Das Investment: „Bei Multi-Asset-Fonds gibt es ein interessantes Phänomen“

sjb_werbung_das_investment_300_200SJB | Korschenbroich, 06.05.2016. Anleger-Sentiment, Brexit-Szenarien, Aktienquoten und Branchenregulierung: Acht Experten diskutierten mit DAS INVESTMENT in Frankfurt zum Thema Risikomanagement Weitere Interviews, Produkt-Porträts und Videos zum Thema „Sicherheit 2.0 – Risikomanagement in der neuen Realität: Mehr Stabilität und bessere Performance“ präsentieren wir Ihnen in einem Multimedia-Special

Teilnehmer des Roundtables:

Oliver Gaedke ist Vorstand bei YouGov Deutschland. YouGov ist ein an der Londoner Börse notiertes internationales Marktforschungs- und Beratungsinstitut.

Martin Hellmich hat seit September 2012 die Karl Friedrich Hagenmüller Professur für Financial Risk Management an der Frankfurt School of Finance & Management inne.

Ufuk Boydak, CFA, ist Vorstand und Teilhaber der Loys AG, der er seit 2009 angehört. Er managt mehrere Fonds der Investmentboutique.

Ulrich Reitz ist Chief Investment Officer beim Frankfurter Multi Family Office Focam.

Martin Lück ist promovierter Volkswirt und Leiter Kapitalmarktstrategie Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Alexander Tavernaro, CFA, ist Mitglied des Portfolio Management Teams von Invesco Quantitative Strategies.

Andreas Schmidt-von Rhein ist Leiter Risikomanagement und Mitglied der Geschäftsleitung in der Fereal AG , in der die Alternative-Investment-Aktivitäten der Feri-Gruppe gebündelt sind.

Charlotte Klinnert ist Bank- und Diplomkauffrau, zertifizierte Börsenhändlerin und Wertapieranalystin. Sie ist Vorstand für Kapitalanlagen bei der Pensionskasse vom Deutschen Roten Kreuz.
DAS INVESTMENT: Gern würde ich das Thema Multi Asset noch vertiefen. Der Ansatz klingt in der Theorie gut, in der Praxis zeigt sich: Nicht alle Konzepte schaffen hier Mehrwerte.

Martin Lück: Zunächst einmal ist Multi Asset ja nichts Neues. Früher hieß das gemischte Fonds. Und dass auch die Multi-Asset-Produkte nur so gut sind wie die Fonds-manager und die Produkte, die in den Fondslösungen enthalten sind, ist auch klar. Als Erstes muss ich den Anleger verorten: Mit dem klassischen Dreieck aus Liquidität, Rendite und Risiko. Dies vorausgesetzt, ist Multi Asset ein geeignetes Produkt für den Retailbereich, weil es die Möglichkeit bietet, in einem Fondsmantel Umschichtungen vorzunehmen, ohne dass der Anleger aktiv werden muss. Er vertraut dies dem Fondsmanagement an. Zum Beispiel über Core-Satellite-Strategien: Der Kern ist dabei eine Multi-Asset-Lösung, die Satelliten sind individuelle Lösungen, die das Anlegerverhalten präzise abbilden können.

Charlotte Klinnert: Aber das Stichwort ist hier das Managerrisiko. Ich versuche, Marktrisiken abzugeben, und gehe dafür aber Manager-risiken ein – und diese sind natürlich ganz schwer zu prognostizieren.

Alexander Tavernaro: Bei Multi-Asset-Fonds gibt es zudem ein interessantes Phänomen. Die Korrelation der Manager zueinander war viele Jahre sehr niedrig, ist aber in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Das heißt: Über mehrere Manager zu streuen, die im Markt aktiv sind, hat keinen zusätzlichen Diversifikationseffekt mehr. Das gilt jedenfalls für die großen Namen.

Ulrich Reitz: Allerdings stehen heute deutlich mehr Strategien zur Verfügung. Früher war das Hauptdiversifikationskriterium, wie der Aktien- und Anleihen-Anteil im Portfolio gesteuert wird. Das funktioniert nur noch bedingt. Mittlerweile bekommt man sogar am unteren Ende der Investment-Grade-Skala so gut wie keine Rendite mehr. Also investierten viele Anleger in den High-Yield-Bereich. Anschließend wunderte sich mancher, dass nicht nur die Aktienmärkte, sondern parallel auch die High-Yield-Märkte unter Druck geraten können. Häufig steigt die Volatilität von Einzelwerten in derartigen Phasen noch stärker als die des Gesamtmarkts. Hier nutzen wir eine Strategie, die von diesem Phänomen profitiert. So kann man auch in einer Drawdown-Phase ein negativ korreliertes, diversifizierendes Element beifügen.

Doch je unübersichtlicher der Markt, desto größere Anforderungen stellen sich auch für Finanzberater.

Oliver Gaedeke: Auf jeden Fall. Unsere Umfragen belegen: Eine gute Beratung ist Kunden wichtig. Der Berater muss selbstredend ein gutes Verständnis von den Produkten haben. Multi-Asset-Fonds sind eine Möglichkeit, das Grundbedürfnis der Deutschen nach nicht zu viel Risiko zu bedienen – und zusätzlich bieten sie eine Flexibilität, die auch den Vermittler entlastet, der sich nicht ständig um einzelne Titel oder Fonds kümmern muss.

