SJB | Korschenbroich, 09.01.2015. Null-Wachstum, Null-Zinsen, Null-Inflation – und viel Geld. Die Kapitalmärkte hängen auch 2015 am Tropf der Notenbanken. Trotzdem müssen Investoren keine Null-Runde drehen. Wo es noch Rendite gibt, und welche Fondsmanager sich behaupten können.
Ein Papagei, der tot auf dem Rücken liegt. So sieht die britische Zeitschrift „The Economist“ die Wirtschaft in Euroland. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht daneben und sagt: „Der schläft nur.“
Eine Anspielung auf einen Sketch der britischen Kult-Serie „Monty Python’s Flying Circus“, in dem der Verkäufer einer Zoohandlung seinen Kunden mit den absurdesten Begründungen davon zu überzeugen versucht, dass sich das leblose, erst vor einer halben Stunde gekaufte Tier bester Gesundheit erfreut.
Doch wie viel Leben steckt noch im Papagei Europa? „Die konjunkturelle Lage in Euroland lässt sich nur wie folgt beschreiben: Null-Wachstum, Null-Zinsen, Null-Inflation“, sagt Peter Huber, Fondsmanager und Chef der Vermögensverwaltung Starcapital.
Große Änderungen sind auch 2015 nicht zu erwarten. Die Geld-Flut ebbt nicht ab. Nie zuvor hingen die Kapitalmärkte so stark an der Politik der Notenbanken. Die Fed, Europas EZB und die Bank of Japan dürften 2015 rund eine Billion Dollar (800 Millionen Euro) in die Märkte spülen. Mehr als doppelt so viel wie 2014.
Was bedeutet das für die Börsen und vor allem für Investoren? Die klassischen Kurzfristanlagen fressen Kapital auf, anstatt es zu vermehren. Die reale Rendite, also nach Abzug der Inflation, ist aber auch in vielen länger laufenden Segmenten unattraktiv.
Für zehnjährige Bundesanleihen etwa gibt es gerade noch 0,75 Prozent Zinsen, weniger als die aktuelle Inflation von 0,8 Prozent. „Das Chance-Risiko-Verhältnis von europäischen Staatsanleihen ist nicht mehr adäquat“, sagt Huber.
Also Hände weg. Wer unbedingt Investment Grade will, sollte laut Huber bei US-Dollar-Bonds internationaler Emittenten suchen. Und wenn die Zinsen dort im kommenden Jahr steigen?
„Sowohl Investoren als auch die US-Notenbank haben keine Erfahrungen mit dem Ausstieg aus der Nullzinspolitik“, sagt Stefan Keitel, globaler Investmentchef bei Berenberg, der ältesten Privatbank Deutschlands.
Schon allein deswegen werde ein solcher Anstieg behutsam erfolgen. Keitel: „Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr, dass die Märkte überreagieren. Wir stellen uns darauf ein, dass die Volatilität im Vorfeld der ersten Zinserhöhung etwas steigt.“
Eine Zinserhöhung muss aber keinesfalls eine nachhaltige Trendwende bedeuten. „Leitzinserhöhungen treiben nicht unbedingt auch die Renditen lang laufender Anleihen nach oben“, so Philipp Vorndran, Kapitalmarkt-Stratege der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. „Wahrscheinlicher wäre bei strukturell sinkenden Wachstumsraten eine Abflachung der Zinsstrukturkurve.“
Also steigende Zinsen nur am kurzen Ende. Keitel gefallen vor diesem Hintergrund am ehesten noch Unternehmensanleihen. Der Berenberg-Stratege: „Investoren können zudem darüber nachdenken, Hochzins- und Schwellenländeranleihen beizumischen.“ Das sieht auch Huber so: „Eine Anleihe des Autobauers Fiat mit mittlerer Laufzeit etwa bringt derzeit eine Rendite von fast 4 Prozent.“
Attraktiv seien auch Papiere von Firmen, die vom fallenden Ölpreis profitieren. Huber: „Ein Kurzläufer von Hapag-Lloyd, einer der größten Container-Reedereien der Welt, bringt derzeit 6,5 Prozent.“ Die Firma sei zwar stark verschuldet, aber die Gewinnaussichten hätten sich zuletzt verbessert.
