Das Investment: Little Trouble in big China: „Sie schauen auf die falschen Dinge“

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 SJB | Korschenbroich, 12.06.2015. Erschlaffendes Wachstum und Zoff mit den eigenen Studenten – manchmal läuft es in China nicht ganz rund. Wir fragten China-Fondsmanager Bin Shi von UBS Global Asset Management, warum man denn überhaupt noch in China einsteigen sollte.

DAS INVESTMENT.com: Über gute Dinge zu sprechen, ist einfach. Lassen Sie uns über schlechte Sachen reden.

Bin Shi: Nur zu.

Wir erleben in China gerade, dass sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, wir sehen Unruhen in Hongkong und vielleicht auch eine Kreditblase. Warum sollte man überhaupt chinesische Aktien kaufen?

Wenn Sie auf die schlechten Dinge schauen, dann schauen Sie auf die falschen Dinge. Ich glaube, dass man die Probleme mit möglichen Immobilienblasen, Verschuldung, Schattenbanken und dem nicht mehr so stark wachsenden Bruttoinlandsprodukt lösen kann. Sicherlich sind die prozentualen Raten von 11 Prozent im Jahr 2009 auf vielleicht 7,5 Prozent im vergangenen Jahr gesunken, und werden in diesem Jahr vielleicht noch einmal sinken. Aber ich glaube sogar, dass das eine gute Entwicklung ist.

Wie kommen Sie denn darauf?

Schauen Sie sich nur mal die Aktienentwicklung an, als das Wachstum noch bei 11 Prozent lag. Sie war nicht sonderlich gut.

Das heißt aber nicht, dass sie jetzt besser wird, wenn alles weniger wächst.

Es kommt auf die Art an. Damals wurden viele strukturelle Probleme der Wirtschaft einfach nicht gelöst. Die Menschen hatten nicht das Gefühl, dass das Wachstum nachhaltig war, sondern dass es in die falsche Richtung ging. Sie rechneten mit Risiken.

Und jetzt geht es in die richtige Richtung?

Wir sehen strukturelle Veränderungen. Hinzu kommt, dass viele der heutigen Probleme sich unter der früheren Regierung aufgestaut haben. Die neue Regierung weiß, wenn sie die Wirtschaft mit einem neuen Stimulus-Plan wieder hochbringen will, dann geht sie das Risiko einer Finanzkrise ein. Deshalb gibt sie sich mit niedrigeren Wachstumsraten zufrieden und verändert lieber grundsätzliche Dinge. Wenn also Investoren verstehen, dass 6 oder 7 Prozent Wachstum immer noch respektabel sind.

Aus deutscher Sicht auf jeden Fall …

… und wenn sie sehen, dass es nachhaltig ist und das Finanzsystem dadurch stabiler wird, dann werden sie den Aktienmarkt auch wieder besser bewerten.

Um welche Veränderungen geht es?

In der Vergangenheit bestand der Aktienmarkt hauptsächlich aus staatlichen Unternehmen. Heute gibt es schon deutlich mehr private Unternehmen.

Wie ist das Verhältnis zwischen staatlich und nicht-staatlich heute?

Ich habe keine genaue Zahl. Aber auf das Inlandsprodukt bezogen, steuern private Unternehmen inzwischen 50 Prozent bei. Der Anteil wird natürlich noch weiter steigen. Staatliche Unternehmen nehmen zurzeit 80 Prozent aller Bankkredite und zahlen nur 4 Prozent Zinsen. Privatunternehmen zahlen 11 Prozent. Von den Banken bekommen sie kaum Kredite, weshalb sie woanders nach Geld suchen. Wenn man also staatliche und private Unternehmen diesbezüglich auf eine Stufe stellen würde, würden die Finanzierungskosten der Privaten stark sinken. Das sind Reformen, die der Markt gerne sehen würde. Leider passieren Dinge in China nicht über Nacht, sondern schrittweise.

Ich hätte jetzt gern die Brücke zum Aktienmarkt.

Vor dem jüngsten Anstieg der Kurse gehörten chinesische A-Aktien zu den am niedrigsten bewerteten Titeln weltweit. Sie notierten zwei Standardabweichungen unter ihrem normalen Niveau. Wenn Aktien derart billig sind und Anleger ihre Meinung ändern, dann kann es ganz schnell zu einer kräftigen Rally kommen.

Zieht sich eine aktuelle Investment-Story durch Ihre Portfolios?

Die Story ist eigentlich immer unser Investment-Ansatz. Wir wollen die künftig führenden Unternehmen in bestimmten Schlüsselbranchen finden. Wir haben einen langfristigen Ansatz.

Was bedeutet langfristig?

Drei bis fünf Jahre, vielleicht auch länger. Das Internet-Unternehmen Tencent haben wir, seit ich bei UBS bin, also seit neuneinhalb Jahren.

Welche Branchen mögen Sie?

Branchen, die in der chinesischen Wirtschaft noch unterrepräsentiert sind aber an Einfluss gewinnen, zum Beispiel Internet, Gesundheit und Konsum. Daraus werden noch viele gute Unternehmen erwachsen. Wir haben einen Analysten, der sich nur mit Hightech befasst. Ich will nicht, dass er sich noch zusätzlich einer anderen Branche widmet.

Ist wahrscheinlich auch ein Vollzeitjob.

Es ist mehr als ein Vollzeitjob.

Sie sind darauf aus, Ihren Vergleichsindex, den MSCI China, zu schlagen. Wie wollen Sie das anstellen?

Wer einen Index schlagen will, muss sich von ihm unterscheiden. Das machen wir. 60 bis 70 Prozent unseres Portfolios sind nicht im Index enthalten. Zudem haben wir wie erwähnt einen langfristigen Ansatz und eine sehr ruhige Hand. Unsere Umschlagsrate liegt bei 25 Prozent im Jahr, wir halten also eine Aktie im Durchschnitt vier Jahre lang.

Das ist nicht allzu kurz.

Erstens liegt die durchschnittliche Umschlagsrate in unserer Vergleichsgruppe bei über 100 Prozent. Und zweitens ist es unser Ziel, die Marktführer früher zu erkennen als andere Investoren.

Wie?

Durch intensive und frühzeitige Analyse. Manche unserer Positionen haben wir schon untersucht, bevor sie überhaupt an der Börse waren. So etwas kann nichts und niemand ersetzen.

Sie schauen also mehr auf Wachstum als auf aktuelle Bewertung?

Wir schauen sicherlich auch auf die aktuelle Bewertung, das ist aber zweitrangig. Hervorragende Unternehmen überraschen Anleger immer wieder. Sie werden regelmäßig darin unterschätzt, wie viel Gewinn sie machen und wie stark sie wachsen. Und solche Unternehmen zu finden, halte ich für wichtiger, als etwa aufs Kurs-Gewinn-Verhältnis zu schauen.

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

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