„Leben wir in einer verkehrten Welt?“, fragt Nermin Aliti. Ende 2015 hob die US-Zentralbank Fed die Zinsen an, doch die übliche Reaktion blieb aus: Der Dollar wertete nicht auf, sondern ab. Die Gründe dafür nennt der Investment Manager der Laureus Privat Finanz.
Viele Analysten sahen bereits die Parität zwischen Euro und Dollar am Horizont, aber der Euro stieg in den letzten fünf Monaten unbeirrt auf bis zu 1,15 Dollar an.
Alte Mechanismen
Da stellt sich zurecht die Frage: Haben die Notenbanken durch die jahrelange Nullzinspolitik und Quantitative-Easing-Programme überzogen und funktionieren die gewohnten Marktmechanismen nicht mehr? Was ist aus dem typischen Szenario geworden, bei dem eine Währung nach einer Leitzinserhöhung aufwertet? Des Rätsels Lösung liegt in einer simplen Feststellung: Man darf die Fakten nicht isoliert betrachten, sondern muss mehr denn je den großen Zusammenhang im Auge behalten.
Ein Blick auf die Fakten hilft: Die wirtschaftliche Lage in den USA ist durchaus positiv – dank eines stabilen Arbeitsmarktes, einer Kerninflation von über zwei Prozent und einem erwarteten Wirtschaftswachstum von zwei Prozent geben die USA aktuell ein gesundes Bild ab. Der Fokus der Fed liegt also darauf, die Zinsen eher anzuheben und die Inflation im Auge zu behalten, als sich um die Konjunktur zu kümmern.
Fakten und Erwartungen
Die Zinserhöhung wurde vom Markt auch allgemein erwartet, allerdings hatten die Mitglieder der Fed gleich vier weitere Zinserhöhungen für 2016 prognostiziert, was wiederum im Markt auch teilweise eingepreist war. Nach einem der schlechtesten Börstenstarts in der Geschichte, ruderte die Fed allerdings wieder zurück und verkündete, dass nur noch zwei Zinserhöhungen für 2016 wahrscheinlich sind.
Diese Halbierung der Zinsschritte wurde vom Markt als „expansive Geldpolitik“ gewertet, weil die Zinsen zwar nicht gesenkt, aber langsamer angehoben werden als Anfang des Jahres erwartet. Eine solche Kombination aus enttäuschten Erwartungen und geänderten Fakten sorgt dafür, dass der Dollar trotz Zinserhöhung der Fed im Dezember 2015 abgewertet hat.
Insgesamt aber gilt: Die Mechanismen der Notenbanken sind noch intakt. Der Markt hat lediglich auf die Reduzierung der Zinsschritte reagiert. Im Zusammenspiel der Entwicklungen der letzten Monate macht das Szenario, das wir gerade erleben, damit durchaus Sinn.
Wie geht es weiter?
Anleger sollten nicht vergessen, dass die Dollarabwertung nur kurz- bis mittelfristig wirken wird. Sollte sich die Geldpolitik der Fed weiter von der der EZB und der Bank of Japan entfernen, dürfte der Dollar wieder an Stärke gewinnen.
Von: Nermin Aliti
Quelle: DAS INVESTMENT.