Andreas Schmidt-von Rhein: Und wir sollten an dieser Stelle einen weiteren Aspekt einbeziehen. Der Multi-Asset-Gedanke hat ja noch Erweiterungsringe erfahren in verschiedenen Dimensionen. Hier sind zum Beispiel Rohstoffe zu nennen, oder auch Sachwerte – also illiquide Investments. Dort liegt die eigentliche Herausforderung, denn die Finanzindustrie ist noch mitten im Prozess zu verstehen, wie wir illiquide mit liquiden Komponenten im Rahmen einer strategischen und taktischen Asset Allocation systematisch verknüpfen und steuern können.

Aber was ist, wenn man im Fondsmanagement ausschließlich auf liquide Investments zurückgreifen muss: Kommen Sie da ins Hintertreffen, Herr Tavernaro?

Tavernaro: Nein. Viele unserer Kunden wollen ihre Performance mit einer gewissen Wertsicherung versehen. Mit illiquiden Assets lässt sich das nicht umsetzen. Wenn man sich weniger offen anderen Assetklassen gegenüber zeigt, mag das also erst wie eine Einschränkung aussehen, ist aber bezogen auf das realisierte Ergebnis und auf die Zuverlässigkeit, wie ich eine Wertuntergrenze managen kann, kein Nachteil.
Boydak: Wir haben uns schon im Jahr 2011 dazu entschlossen, einen Long-short-Fonds aufzulegen. Damit versuchen wir eine gewisse Marktneutralität zu erreichen, indem wir in bestimmte Aktien long investiert sind, andererseits aber den Index shorten, um das Beta herauszunehmen. So sind die Volatilität und das Drawdown-Potenzial im Portfolio niedriger.

Auch Absolute-Return-Ansätze stellen in Aussicht, unabhängig vom Markt Erträge erwirtschaften zu können. Das weckt eine Menge Hoffnungen. Sind die berechtigt?

Lück: Dass sich das Augenmerk zurzeit stärker auf Absolute Returns als auf relative Performance richtet, hat viel mit dem Niedrigzinsumfeld zu tun. Wenn man für eine sichere Anlage einen bestimmten positiven Zins erwirtschaften kann, ist es selbstverständlich, dass sich jede andere Anlage dagegen benchmarken muss. Wenn ich aber davon ausgehe, dass das eigentliche Risiko für den Anleger nicht mehr darin besteht, weniger zu bekommen als die Benchmark, sondern darin, alles verlieren zu können, rückt plötzlich der Absolute Return in den Fokus. Das ist eine relativ natürliche Entwicklung.

Schmidt-von Rhein: Wobei unter Absolute Return oder auch Total Return jeder etwas anderes versteht. Wir haben bereits 2011 beim BVI einen Vorschlag gemacht, wie man die Begrifflichkeiten schärfen kann. In beiden Fällen geht es darum, positive Renditen zu erzielen. Bei Absolute-Return-Strategien will ich auf eine bestimmte regelmäßige Zeitperiode positive Renditen erzielen, indem ich Investmentstrategien verfolge, die kein strategisches Beta enthalten: etwa Long-short- oder marktneutrale Strategien. Benchmarks können hier also nicht über Marktindizes definiert werden. Total Return arbeitet mit dynamischen Betas: also in der Regel Wertsicherungsstrategien mit Risikobudgets.

Reitz: Die Situation wird auch dadurch geprägt, dass wir in der Euro-Zone gegenwärtig keine Inflation haben. Früher waren viele Anleger froh, wenn sie auf dem Spar-buch 2,5 Prozent oder mit einer Bundes-obligation 3,5 Prozent Verzinsung bekamen, aber vielleicht lag in dieser Phase die Inflationsrate auch bei 4 Prozent. Der Privatanleger hat im Wesentlichen die nominale Rendite vor Augen und sieht, dass er keine Zinsen mehr bekommt. Vergessen wird häufig, dass wir momentan gemessen am Warenkorb eben auch keine Geldentwertung haben. Das sieht man privat wahrscheinlich anders, wenn man ins Restaurant geht oder zum Friseur, aber insgesamt sind die Preise aktuell stabil.

Tavernaro: Die Finanzkompetenz ist meines Erachtens in den zurückliegenden Jahren nicht nennenswert gestiegen. Auch nicht durch das Internet, durch Informationsblätter oder Ähnliches. Viele Anleger haben einfach keine Lust, das alles durchzulesen, oder die Informationen werden relativ flüchtig mit beigepackt. So zweifle ich schon daran, ob ein großer Bildungsrun bei Finanzprodukten entsteht. Um Glaub-würdigkeit herzustellen, ist es im Gegenzug wichtig, dass die Branche in ihren Definitionen klar ist. Das darf nicht vom Marketing allein bestimmt werden.

Ufuk Boydak: Gerade im Publikumsbereich zeigt sich hier aber Bedenkliches. Das Multi-Asset-Thema hatten wir schon, aktuell schießt von allen Seiten das Thema Absolute Return aus den vertriebsgetriebenen Gesellschaften hoch. Hintergrund ist, dass die Ergebnisse der großen Mischfonds zu-letzt eher schwächer ausfielen und die zukünftige Gemengelage auch nicht viel rosiger aussieht. Also hat jede große Bank jetzt einen Absolute-Return-Fonds im An-gebot – Hauptsache volatilitätsarm.

Von: Markus Deselaers

Quelle: DAS INVESTMENT.

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