SJB | Korschenbroich, 09.10.2014. Auf der Zinsseite hat die EZB alles getan, um die Banken und die Staaten zu entlasten. Welche Möglichkeiten hat sie jetzt noch? Und was bedeutet es für die Anleger, wenn sie keine Zinsen auf ihre Ersparnisse mehr bekommen, erläutert Wolfgang Juds vom Credo Vermögensmanagement.
Draghi hat „geliefert“…
Mit der jüngsten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das Rekordtief von 0,05 Prozent hat die EZB ihr Pulver auf der Zinsseite verschossen. Da sich die Zinsen gerade einmal hauchdünn über der „Nulllinie“ befinden, gibt es für weitere Senkungen keinen Spielraum mehr.
Warum sollten Anleger ihr Geld noch auf einem Tagesgeldkonto oder einem Sparbuch lassen, wenn sie noch dafür bezahlen müssen? Deshalb hat die EZB zusätzliche Maßnahmen beschlossen.
Um die Kreditvergabe in den südeuropäischen Ländern anzukurbeln, sollen ab Oktober Pfandbriefe und Verbriefungspapiere, die zum Beispiel mit Unternehmenskrediten von Banken unterlegt sind, angekauft werden.
Außerdem stemmt sich die EZB mit Macht gegen einen Preisverfall in der Eurozone. Verhältnisse wie in Japan möchte EZB-Chef Mario Draghi um jeden Preis verhindern. Der wirtschaftliche Effekt dieser Ankäufe dürfte für die Banken jedoch äußerst gering sein.
Schließlich ist der Markt für diese ABS-Papiere in Europa sehr klein. Darüber hinaus müssen die Qualitätsanforderungen der EZB eingehalten werden. Ob sich mit der Ausweitung der Geldmenge eine Steigerung der Inflationsrate auf die Zielgröße von 2 Prozent erreichen lässt, ist ohnehin zweifelhaft.
… die Politik hat Zeit gewonnen…
Mit dem „whatever it takes“ von EZB-Chef Draghi hat die Eurozone vor allem Zeit gewonnen, welche die Politiker nutzen sollten. Die Investoren wurden beruhigt und die Zinskosten für die Banken und die Staaten konnten drastisch gesenkt werden.
Aber für die Lösung der Probleme bedarf es vielmehr tiefgreifender Strukturmaßnahmen wie zum Beispiel ein einheitliches Steuersystem, mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt und ein Abbau der Bürokratie, um Investitionen in der Eurozone zu fördern.
Es betrifft nicht nur Frankreich und Italien, sondern auch in Deutschland ließe sich noch einiges bewegen. Außerdem müssen langfristig die Staatsschulden abgebaut werden, um die politische Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Sollten die Maßnahmen nicht greifen und würde die Eurozone in eine Rezession abgleiten, könnte die EZB sich dazu veranlasst sehen, zusätzlich Staatsanleihen aufzukaufen.
Das könnte einen „Dammbruch“ in der Geldpolitik bedeuten, denn mit dem Ankauf von Staatsanleihen könnte eine gemeinsame Haftung der Eurozone über die EZB-Bilanz verknüpft sein.
Niemand kann den Umfang und das Ausmaß der Risiken für diesen Fall abschätzen, den jedes einzelne Land zu tragen hat. Die Finanzrisiken würden „vergemeinschaftet“ werden, ohne dass die Parlamente der einzelnen Mitgliedsstaaten zugestimmt haben.
Die Aufgabe der EZB ist es, die Geldwertstabilität des Euro sicherzustellen. Mit den nunmehr geplanten Maßnahmen dehnt die EZB ihr Mandat sehr weit aus. Der Appell geht an die Politik, endlich die erforderlichen Strukturreformen einzuleiten und sich nicht auf den positiven Effekten der lockeren Geldpolitik auszuruhen. Die Kosten zahlen am Ende die Sparer, die keine Zinsen mehr auf ihre Einlagen erhalten.
… und die Sparer zahlen die Zeche!
Zwar beträgt die durchschnittliche Inflationsrate im August 2014 gegenüber dem Vorjahresmonat nunmehr nur noch 0,8 Prozent, aber die Zinsen bei den meisten Banken für Tagesgeld liegen inzwischen darunter. Selbst die Zinsen für 10-jährige Bundesanleihen sind unter die Grenze von 1 Prozent gefallen.
Das Risiko steigender Zinsen steht in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Ertrag. Manche Anleger erliegen daher der Versuchung immer stärker in risikobehaftete Anlagen zu investieren. Allerdings finden diese Investitionen überwiegend im Rentenbereich in nachrangigen Anleihen, Genussrechte und ähnlichen Anlagen statt.
Da der Zinssatz aufgrund der starken Eingriffe der Notenbank seine volkswirtschaftliche Wirkung für die Knappheit des Geldes verloren hat, wächst die Gefahr von Fehlinvestitionen des Kapitals.
Das Geld könnte nicht dorthin gelangen, wo es in der Realwirtschaft die höchste risikoadjustierte Rendite zu verdienen gibt, sondern es könnte zur Blasenbildung am Kapitalmarkt beitragen.
Es ist schon auffällig, dass trotz der niedrigen Zinsen zu wenige Investitionen in Maschinen und Infrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung in der realen Wirtschaft vorgenommen werden.
Das sollte den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung zu denken geben, denn an den Zinsen liegt es nicht! Es braucht vielmehr günstige Aussichten und attraktive Rahmenbedingungen – dann investieren die Firmen auch, denn sie wollen ja Geld verdienen!
Wie können sich die Anleger nunmehr positionieren?
Anleger sind zum Umdenken aufgefordert. Eine über 30 Jahre andauernde positive Entwicklung am Rentenmarkt läuft seinem Ende entgegen. Wie tief können die Zinsen noch fallen? Welche Alternativen gibt es? Die klassische Aktienanlage wird noch immer misstrauisch beäugt.
Leider haben viele Anleger die positive Entwicklung am Aktienmarkt überwiegend verpasst. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht zu Höchstpreisen einsteigen. Sinnvoll ist vielmehr ein gesunder Mix aus verschiedenen Anlageklassen und den unterschiedlichen Regionen.
Keine Spekulation, ob sich diese oder jene Erwartung erfüllt, sondern eine ausgewogene Streuung. Besonders günstige Gelegenheiten wie aktuell in Osteuropa kann der chancenorientierte Investor klug ausnutzen, denn die Bewertung des russischen Aktienmarktes ist historisch ausgesprochen günstig, um nicht zu sagen „spottbillig“.
Nur entscheidend für den langfristigen Anlagerfolg sind eine klare Strategie und deren konsequente Umsetzung! Dann kann trotz aller Krisen ein erfolgreiches Vermögensmanagement gelingen!
Von: Wolfgang Jud
Quelle: DAS INVESTMENT.