SJB | Korschenbroich, 21.05.2015. Der Versicherungsmakler hatte keine versicherungspflichtigen Angestellten beschäftigt, sondern seine Mitarbeiter ausschließlich über einen Vermittlerpool bezogen.
Ist er deswegen scheinselbständig? Oliver Pradetto, Mitgründer und Chef des Maklerpools Blau Direkt, hat ein Urteil des Landgerichts Baden-Württemberg kritisch gegengelesen.
Das Landgericht Baden-Württemberg (L 11 R 2461/10) entschied am 01.02.2011, dass ein Versicherungsmakler, der keine steuerversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige und nur mit einem Pool zusammenarbeite, als „arbeitnehmerähnlicher Selbständiger“ einzustufen sei. Er unterliege damit der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Das Landgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der Pool einziger Auftraggeber des Maklers sei.
Was ist davon zu halten? Sind Makler, die sich dafür entscheiden, die Abwicklung outzusourcen, „scheinselbständig“?
Wer ist Auftraggeber?
Verschiedene Verbände und Interessenvertreter haben darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber des Maklers ausschließlich dessen Kunde wäre. Somit seien in jedem Fall mehrere Auftraggeber vorhanden. Damit wäre es auch unerheblich, mit wievielen Pools oder Gesellschaften er Anbindungen unterhalten würde. Eine Erklärung, die einleuchtend klingt und gesetzlich im Versicherungsvertragsgesetz Bestätigung findet:
§ 59 Abs. 3 VVG
„Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1.“
Ganz so einfach scheint dies jedoch nicht zu sein, da das oben genannte Urteil in einem weiteren Urteil bestätigt wurde. Hierin wurde abermals einem Versicherungsmakler eine Scheinselbständigkeit bescheinigt. Das Gericht bezog sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (B 12 RA 1/04 R), nach welchem eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit anzunehmen sei, wenn die erzielten Einkünfte eines Auftraggebers weniger als fünf Sechstel der Gesamteinkünfte ausmachten. Demnach würde es auch nicht ausreichen, ein paar mindere Geschäfte über einen weiteren Pool oder einige Direktvereinbarungen einzusteuern.
Ist ein Makler, der sich tatsächlich dafür entscheidet, wesentlich mit einem Pool zusammenzuarbeiten, scheinselbständig und damit sozialversicherungspflichtig?
Äpfel und Birnen
Wie so oft im Juristischen werden hier Äpfel und Birnen verglichen. Ein Urteil bezieht sich immer auf konkrete Einzelfälle. Ohne sich den Einzelfal genau anzusehen, lassen sich daraus keine allgemeinen Schlüsse ziehen.
Jeder Makler kennt „Pools“, die eher Strukturvertriebe oder Ausschließlichkeitsorganisationen größerer Versicherer sind. Als Pool tarnen sich diese Vertriebe lediglich, weil man dadurch leichter neue Mitglieder akquirieren kann. In solchen Vertrieben ist es üblich, die angeschlossenen Makler wie gebundene Handelsvertreter zu instruieren und zu lenken. Der Maklerstatus dient an sich nur der Enthaftung des Vertriebs. Es liegt auf der Hand, dass die Behauptun,g ein Pool zu sein (ein ungeschützter und nicht verbindlich ausgestalteter Begriff), ebensowenig Selbständigkeit begründen kann wie der theoretische berufliche Status.
Faktenlage
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits 2003 und 2004 entschieden, dass eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch
das eigene Unternehmerrisiko,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte mit eigenen Betriebsmittel,
die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft,
die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet ist.
Ist der Auftragnehmer hingegen in den Betrieb eingegliedert und werden Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht unterstellt, handelt es sich nicht um eine selbständige Tätigkeit.
Die Frage ist also nicht, ob jemand seine Geschäftsabwicklung ganz oder teilweise an einen Pool oder mehrere Anbindungen auslagert, sondern lediglich, ob er insgesamt selbständig nach oben genannten Kriterien handelt. Die Frage ist also vielmehr, wie die oben genannten Wesenszüge einer selbständigen Tätigkeit in der Praxis definiert und geprüft werden.
Prüfverfahren
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) prüft zunächst von sich aus, ob der Überprüfte weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers integriert ist.
Falls die überprüften Personen Auskünfte verweigern beziehungsweise die Mithilfe ablehnen, greift hingegen ein Kriterienkatalog. Dieser enthält fünf Merkmale:
Der Betreffende beschäftigt keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit Einkommen über 630 Mark, das gilt auch für Familienangehörige.
Er arbeitet auf Dauer nur für einen Auftraggeber, von dem er zumindest fünf Sechstel seiner Gesamteinkünfte bezieht.
Die Arbeiten würden sonst üblicherweise Arbeitnehmer des Auftraggebers verrichten.
Typisches unternehmerisches Handeln ist nicht erkennbar.
Das äußere Erscheinungsbild der Tätigkeit entspricht einer früheren festen Beschäftigung für den Auftraggeber.
Nur wer drei der fünf definierten Punkte vereinigt, ist für die BfA ein Scheinselbständiger. Sollte die Behörde eine Scheinselbständigkeit vermuten, erhält der Betroffene die Möglichkeit, die Vermutung innerhalb einer Frist zu widerlegen. Verstreicht die Zeit ungenutzt, erlässt die BfA den Bescheid, mit dem sie die Scheinselbständigkeit des Betroffenen und damit seine Versicherungspflicht verbindlich feststellt.
Während die ersten beiden Punkte durchaus vom Makler verfehlt werden können, kommt keiner der Punkte 3-5 für einen Poolpartner von Blau Direkt auch nur annähernd in Frage. Damit ist auch jegliche Scheinselbständigkeit oder Rentenversicherungspflicht eindeutig vom Tisch.
Von: Oliver Pradetto
Quelle: DAS INVESTMENT.