In den kommenden zehn Jahren wird in Deutschland mehr Vermögen vererbt als je zuvor. Immobilien spielen dabei eine immer größere Rolle. Was beim Vererben und Verschenken von Villa, Wohnung, Ein- oder Mehrfamilienhaus beachtet werden muss, das erklärt Erb- und Stiftungsmanager Jörg Plesse.
In knapp der Hälfte aller Nachlässe werden in den kommenden Jahren Häuser, Wohnungen oder Grundstücke enthalten sein. Doch nur wenige Eigentümer machen sich Gedanken, wie sie ihr Immobilienvermögen am besten an die nächste Generation weitergeben.
Dabei ist es bei Haus und Hof besonders wichtig, rechtzeitig für Transparenz und eine klare Aufteilung des Nachlasses zu sorgen. Denn Immobilien stellen in der Regel einen großen Teil des Erbes. Und sowohl der aktuelle Eigentümer als auch seine Erben beurteilen den Wert des Betonvermögens meist nicht realistisch. Er kann ohnehin nur geschätzt werden.
Vor einer besonderen Herausforderung steht der spätere Erblasser, wenn er sein Vermögen gerecht auf eine Vielzahl künftiger Erben verteilen möchte. Ein Beispiel: Ein verheirateter Mann mit drei Töchtern aus einer vorherigen Beziehung besitzt 1,5 Millionen Euro Geld- und Wertpapiervermögen, ein selbst genutztes Einfamilienhaus im Hamburger Stadtteil Blankenese und eine vermietete Eigentumswohnung im Hamburger Schanzenviertel. Obwohl das Vermögen nicht komplex ist, steckt die Tücke im Detail: Regelt er nichts, greift die gesetzliche Erbfolge, und es entsteht eine Erbengemeinschaft, an der die Witwe und die Töchter beteiligt sind. Die Witwe kann nun nicht mehr allein über das von ihr bewohnte Haus bestimmen. Alle wichtigen Entscheidungen müssen einvernehmlich getroffen werden. Das führt schnell zum Streit.
Können sich die Erben aber nicht auf einen Auseinandersetzungsplan einigen, der regelt, wer was bekommt, so haben alle das Recht, jederzeit im Alleingang die Auseinandersetzung des Nachlasses zu verlangen. Passiert das, kommt es zu der von vielen gefürchteten Teilungsversteigerung. Solche Situationen sollten darum frühzeitig verhindert werden.
Zusammen mit einem Estate Planner, Rechtsanwalt, Notar und einem Steuerberater sollte sich der Vermögensinhaber rechtzeitig über einige wichtige Fragen Gedanken machen, darunter:
• Soll seine Frau auch nach seinem Tod im Einfamilienhaus wohnen und dieses nutzen können?
• Sollen einzelne Immobilien oder alle an bestimmte Personen fallen?
• Sollen sich diejenigen, die Immobilien erhalten, diese auf ihre Erbquote anrechnen lassen?
• Wer soll Erbe und wer Vermächtnisnehmer werden?
• Was sind die Immobilien realistisch wert, und wie ist die Relation zum sonstigen Vermögen?
Eine klare Zuweisung der Immobilien ist dringend zu empfehlen. Falls die Frau das Einfamilienhaus weiter nutzen soll, muss dieses aber nicht zwingend an sie vererbt werden. Auch ein lebenslanges Wohnrecht oder Nießbrauchrecht kommt infrage. Die selbst genutzte Immobilie kann sogar steuerfrei an den Ehepartner oder die Kinder vererbt werden, wenn der Erbe die Immobilie nach dem Erbfall noch zehn Jahre als Hauptwohnsitz nutzt. Ein Verstoß führt allerdings rückwirkend zum Wegfall der Steuerbefreiung. Deshalb ist dies weniger attraktiv, als wenn die Immobilie zu Lebzeiten an den Ehepartner übertragen wird.
