstleistungen für große Teile der Bevölkerung schwierig. Hier gibt es Banken, die innovative Geschäftsmodelle aufweisen, und beispielsweise über Mikrokredite der Bevölkerung helfen, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Bei der Energieversorgung und -effizienz sehen wir hohes Potenzial, die häufig vorhandene Umweltbelastung mit wettbewerbsfähigen Technologien deutlich zu verringern. Und von den Themen Bildung und Digitale Innovation erwarten wir eine höhere Wertschöpfung, die fundamental wichtig für jede Volkswirtschaft ist.
Gehen Sie Top-Down an diese Sektorengewichtung heran oder ist die Positionierung Beiprodukt eines puren Bottom-up-Auswahlprozesses?
Die Schlüsselbereiche sind in der Tat aus einer Top-Down-Perspektive identifiziert. Die Portfoliozusammensetzung und die entsprechende Sektorengewichtung erfolgt ausschließlich aufgrund des Bottom-up-Auswahlprozesses.
Im Fall der Emerging Markets wird oft die bessere Wachstumsperspektive als Investment-Argument ins Feld geführt. Dabei folgt aus einem Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig eine gute Wertentwicklung des zugehörigen Aktienmarktes. Wie versuchen Sie die richtigen Aktienunternehmen zu finden, die am Ende auch performen?
Wir fokussieren uns auf Unternehmen aus den besagten Schlüsselbereiche, die langfristig attraktiv erscheinen und strukturell getriebenes Wachstum verzeichnen. Generell bestimmt daher neben der Nachhaltigkeitsanalyse die Fundamentalanalyse die Selektion für unser Fondsportfolio. Dabei sind für uns neben dem Gewinnwachstum vor allem die Profitabilität und Kapitalrenditen zentral.
Einige Beispiele aus dem aktuellen Portfolio?
Ein Beispiel ist die Bank Rakyat aus Indonesien. Sie ist Marktführer im Bereich Mikro- und Kleinkredite und verfügt über langjährige Erfahrung sowie ein bewährtes Geschäftsmodell mit hohen Eintrittsbarrieren. Die Energy Development Corporation aus den Philippinen ist erfolgreich im Bereich erneuerbare Energien. Das Unternehmen deckt bei der Geothermie rund 60 Prozent im Land ab. Die weiterhin starke Stromnachfrage im Land und vor allem verbessertes Projektmanagement führen bei der Firma zu hohem Gewinnwachstum. Und Delta Electronics aus Taiwan ist weltweit führend in Energiemanagement- und Wärmemanagementlösungen bei elektronischen Komponenten. Das Unternehmen investiert in zukunftsträchtige Geschäftsfelder, wie zum Beispiel Automation und verzeichnet ein überdurchschnittliches Profitabilitätsprofil.
Ist derzeit eigentlich der Kauf von Schwellenländer-Aktien günstig?
Im historischen Vergleich sind Schwellenländer-Aktien aktuell durchschnittlich bis leicht günstig bewertet. Aufgrund weiterhin negativer Gewinnrevisionen in den vergangenen Quartalen, politischen Umwälzungen in manchen Staaten und volatilen Rohstoffmärkten sind die Investoren nach wie vor vorsichtig.
Die globale Konjunktur ist abseits der USA derzeit kraftlos. Woher sollen die Wachstums- und Nachfrageimpulse für die Schwellenländer kommen?
Mittlerweile ist die Inlandsnachfrage zu einem wichtigen Faktor gereift – auch aufgrund der verbesserten Einkommenssituation und einer wachsenden Mittelschicht.
Kann man einzelne Länder hervorheben, die darin besonders erfolgreich sind?
Dazu eine allgemeine Ausgabe zu treffen, ist schwierig. Aktuell sind für uns aber Länder interessant, die überfällige Reformen in verschiedenen Bereichen angehen. Dazu zählen wir Indien, Indonesien oder auch China.
Die Volatilität des Swisscanto Equity Fund Green Invest Emerging Markets ist mit knapp 15 Prozent nur geringfügig niedriger als die der Benchmark mit rund 18 Prozent. Versuchen Sie die Volatilität oder andere Risiken zu managen?
Wir sind zufrieden, wenn die Volatilität niedriger als bei der Benchmark ist. Aber das ist kein primäres Ziel. Wir managen Risiken selbstverständlich sehr bewusst und gehen bei einem Wert nur ein höheres Risiko ein, wenn die Renditeaussichten entsprechend höher einzuschätzen sind. Dazu müssen wir gerade kleinere Firmen genau beobachten und das Potenzial immer wieder neu zu bewerten. Entsprechend passen zu diesem Investmentansatz Investoren mit einem Anlagehorizont von mindestens drei bis fünf Jahren, besser noch langfristiger.
Wie muss man sich das Know-how vorstellen, dass Swisscanto im Bereich Nachhaltigkeits-Kriterien besitzt?
Wir lancierten bereits 1998 den ersten nachhaltigen Fonds, so dass wir über eine lange Expertise verfügen. In der Praxis haben wir den Nachhaltigkeitsansatz selbst entwickelt und stetig weiterentwickelt. Die klassische Nachhaltigkeitsanalyse der einzelnen Aktien, die für unser Universum infrage kommen, überlassen wir dann dem spezialisierten Research von Inrate. Deren Resultate werden in unseren Auswahlprozess für das Portfolio eingebaut. Für uns ist dieser Prozess optimal, um verschiedenen Kompetenzen einfließen zu lassen.
Quelle: DAS INVESTMENT.