Für attraktiv hält Huber auch inflationsgeschützte Anleihen, „wenn die Inflationserwartungen weiter sinken“. Die auch als Realzinsanleihen oder Linker bezeichneten Papiere liefern eine Rendite in Höhe der Inflation plus x. Sie sind geringer verzinst, dafür berechnet sich der Zins nicht auf der Grundlage des Nennwerts von 100, sondern auf dem Nennwert multipliziert mit der Inflationsrate.
„Investoren sollten bei Firmen- oder Staatsanleihen aber unbedingt selektiv vorgehen“, so Frank Hagenstein, Chef-Anlagestratege bei der Sparkassen-Tochter Deka Investments. Die Einzeltitelrisiken nehmen zu. „Attraktive Renditen können nur erzielt werden, wenn man wenige Ausfälle hat. Breite Streuung ist in der aktuellen Niedrigzinsphase wichtiger denn je.“
Rentenfonds haben also noch eine Berechtigung? „Ja, auf jeden Fall. Vorausgesetzt, das Management verfolgt einen aktiven, opportunistischen Investmentansatz“, so Vorndran. „Vorsicht bei klassischen indexorientierten Rentenfonds“, warnt Hermann-Josef Hall, Vorstand von Sauren Fonds-Research. „Es gibt keinen Bereich, in dem es pauschal noch Rendite gibt.“
Aber natürlich gebe es immer irgendwo die eine oder andere Gelegenheit. Hall: „Fondsmanager müssen darum die entsprechende Flexibilität haben.“ Sie sollten nicht nur von den Chancen bei den Einzelwerten profitieren können, „sondern auch, wenn etwa die Zinsen steigen, die Duration managen und shorten dürfen, um nicht zwangsweise Kursverluste mitnehmen zu müssen“.
Als Beispiel für einen Fondsmanager, der die gesamte Klaviatur der Rentenmärkte spielen darf und das auch kann, nennt Hall Starcapital-Manager Huber mit seinem globalen Rentenfonds Starcapital Argos. „Der sollte aufgrund seiner Erfahrung und seiner Möglichkeiten auch schwierige Marktphasen managen können.“
Huber betreut den Fonds seit Auflegung im Dezember 2001 und hat seitdem ein Plus von 117,8 Prozent erzielt. Größte Position in seinem Portfolio (22,5 Prozent) sind derzeit Unternehmen mit BB-Rating, knapp unter Investment Grade.
Auch Ariel Bezalel, Manager des Jupiter Dynamic Bond, ist laut Hall jemand, der erfolgreich im kompletten Anleiheuniversum unterwegs ist. „Er ist auch in der Lage, die Risiken über derivative Strukturen zu managen“, so Hall.
In Großbritannien managt Bezalel bereits seit Auflegung im Juni 2008 den Jupiter Strategic Bond erfolgreich. Der seit Mai 2012 in Deutschland zugelassene Jupiter Dynamic Bond ist ein Klon. Hochverzinsliche Anleihen stellen mit 63 Prozent derzeit den größten Teil des Portfolios.
Wer einen nicht ganz so marktorientierten Fonds will, sondern lieber im Kreditbereich unterwegs sein möchte, der ist laut Hall etwa mit dem europäischen Rentenfonds Blackrock European Credit Strategies gut beraten.
Fondsmanager Michael Phelps konzentriert sich vor allem auf Ratings und weniger auf die Zinsmärkte. Hall: „Hier steht die fundamentale Analyse der Unternehmen im Vordergrund und die Frage, ob sich die Bonität verbessern oder verschlechtern wird.“
Wie in Hubers Portfolio stellen Anleihen mit BB-Rating derzeit die größte Position (26,5 Prozent). Dass die Unternehmen pleitegehen, ist angesichts des leichten Wachstums der Weltwirtschaft und des niedrigen Zinsniveaus eher unwahrscheinlich. „Die meisten Unternehmen, auch gerade im Euroraum, bemühen sich, ihre Verschuldung abzubauen“, so Huber. Seiner Meinung nach werden die Wachstumsaussichten für Europa sowieso viel zu negativ eingeschätzt.