An Kinder dürfen zudem nicht mehr als 200 Quadratmeter Wohnfläche steuerfrei vererbt werden. Wer die Immobilien auch über Generationen in der Familie halten will, kann seine Kinder als Vorerben oder Vorvermächtnisnehmer und die Enkel als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer einsetzen. Der Vorerbe kann dann allerdings nicht frei über das ererbte Vermögen verfügen, sondern nur über die Erträge. Doch der Erblasser kann den Vorerben auch von einem Großteil der Beschränkungen befreien. Allerdings sollte man bereits zu Lebzeiten mit seinen Erben klären, ob diese die Immobilien überhaupt haben wollen. Häufig wünscht sich nur der aktuelle Eigentümer, dass die Häuser im Besitz der Familie bleiben. Fast die Hälfte aller Erben verkauft sie jedoch. In vielen Fällen ist bereits eine Übertragung der Immobilien zu Lebzeiten sinnvoll. Sofern frühzeitig mit dem Schenken begonnen wird, kann der persönliche Freibetrag für Schenkungen und Erbschaften, der sich alle zehn Jahre erneuert, mehrfach genutzt werden. Gerade bei großen Vermögen spart man dadurch in erheblichem Umfang Erbschaftsteuer. Interessant kann auch eine Schenkung vermieteter Immobilien mit Nießbrauchvorbehalt sein.
Die Vorteile: Einerseits kann das Vermögen frühzeitig und damit steuerlich sinnvoll an die nächste Generation übertragen werden. Andererseits behält der Schenker aber die Erträge zur Absicherung seiner Versorgung und Einfluss auf die Immobilie. Auch künftige Wertsteigerungen fallen gleich bei der nächsten Generation an und erhöhen nicht den Wert des späteren Nachlasses. Außerdem mindert der Nießbrauch den Schenkungsteuerwert, denn sein Kapitalwert wird bei der Berechnung abgezogen. Im Vertrag sollte jedoch genau geregelt werden, welche Rechte und Pflichten sowie Kosten der Nießbrauchnehmer beziehungsweise der Eigentümer zu tragen hat. Und Vorsicht: Bei der Schenkung mit Nießbrauch beginnt die zehnjährige Pflichtteilsergänzungsfrist nicht zu laufen. Das heißt, diese Schenkungen sind nach dem Tod des Schenkers bei der Pflichtteilsberechnung in Form von Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu berücksichtigen.
Auch die Sonderregelungen für das sogenannte Familienwohnheim, also die eheliche Wohnung, bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten: So kann man seinem Ehepartner die eheliche Hauptwohnung zu Lebzeiten ohne jede Beschränkung steuerfrei und ohne Anrechnung auf die Erbschaftssteuerfreibeträge schenken. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Eigentumswohnung in Köln-Kalk oder eine Villa in Hamburg-Blankenese handelt. Es gibt keine Wert- oder Objektgrenze.
Bei der Übertragung sollte man sich jedoch im Schenkungsvertrag unbedingt gegen ehebedingte Risiken absichern und ein Rückforderungsrecht für den Fall der Scheidung oder des Getrenntlebens vereinbaren. Bei großen Vermögen eignet sich ein Familienpool oder eine Familiengesellschaft. Dabei bringen die künftigen Erblasser Teile ihres Vermögens in eine Familiengesellschaft ein und übertragen dann Gesellschaftsanteile statt Vermögensgegenstände. Durch die richtige Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags kann unter anderem sichergestellt werden, dass die Eltern die Geschäftsführung und Kontrolle behalten und die Kinder ihre Gesellschaftsanteile nicht frei verkaufen, übertragen oder vererben können.Bei Schenkungen sollte grundsätzlich die Absicherung des Schenkers im Vordergrund stehen. Wichtig ist, dass ausreichendes Vermögen zurückbehalten wird. Ein notariell beurkundeter Schenkungs- beziehungsweise Übergabevertrag zwischen den beiden Parteien ist unerlässlich. Darin sollte unter anderem geregelt werden: Die Anrechnung der Schenkung auf einen späteren Pflichtteilsanspruch, denn eine entsprechende Anordnung im Testament reicht nicht aus. Die Stellung des Ehepartners des Beschenkten: Im Vertrag kann vereinbart werden, dass der Beschenkte mit seinem Ehepartner einen Ehevertrag schließen muss, der regelt, dass die geschenkte Immobilie von der Berechnung eines Zugewinns ausgenommen ist.