SJB | Korschenbroich, 19.08.2014. Weltweit in unterbewertete Aktien zu investieren ist die Kernphilosophie des Templeton Growth Funds. Und zu warten, bis sich das wahre Potenzial dieser Titel zeigt. Fondsmanager Norman Boersma erläutert, wie der Ansatz funktioniert und warum sich im aktuellen Umfeld für diese Strategie viele Chancen ergeben.
DAS INVESTMENT.com: Alle Welt sucht fieberhaft nach Ansätzen, mit denen Risiken besser beherrschbar sind. Sie auch?
Norman Boersma: Wir sind offen, Strategien zu analysieren, die helfen, die Volatilität zu reduzieren. Aber es gibt dabei immer ein Problem: Ein Portfolio abzusichern ist wie eine Versicherung. Und dies bekommt man nicht umsonst, was zulasten der Rendite geht. Wir gehen jedenfalls nicht davon aus, dass ein abgesichertes Portfolio auf lange Sicht den gleichen Ertrag bringt wie ein traditionelles Aktienprodukt ohne Absicherung.
Wie sieht Ihr Risikomanagement aus?
Risikomanagement ist ein inhärenter Bestandteil unseres Investmentprozesses, der auf zwei Grundsätzen basiert. Zum einen suchen wir Aktien, die mit großem Abschlag zu ihrem fairen Wert gehandelt werden. Zum anderen investieren wir weltweit, wodurch sich ein breit gestreutes Portfolio ergibt.
Wie gehen Sie bei der Titelauswahl vor?
Wir haben ein weltweit verteiltes Team von 39 Analysten, die die besten Aktien-Ideen herausfiltern. Das Management des Fonds entscheidet dann, was davon für das Portfolio infrage kommt. Konkret suchen wir Titel, bei denen wir Chancen sehen, dass ihr Potenzial über einen Zeitraum von fünf Jahren zutage tritt.
Geben Sie ein Beispiel?
Der Biotech-Konzern Amgen galt bis etwa 2007 als klassischer Wachstumswert. Das Unternehmen hatte umsatzstarke Biotech-Präparate am Markt, die noch Patentschutz hatten. Doch in dieser Zeit begann sich die Firma zu wandeln. Die Dynamik bei den Umsatz- und Gewinnzuwächsen ging zurück. Da Amgen von den meisten aber als Wachstumswert gesehen wurde, waren die Anleger enttäuscht. Der Aktienkurs verharrte längere Zeit auf einem niedrigen Niveau von rund 40 Dollar.
Warum hatten nicht auch andere die Value-Story erkannt?
Zwar war das Kurs-Gewinn-Verhältnis einstellig, das Unternehmen hatte viel Cash und neue Produkte in der Pipeline. Das Problem aber war, dass das Management nicht sehr aktionärsfreundlich war. An Ausschüttungen an Aktionäre hatte es kein Interesse.
Wir waren natürlich nicht die Einzigen, die das Value-Potenzial der Aktie sahen. Einige Value-Investoren begannen mit dem Management zu sprechen, und so wurde es im Lauf der Zeit aktionärsfreundlicher. Seit 2011 begann die Aktie dann auch wieder zu steigen. Heute steht sie bei 120 Dollar.
Aber es brauchte Geduld …
Ja. Wir analysieren die Unternehmen und ihr Potenzial sehr genau, und dann braucht es in der Tat viel Geduld, was vielleicht das Schwierigste ist. Aber es zahlt sich immer wieder aus.
Finden Sie denn angesichts gut gelaufener Aktienmärkte noch Gelegenheiten?
Die Preise am Markt sind noch nicht zu hoch. Die Bewertungen entsprechen derzeit dem typischen Stand in der Mitte eines Aktienmarktzyklus. Das heißt, wir sehen für die weitere Entwicklung noch Luft nach oben. Allerdings sollten Anleger auch davon ausgehen, dass die Durchschnittsrenditen der kommenden fünf Jahre am Aktienmarkt unter denen der vergangenen fünf Jahre liegen werden. Dennoch ist das Umfeld für uns günstig.
Warum?
Die konjunkturelle Erholung ist nach wie vor holprig. In der Eurozone ist sie schwach, aber auch China und selbst die USA, wo die Wirtschaft zuletzt unter dem strengen Winter litt, haben immer wieder Probleme. Die Anleger machen sich deshalb Sorgen um die Gewinnentwicklung der Unternehmen in diesem Jahr. Dort, wo es Schwierigkeiten gibt, treiben die Anleger die Kurse nach unten. Und da ergeben sich für uns mit unserem wertorientierten Ansatz Chancen.
Ist das ein Grund, warum Frankreich in Ihrem Portfolio zweitgrößte Position ist?
Das Land hat immense politische Probleme, und das drückt auch auf die Aktienmärkte. Aber gibt es dort sehr viele global tätige und sehr erfolgreiche Unternehmen. Was in Frankreich vor sich geht, ist für deren operatives Geschäft in der Tat zweitrangig. Deshalb finden wir dort viele attraktiv bewertete Value-Aktien. Aber auch in den Emerging Markets ergeben sich nach dem Ausverkauf viele Chancen.
Norman J. Boersma verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche. Er ist seit 2010 Lead-Fondsmanager des Templeton Growth Fund, des Flaggschiff-Fonds von Franklin Templeton. Boersma kam 1991 zu Templeton, 1993 wurde er leitender Portfoliomanager für einige Spezialfonds. Davor arbeitete er als Investment Officer für den Ontario Hydro Pension Fund. Boersma hat einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaft und Politologie von der York University in Toronto, einen MBA der University of Toronto und ist Chartered Financial Analyst.
Von: Gerd Hübner
Quelle: DAS INVESTMENT.