SJB | Korschenbroich, 04.02.2015. In den vergangenen Monaten brach der Ölpreis regelrecht ein. Überraschenderweise drosselten die Opec-Staaten ihre Fördermenge nicht – vermutlich mit Kalkül. Was ist der Plan?
Zwei Konkurrenten stehen sich derzeit auf dem geostrategischen Parkett gegenüber. Auf der einen Seite Saudi-Arabien, bisher der förderstärkste Ölproduzent der Welt, auf der anderen Seite eine Vielzahl kleinerer Fracking-Unternehmen aus den USA. Der Boom der Letzteren hat in den vergangenen drei Jahren zu einer Revolution des Energiemarkts in den USA geführt. Rund die Hälfte des amerikanischen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre, schätzen Experten, geht auf den Erfolg der Fracking-Unternehmen zurück.
Das billige Öl und Gas wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Es wurde so viel Öl gefördert, dass die US-Regierung im Sommer 2014 etwas erlaubte, das jahrzehntelang verboten war: Öl zu exportieren. Ein wahrscheinlich gewünschter Nebeneffekt der Energie-Revolution: Amerika wurde freier. Freier von den Öllieferungen aus Venezuela, aus dem Irak, aus Saudi-Arabien. Eine insgesamt positive Entwicklung für die USA.
Zuletzt haben wieder die Saudis die Zügel des Machtpokers an sich gerissen. Am 27. November des vergangenen Jahres tagte die Opec, die Organisation der führenden Erdöl exportierenden Länder. Überraschenderweise konnten sich die Mitglieder nicht auf eine Drosselung der Öl-Fördermenge einigen und beließen die Obergrenze bei rund 30 Millionen Barrel (159 Liter) Öl pro Tag. Und das, obwohl der Ölpreis zuvor in nur wenigen Monaten um über 30 Prozent von 106 auf rund 74 Dollar pro Barrel gefallen war. Seitdem fiel er um weitere 15 Prozentpunkte auf rund 55 Dollar das Barrel (Stichtag: 18. Dezember 2014). Vor allem das Opec-Mitglied Saudi-Arabien torpedierte im November einen Beschluss zur künftigen Fördermenge. Die Drosselung hätte dem Preisverfall entgegengewirkt. Doch das war – so scheint es – nicht gewollt.
Vor allem trifft die Verbilligung des Rohöls die Fracking-Industrie, zuvorderst also die kleineren US-Unternehmen. Viele Bohrlöcher könnten unwirtschaftlich werden, viele Firmen pleitegehen. Da es sich meist um kleinere Explorationsunternehmen handelt, verfügen sie in der Regel über keine größeren Finanzpolster. Dazu Abdalla Salem El-Badri, Generalsekretär der Opec: „Als Allererstes wird der Preisverfall das Schieferöl treffen. Auf dem derzeitigen Preisniveau könnte sich die amerikanische Ölförderung mittels der Fracking-Methode halbieren.“
Es scheint das Kalkül der Saudis zu sein, das Geschäftsmodell der Fracking-Fördermethode – sie ist deutlich teurer als die konventionelle Ölförderung – zu attackieren. Experten gehen davon aus, dass die weitere Erschließung von rund 400 bereits erkundeten Öl- und Gasfeldern in den USA gefährdet ist. Ebenfalls aufhorchen lässt die jüngste Preispolitik Saudi-Arabiens. Anfang November senkte das Land den Exportpreis seines Öls an die USA. Man versucht, Marktanteile im US-Ölmarkt zu behaupten. Gleichzeitig erhöhten die Saudis die Preise für europäische und asiatische Abnehmer. Es bleibt abzuwarten, ob die Saudis den Unternehmergeist der Amerikaner unterschätzen. Nicht auszuschließen ist, dass die US-Produzenten unter dem anhaltenden Margendruck Wege finden, ihre Kosten zu verringern.
Abgesehen von diesem machtpolitischen Spielchen gibt es zum Preisverfall noch anderes zu berichten. Bleibt der Ölpreis in den nächsten Monaten auf dem Niveau von rund 50 Dollar pro Barrel, würde sich die Ölrechnung der Eurozone um über 150 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr verbilligen, wie Daniel Hartmann, Volkswirt der Fondsgesellschaft Bantleon, vorrechnet. Das entspricht immerhin 0,15 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Ein mehr als ordentliches Konjunkturpaket für die Europäer. Auf die Weltwirtschaft dürfte sich der Ölpreisschock nur begrenzt auswirken, urteilen die Experten der volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank.
Der niedrige Ölpreis wirkt sich natürlich auch auf die Situation Russlands aus. Bislang wurde der Preisverfall allerdings durch den starken Einbruch des Rubels ausgeglichen. Auch hat die russische Regierung bereits einem Rückgang der Investitionen der Ölproduzenten vorgegriffen. Sie garantiert für jedes neu erschlossene Förderprojekt über einen steuerlichen Anreizmechanismus einen internen Zinsfuß von 16,3 Prozent. Daher werde die russische Ölfördermenge nicht wesentlich korrigiert, so die Experten von DB Research.
Von: Ansgar Neisius
Quelle: DAS INVESTMENT.