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Beschenkte mit seinem Ehepartner einen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht vereinbaren muss, wodurch die Immobilie bei einem eventuellen späteren Pflichtteilsanspruch außen vor bleibt. Besonders wichtig ist zudem die Vereinbarung von Rückübertragungsrechten. So kann der Schenker auch nach der Schenkung die Immobilie oder Teile davon zurückfordern. Der Schenker kann sich unter anderem für die folgenden Fälle ein Rückübertragungsrecht vorbehalten:
• Veräußerung oder Belastung des übergebenen Vermögens ohne Zustimmung des Schenkers
• Vorversterben des Erwerbers (ohne dass Vermögen auf Abkömmlinge übergeht)
• Scheidung des Erwerbers
• Insolvenz oder Eintritt eines Hartz-IV-Falls beim Erwerber
• Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Erwerbers
• Verstoß gegen die Verpflichtungen zum Abschluss eines Ehevertrags
• Verstoß gegen die Verpflichtungen zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags
• Der Beschenkte wird geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, oder für ihn wird ein Betreuer bestellt
• Für den Fall, dass sich die steuerliche Situation anders darstellt als gedacht
• Auch ein freies Rückübertragungsrecht ist möglich.
Die Rückübertragungsrechte können auch so ausgestaltet sein, dass sie nach dem Tod des Schenkers einer beliebigen dritten Person zustehen, beispielsweise dem Ehegatten. Und auch eine Weiterleitungsklausel kann vereinbart werden, die vorsieht, dass die Immobilie beispielsweise im Todesfall des Beschenkten an eine bestimmte Person weitergeleitet wird.
Solche Klauseln gilt es natürlich abzusichern. Das könnte durch die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch (zumindest aber deren Bewilligung) erfolgen. Ein Rückübertragungsrecht hat zudem steuerliche Vorteile: Schenkt der Vater seinem Sohn eine Immobilie und erbt sie dann zurück, weil sein Sohn stirbt, würde grundsätzlich zweimal Steuer anfallen: einmal bei der Schenkung und einmal bei der Erbschaft. Bekommt der Vater die Immobilie aber aufgrund eines Rückübertragungsrechts zurück, fällt nicht nur keine Erbschaftsteuer an.
Er bekommt auch die vorher gezahlte Schenkungsteuer vom Finanzamt zurück, weil die Schenkung rückgängig gemacht wird. Im Schenkungs- oder Übergabevertrag kann sich der Übergeber auch Vorbehalte oder Gegenleistungen
sichern.
Interessant sind vor allem:
• Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch
• Wohnrecht/Mitbenutzungsrecht
• Versorgungsleistung/Rente: Dabei sollte auch eine Wertsicherungsklausel berücksichtigt werden
• Herauszahlungen/Schuldübernahmen
• Pflegeverpflichtung
• Altenteil bei Bauernhöfen
• Ausgleichszahlungen/Gleichstellungsgelder gegebenenfalls in Verbindung mit gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzichten anderer Erben. Auch solche Vorbehalte oder Gegenleistungen sollte man absichern, beispielsweise durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Erwerbers hinsichtlich der Zahlungen oder der Eintragung eines Nießbrauchs, eines Wohnrechts, einer Reallast oder aber einer frei valutierbaren Grundschuld im Grundbuch.
Auch diese Rechte können nach dem Tod des Schenkers einer beliebigen dritten Person zustehen, beispielsweise als ein aufschiebend bedingtes Recht, ein sogenannter Zuwendungsnießbrauch an den Ehegatten. Oder sie können von Anfang an zugunsten mehrerer vereinbart werden.
Zum Autor: Jörg Plesse (49) ist Erb- und Stiftungsmanager (Estate Planner) sowie Unternehmerberater mit rund 20 Jahren Berufspraxis. Aufgrund seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken hat er langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Er ist freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor.
Jörg Plesse
Quelle: Die Immobilie