Aktienmärkte: Besser als ihr Ruf
„Der Papagei ist hellwach und fliegt“, sagt auch Christoph Bruns, Chef der Oldenburger Fondsmanagement-Gesellschaft Loys. Man dürfe sich nicht von den allgemein schwachen Wirtschaftszahlen und dem Krisengerede täuschen lassen. Länder sind nicht gleich Unternehmen.
„Vielen Unternehmen in Deutschland und Europa geht es gut. Die sind in bester Verfassung“, so Bruns. Die Finanzierungskosten sind null. Der fallende Euro ist für exportierende Firmen sehr vorteilhaft. Und durch den Rutsch des Ölpreises sinken die Energiekosten. Da muss es schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Gewinne nicht wachsen.
Bruns sieht darum gute Einstiegskurse in Deutschland und Europa. Dass der Dax jüngst in die Tiefe rutschte, spricht für ihn nicht dagegen. Bruns: „Der Dax ist vor allem in der Hand der Amerikaner. Und die haben sich in den vergangenen Monaten wegen der schwachen Wirtschaftszahlen zurückgezogen.“ Die kommen aber auch wieder zurück, ist er überzeugt.
Wirklich? Immerhin steht der Dow-Jones-Index mit 17.800 Punkten so hoch wie noch nie. Und durchaus zu Recht. „Amerika hat mehr Kinder, hat mehr Zuzug und insgesamt eine jüngere Bevölkerung als wir in Europa“, so Bruns. Rein strukturell sei das Land dadurch schon im Vorteil. „Junge Leute brauchen mehr. Die haben noch keinen Kühlschrank, Fernseher oder was auch immer man für wichtig hält.“
Zudem gebe es weniger Umweltschutzauflagen, und die Energiekosten seien geringer. Bruns: „US-Aktien sind inzwischen allerdings auch teurer.“ Um 30 bis 40 Prozent ist der Markt überbewertet, wenn man das Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis nimmt, ein über zehn Jahre geglättetes Kurs-Gewinn-Verhältnis.
Und die Schwellenländer? „Sie gewinnen immer mehr Marktanteile und gehören mehr und mehr auf den Menüzettel von Investoren“, sagt Bruns. „Unsere Renten müssen wahrscheinlich von chinesischen und brasilianischen Unternehmen erwirtschaftet werden.“ Schwellenländer seien interessant, aber nur selektiv. „Man muss sich da gut auskennen.”
Das attraktivste Schwellenland: China
Das attraktivste Land unter den großen Bric-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China ist das bevölkerungsreichste, sagt einer, der sich auskennt: Jim O’Neill, Ökonom, Erfinder der Bric-Story und Ex-Goldman-Sachs-Banker: „China ist eindeutig in der besten Verfassung. Der Vorsprung ist enorm.“ Allerdings sei er auch sehr optimistisch, dass sich Indien unter dem neuen Premierminister Narendra Modi gut entwickle.
O’Neill: „Indien hatte nie bessere Chancen als heute.“ Brasilien und Russland entwickeln sich schon seit Längerem enttäuschend. „Beide Märkte sind, abgesehen von den politischen Schwierigkeiten, extrem abhängig von Rohstoffexporten“, so O’Neill. „Durch die Preisstürze an den Rohstoffmärkten haben sich die Probleme der Länder vergrößert und die Wachstumsaussichten verschlechtert.“
Beide müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Aber: „Wir treiben Russland derzeit in die Arme von China. Russland kann China Energie liefern und bekommt dafür moderne Infrastruktur. Das kann ein enormer Machtfaktor werden“, sagt Starcapital-Chef Huber.
