SJB | Korschenbroich, 05.11.2014. Warum Anleihen für viele Investoren interessant bleiben, obwohl die Zeiten nicht einfacher werden, erklärt Jeremy Cunningham, Senior Portfolio-Manager Fixed Income bei AB.
Für Anleiheinvestoren werden die Zeiten nicht einfacher. In den nächsten Jahren dürften die US-Zinsen allmählich steigen; die 30-jährige Anleihehausse scheint zu Ende zu gehen.
Es gibt kaum noch Marktsegmente, die wirklich günstig bewertet sind. In nächster Zeit spricht viel für mäßige Anleiherenditen. Außerdem dürfte die Volatilität steigen – denn Konjunktur, Weltpolitik und mögliche Pandemien machen gleichermaßen Sorgen.
Dennoch bleiben Anleihen für viele Investoren interessant, um laufende Erträge zu erwirtschaften oder als Gegengewicht zu den stets schwankenden Aktien. Anleiheinvestoren sollten aber Folgendes bedenken.
Der Markt ist noch nicht über den Berg
Nach der Medianprognose der Offenmarktausschussmitglieder der Fed wird der US-Leitzins von gut 0 Prozent Ende dieses Jahres auf 1,5 Prozent Ende 2015 steigen. Für Ende 2017 werden sogar fast 4 Prozent erwartet.
Dies ist kein besonders steiler Anstieg – langsam aber stetig gehen die Zinsen nach oben. Unterdessen schlägt die EZB die entgegengesetzte Richtung ein und überlegt, wie sie die Geldpolitik weiter lockern und die Konjunktur in Europa stärken kann.
Bei der Normalisierung der Geldpolitik wird die Fed sicherlich hier und da Volatilität auslösen. Und wenn die Zinsen steigen, ist die Anleiheperformance eher mäßig, vor allem bei Papieren mit einer hohen Kreditqualität.
Einen großen Ausverkauf wie 1981 und 1994 sollten Anleger allerdings nicht befürchten. In Europa werden sich die Unternehmen auch weiterhin günstig refinanzieren können, was sowohl ihren Geschäftsaussichten als auch der Kreditqualität nützt.
Global denken und Währungsrisiken meiden
Konjunktur, Politik und Geldpolitik der führenden Industrieländer driften zurzeit immer weiter auseinander. Für Anleger bedeutet dies Chancen bei Anleihen und Währungen.
In den USA werden die Zinsen steigen. Im Euroraum und in Japan, wo das Wachstum schwächer ist, stehen die Zeichen aber weiter auf niedrige oder sogar fallende Zinsen.
Diese unterschiedlichen geldpolitischen Pfade werden unterschiedliche Ertragsmöglichkeiten an den Anleihenmärkten mit sich führen. Da diese Entwicklungen jedoch dynamisch und nicht statisch sind, macht es Sinn, sich global aufzustellen und Risiken zu streuen.
Währungspositionen können die Volatilität eines Anleiheportfolios deutlich steigern, aber auch eine zusätzliche Ertragsquelle sein. Nicht alle Währungspositionen sind gleich. Manche sorgen für zusätzliche Erträge, andere nur für mehr Volatilität.
In Anleihen mit Kreditrisiko investieren und nicht dem Herdentrieb folgen
Traditionell bieten diese Schutz gegen steigende Zinsen – denn steigende Zinsen gehen oft mit einem höheren Wirtschaftswachstum einher und damit mit besseren Geschäftsaussichten für die Emittenten.
Der Spread von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen ist heute wieder so hoch wie im Vergangenheitsdurchschnitt. Mit Unternehmensanleihen winkt nicht mehr leicht verdientes Geld: Sie bieten keinen risikolosen Gewinn, und einige Teilmärkte sind sogar teuer.
Die Risiken solcher überkauften Marktsegmente halten wir für hoch. Dies gilt beispielsweise für hochverzinsliche Bankkredite und für High Yield mit CCC-Rating.
Sinnvoller ist es aus unserer Sicht, seine Credit-Investitionen nach Marktsegmenten zu diversifizieren. Man sollte auf klassische High-Yield-Anleihen setzen, aber auch auf Emerging-Market-Anleihen und selbst auf Unternehmensanleihen mit guter Bonität.
Ein größeres Anlageuniversum kann die Diversifikation verbessern. Research und eine sorgfältige Einzeltitelauswahl können dann für attraktive laufende Erträge sorgen.
Liquiditätsrisiken steuern, ohne Chancen zu verpassen
In schwierigen Zeiten sind die Märkte oft wenig liquide. Die Spreads weniger liquider Titel schnellen in die Höhe, und ihre Kurse fallen. Die Höhe der Liquiditätsprämie hängt vom Marktumfeld ab. In schwierigen Zeiten zahlen die Investoren mehr für liquide Titel.
Umso wichtiger ist heute ein funktionierendes Liquiditätsmanagement. Es kann aber auch interessant sein, in schwierigen Zeiten gezielt Liquiditätsrisiken einzugehen.
So könnte es sich anbieten, einen Teil seines Anleiheportfolios in Fonds zu investieren, die nicht den klassischen Benchmarks folgen. Mit restriktionsfreien Strategien kann man recht gezielt von Liquiditätsprämien profitieren – und sie können zwischen verschiedenen Risiken umschichten.
Fassen wir also zusammen: Anleiheinvestoren sollten sich unserer Ansicht nach keine Sorgen wegen eines möglichen großen Ausverkaufs machen. Dennoch erscheint es sinnvoll, sein Anleiheportfolio auf eine neue Zeit vorzubereiten – auf eine Zeit, die sich von den letzten drei Jahrzehnten wesentlich unterscheiden wird.
Von: Jeremy Cunningham
Quelle: DAS INVESTMENT.