Meituan macht den ersten Unterschied. Ja, genau, der Lieferdienst, dessen Aktie zuletzt unter die Räder kam. Stehen auf den Positionen 1 und 2 bei allen drei China-Aktienfonds der Internetkonzern Tencent und der Online-Händler Alibaba – oder umgekehrt – folgt Meituan nur bei zwei Fonds auf dem 3. Platz. Und zwar bei jenen von Fidelity und Goldman Sachs (GS). Beim Konkurrenzprodukt von Schroders findet sich dort hingegen der Sportwarenhersteller Li Ning. So war es zumindest Ende Juni.
Und dieser Juni 2021 ist eben auch der Monat, der den Fidelity China Innovation (ISIN: LU0455706654), den Goldman Sachs All China Equity Portfolio (LU0404923640) und den Schroder All China Equity (LU1831875114) verbindet. In diesem Monat bestanden sie die Reifeprüfung von DAS INVESTMENT. Die ersten beiden, weil sie die magische Marke von 100 Millionen Euro Volumen knackten. Und der Schroders-Fonds, weil er drei Jahre alt wurde und (weit) über 100 Millionen Euro schwer ist. Und weil alle drei ein Morningstar-Rating von vier oder fünf Sternen ergattern konnten (wobei der Schroders-Fonds in der Datenbank von FWW leider nicht enthalten ist).
Grund genug, sich die drei einmal anzusehen.
Zunächst wirken alle drei angenehm breit, aber eben auch nicht zu breit gestreut. Bei Fidelity kommen regelmäßig zwischen 40 und 60 Aktien ins Portfolio. Bei GS sind es 50 bis 70 und bei Schroders 30 bis 60. Ebenso betonen alle drei Anbieter, dass die Portfolios einzeln nur anhand von Unternehmens- und Branchendaten nach dem sogenannten Bottom-up-Prinzip zusammengesucht sind. Dass sie trotzdem in allen möglichen Unterlagen den Vergleichsindex mit aufführen und sämtliche Über- und Untergewichtungen ausrechnen, mag man als Zugeständnis an die Kunden auslegen. Und irgendeinen Maßstab braucht man ja schließlich auch.
Was den Anlageansatz betrifft, fällt vor allem das forsche Vorgehen der Fidelity-Manager auf. Für den Fonds, der bis vergangenen Februar noch China Opportunities hieß, sind die verantwortlichen Tina Tian und Casey McLean vor allem auf Fortschritt aus. „Im Fokus der weiterentwickelten Aktienstrategie stehen innovative chinesische Unternehmen, die technologische Neuerungen hervorbringen sowie in puncto Lifestyle und Umwelttechnik zu den Innovations-Leadern zählen“, heißt es ausdrücklich. Wobei von den Unterkategorien derzeit Technik mit 51 Prozent den Schwerpunkt ausmacht. Lifestyle bringt es auf 40 Prozent und der Rest bezieht sich auf die Umwelt. Es geht um Trendthemen wie Cloud-Technik, Roboter, schlaue Städte, Blockchains, selbstständig fahrende Autos, Erneuerbare Energien und Fleischersatz. Um nur mal einige zu nennen. Wie viel Raum jedes Thema im Fonds einnimmt, resultiert daraus, wie viele gute Unternehmen die Analysten dort finden.
In erster Linie geht es darum, wie gut und wie stark ein Unternehmen auf diesen Trend-Themenfeldern mitmischt. Und wie sich das künftig auf Cashflow und Gewinne auswirkt. Was Aktienkurse betrifft, lassen die Fondsmanager zwar fünfe auch mal gerade sein, vor allem bei den langfristigen, offensichtlichen Dauerläufern. Aber sie stellen auch klar, dass sie nicht zu jedem Preis kaufen.
Dem Portfolio sieht man das alles deutlich an. Informationstechnologie macht 26 Prozent aus, das sind 17 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsindex, dem MSCI China All Share. Auch Gesundheit ist mit 22 Prozent viel stärker vertreten als im Index (10 Prozent). Weit unter Indexniveau liegen hingegen Finanzbranche (minus 12 Prozentpunkte) und Konsum allgemein.
Wie viel Zukunftsmusik dabei mitspielt zeigen die hauseigenen Prognosen. Wenn nämlich alles wie geplant läuft, wachsen die Umsätze der Portfoliounternehmen 2022 um satte 30 Prozent und die Gewinne je Aktie sogar um 34 Prozent. Im Index liegen die Werte bei viel niedrigeren 16 beziehungsweise 20 Prozent. Dafür zahlen die Macher aber auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 30 für 2022 und sogar 42 fürs laufende Jahr. Werte, die einem klassischen Value-Investor die Schuhe ausziehen würden. Aber es geht hier nun mal um die besten Aussichten für morgen.