Beide Märkte seien derzeit aus der Mode und durchaus niedrig bewertet. Der risikoarme Weg in die Schwellenländer ist laut Bruns der Kauf global aufgestellter deutscher Firmen. Bruns: „Die meisten haben sich sehr früh positioniert und sind sehr gut in den Schwellenländern aufgestellt.“
Wer nicht über Bande investieren möchte, sollte das am ehesten
über einen Fonds machen. Was muss ein Fondsmanager in Zeiten wie diesen mitbringen? „Wir bevorzugen Manager, die fundamentale Unternehmensanalyse mit gesundem Menschenverstand machen“, so Sauren-Vorstand Hall. „Da kann man am ehesten seine Erfolge wiederholen.“
Natürlich sollten sie auch möglichst flexibel sein. Ein Schwellenländer-Manager, auf den das zutrifft, ist laut Hall Nick Price von Fidelity, Manager des Fast Emerging Markets Fund. „Fast“ steht dabei für Fidelity Active Strategy.
Price darf mit maximal 135 Prozent des Fondsvermögens auf steigende Kurse wetten, also long gehen. Bis zu 30 Prozent sind dagegen Short-Investments. Price wurde bereits zweimal mit einem Sauren Golden Award als bester Manager in der Kategorie Schwellenländerfonds ausgezeichnet.
Für Minenaktien ist es noch zu früh
Als Europa-Manager mit gutem Händchen nennt Hall unter anderem Oliver Kelton, der den Waverton European Fund managt. Hall: „Kelton achtet sehr auf Opportunitäten und schaut sich auch Unternehmen abseits des Mainstreams an.“
Die drei größten Positionen in Keltons Portfolio sind aktuell die Danske Bank, Fresenius Medical Care und die Lloyds Banking Group. Wer mehr an die USA als an Europa glaubt, hat laut Hall mit Ed Cowart von der US-Fondsgesellschaft Eagle Asset Management einen guten Fondsmanager an der Hand. Er ist für den Nordea North American All Cap zuständig.
„Cowart kauft vor allem größere Werte, hat da aber nachhaltiges Alpha erzielt“, so Hall. Zu den drei größten Positionen zählen derzeit Apple, Applied Materials, weltgrößter Hersteller und Anbieter von Produkten und Dienstleistungen der Halbleiterindustrie, und die Pharmafirma Actavis.
Grundsätzlich gilt auch 2015: „Die Rentenmärkte sind in Staatsgewalt. Das ist Sozialismus“, so Max Otte, Fondsmanager und Wirtschaftsprofessor. Der Großteil des Portfolios sollte darum in Aktien investiert werden. Mit Volatilität müsse man leben. Die größten Risiken? „Die Spannungen mit Russland“, so Otte.
Die Lage sei so ernst wie schon lange nicht mehr. Otte: „2008 hatten wir die Finanzkrise, die haben wir erfolgreich bekämpft, aber jetzt kommen viele, viele negative real wirtschaftliche Tendenzen zusammen.“ Otte hält es deshalb durchaus für sinnvoll, den Goldanteil aufzustocken: „10 bis 20 Prozent im Portfolio schaffen Sicherheit.“ Das gebe zwar auch keine Rendite, aber Anleger könnten zumindest davon ausgehen, ihre Kaufkraft zu erhalten.
Für Minenaktien dürfte es 2015 indes noch zu früh sein. Der Goldpreis ist auf unter 1.200 Dollar pro Unze gefallen und damit unter die Förderkosten. Huber: „Goldminenaktien hat es zerfetzt. Aber wenn die Neuverschuldung der Staaten irgendwann mit Gold gedeckt wird, und davon bin ich überzeugt, werden Minenwerte massiv profitieren.“
Gold alleine in Erwartung eines steigenden Preises spekulativ hoch zu gewichten, ist jedoch auch kein kluger Ratschlag. „Gold ist eine Art Versicherung gegen die uns bekannten und unbekannten Risiken des Finanzsystems“, so Vorndran. „Anleger werden noch sehr froh sein über diese Versicherung.“ Spätestens dann, wenn der Papagei wirklich tot auf dem Rücken liegt.
Von: Astrid Lipsky
Quelle: DAS INVESTMENT.