Insofern wirken die beiden anderen Fonds stärker auf die Gegenwart bezogen. Der GS All China Equity Portfolio wartet mit einem KGV von 20 auf. Auch das ist noch nicht klassischer Value, aber etwas näher dran. Informationstechnik ist mit 9 Prozent im Portfolio deutlich geringer vertreten als bei Fidelity, dafür stellt ausgerechnet der höherwertige Konsum (Consumer Discretionary) mit 23 Prozent den größten Anteil. Auch wenn er gegenüber dem Index um 2 Prozentpunkte untergewichtet ist.
Ein erklärtes Ziel des verantwortlichen Fondsmanager Shao-Ping Guan ist es, den aktuellen Geschäftswert von Unternehmen zu ermitteln. Dazu nutzt er durchaus den klassischen Ansatz, indem er die einzelnen Teile bewertet und zusammenrechnet. Aber auch solche Mittel wie die Discounted-Cashflow-Methode, über die er die Geldströme (Cashflows) der kommenden Jahre auf ihren heutigen Wert abzinst. Dabei geht es auch darum zu erkennen, welche Umstände eben diese Geldströme beeinflussen: Kundenbindung, Umfeld, Konkurrenzverhalten, Markenstärke und, und, und … am Ende muss die Firma gesund und kräftig sein und eine rosige Zukunft haben, und der Aktienkurs muss mit Rabatt zum errechneten Wert notieren. Mit 22 Prozent pro Jahr fällt das geschätzte Gewinnwachstum je Aktie in den kommenden Jahren etwas bescheidener aus als beim Fidelity-Produkt. Dafür fällt der GS-Fonds in jene Kategorie, die man auch als „Modern Value“ bezeichnet: Aktienkurse mit Abschlag zu künftigen Gewinnen und Cashflows.
Eine dritte Variante in Bezug auf Branchen bringt indes der Schroder All China Equity mit. Hochwertiger Konsum ist dort gar zu 27 Prozent vertreten, gefolgt von Informationstechnik, die mit 18 Prozent ziemlich genau zwischen Fidelity und GS liegt. Dafür kann Schroders-Fondsmanagerin Louisa Lo eine gewisse Zuneigung zu Rohstoff-Firmen nicht ganz verbergen, die hat sie nämlich mit 16 Prozent zu fast 11 Prozentpunkten übergewichtet.
Ansatztechnisch bewegt sie sich auf ähnlichem Gebiete wie die Kollegen von Goldman Sachs. „Wir glauben, dass die zukünftige Rendite auf das eingesetzte Kapital widerspiegelt, wie attraktiv und nachhaltig das Geschäftsmodell ist. Zugleich ist sie ein Indikator für die langfristigen Renditen der Aktionäre“, erklärt Lo. Weshalb sie als Variable eine sogenannte „Shareholder Return Classification“ ermittelt, die aus eben jener Rendite aufs eingesetzte Kapital entsteht. Wenn diese Variable stark ausfällt und der Aktienkurs das noch nicht anzeigt, könnte die Aktie ein Kauf werden.
Ganz klar, dass sich auch die Schroders-Leute für solche Analysen Dinge wie Geschäftsmodelle, Umfelder, Kunden, Lieferanten, Markenstärke und Managements ansehen müssen. Denn am Ende geht es auch in ihrem Fonds darum, jedem Unternehmen einen fairen Wert zuzuordnen und ihn mit dem Kurs zu vergleichen. Und wenn dann noch ein Katalysator in der Luft liegt, der den Kurs in Richtung echten Wert hieven kann, wird die Sache noch interessanter.
Drei Ansätze, drei Branchengewichte – drei Ergebnisse. Es kann Zufall sein, dass ausgerechnet der Fonds am besten abschneidet, der Meituan nicht unter den Top 3 hat. Schließlich hat der Lieferdienst von der Regierung in Peking steigende Kosten verordnet bekommen, indem er seinen Fahrern Mindestlöhne zahlen muss. Aus sozialer Sicht betrachtet übrigens keine schlechte Idee, aber es drückt nun mal auch die Rendite.
Die Turbulenzen an Chinas Aktienmärkten in diesem Jahr haben vor allem den Fidelity-Fonds getroffen. Kein Wunder, schließlich schoss die Regierung hauptsächlich gegen Technologiefirmen, und die sind bei Fidelity am höchsten gewichtet. Andererseits ist das nur eine Momentaufnahme. Wie immer.
von Andreas Harms (Redakteur)