Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Ankündigung wahr gemacht und den Kauf von Anleihen europäischer Unternehmen gestartet. Welche Auswirkungen das auf den Markt für Renten-ETFs haben dürfte, erklärt Eric Wiegand, ETF-Stratege bei der Deutsche Asset Management.
Der Anleihemarkt in Europa steckt in einer schwierigen Phase. Einerseits begeben Unternehmen verstärkt Anleihen, da sie sich im Umfeld niedriger Zinsen auf diese Weise günstig finanzieren können. Diese Anleihen treffen auf großes Anlegerinteresse, da das Renditeniveau bei vielen Unternehmensanleihen noch über dem von Staatsanleihen mit sehr gutem Rating liegt.
Andererseits ist das gehandelte Sekundärmarktvolumen an Unternehmensanleihen in Europa wie auch in den USA in den vergangen Jahren deutlich zurückgegangen. Dies gilt sowohl für die Höhe des gehandelten Volumens, als auch für die Anzahl der Transaktionen. Als eine Ursache gelten beispielsweise die höheren Eigenkapitalanforderungen für die Banken beim Rentenhandel.
Im Ergebnis fehlen Marktteilnehmer, die durch Käufe und Verkäufe für Liquidität im Bondmarkt sorgen. Diese Abnahme der Liquidität dürfte keine zyklische, sondern eine strukturelle Veränderung darstellen.
Situation weiter verschärft?
Diese Situation könnte durch das Anleiheankaufprogramm – das so genannte Corporate Sector Purchase Programme (CSPP) – der Europäischen Zentralbank (EZB) noch einmal verschärft werden: Seit gestern können Corporate Bonds, die von Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union emittiert wurden und ein Investment-Grade-Rating besitzen, von der EZB gekauft werden.
Es wird erwartet, dass die EZB im Monat Anleihen in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro kauft. Auch wenn die Kaufliste der Bonds und die Höhe der Investments nicht im Voraus bekanntgegeben werden, gibt es bereits jetzt deutliche Effekte auf den Markt für Unternehmensanleihen.
Anstieg der Emissionen
Ein offensichtlicher Effekt ist der sprunghafte Anstieg der Anleiheemissionen nach Bekanntgabe des CSPPs. Insgesamt wurden im März 2016 Anleihen im Volumen von mehr als 49 Milliarden Euro emittiert. Dies markiert einen mehrjährigen Höchststand, Experten rechnen auch für den weiteren Verlauf des Jahres mit einer hohen Emissionstätigkeit.
Viele Unternehmen dürften darauf setzen, dass zumindest ein Teil der Emission von der EZB gekauft wird. Das würde bedeuten, dass der Markt für Unternehmensanleihen in Europa mit einem Investment-Grade-Rating von aktuell etwa 700 Milliarden Euro stark anwächst.
Damit würde sich das weiter geringe Handelsvolumen am Anleihemarkt auf einen noch größeren Bond-Pool verteilen – und damit die Liquidität möglicherweise weiter unter Druck geraten.
Reduzierte Risikoaufschläge
Eine zweite Auswirkung sind die deutlich reduzierten Risikoaufschläge nahezu im gesamten Markt für Unternehmensanleihen in Europa. Nach der EZB-Ankündigung im März kam es bis Mitte Mai 2016 in allen Bond-Segmenten zu teilweise deutliche sinkenden Renditen und entsprechenden deutlichen Kursaufschlägen.
Mit dem CSPP-Start könnte das Renditeniveau im Corporate-Bond-Segment weiter sinken. Durch diese besonderen Entwicklungen am Anleihemarkt wird die bisher schon schwierige Suche nach Rendite für Rentenanleger noch härter.
Nicht alle Anleihen abbilden!
Um in dieser Situation Investmentlösungen zu bieten, kann es für ETF-Anbieter sinnvoll sein, Corporate-Bond-ETFs mit Indizes aufzulegen, die von den klassischen Ratingregeln abweichen. Eine wichtige Änderung dabei ist, aufgrund des reduzierten Renditeniveaus nicht alle Anleihen abzubilden, sondern nur diejenigen Investment-Grade-Anleihen mit der höchsten Verzinsung.
Zudem sollten Anleihen nicht automatisch verkauft werden, wenn sie heruntergestuft werden und kein Investment-Grade-Rating mehr besitzen. Die oft beobachteten Preisverluste nach einem Downgrade können durch diese Buy-and-Hold-Strategie in Regel wieder aufgeholt werden.
Insgesamt bieten solche so genannten „Yield-Plus-Strategien“ gegenüber einer konventionellen Benchmark ein höheres Renditepotenzial bei nur moderat erhöhtem Risiko und nahezu identischer Duration.
Renten-ETFs äußerst beliebt
Dass Renten-ETFs bei Anlegern derzeit äußerst beliebt sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Rund 95 Prozent – also 11,5 Milliarden Euro – der Nettozuflüsse im 450 Milliarden Euro schweren ETF-Markt flossen in Europa seit Beginn des Jahres in dieses Segment.
Dieser Zuspruch liegt auch daran, dass schon der Aufbau eines Bond-ETFs darauf ausgerichtet, eine möglichst gute Handelbarkeit zu gewährleisten. Die Fondsgesellschaft prüft, ob der abgebildete Index den Markt tatsächlich repräsentiert und ob die Marktliquidität der Indexmitglieder ausreichend hoch ist.
ETFs keine „Wunderwaffen“
Zudem bieten Renten-ETFs zusätzliche Liquiditätsressourcen. Denn ein ETF bündelt hunderte Anleihen in einem Produkt, das standardisiert und transparent zu einem Börsenpreis gehandelt wird. Damit können ETFs ein Teil der Lösung sein, wenn es in Zeiten angespannter Liquidität zu Engpässen kommt.
Dennoch gilt: Auch ETFs sind keine Wunderwaffe. Was sie gewährleisten: Sie packen Anleihen in eine Investmentfondshülle und schaffen damit über die Börse als Sekundärmarkt eine zusätzliche Liquiditätsebene für Anleiheinvestments. Dieser Vorgang kann den Handel von Anleihen für Anleger in der neuen Welt merklich vereinfachen.
Risiken von ETFs umfassen unter anderen die folgenden:
– Der Wert der ETF-Anteile kann durch rechtliche, wirtschaftliche oder politische Veränderungen, Marktvolatilität und/oder Volatilität des Vermögens des Teilfonds und/oder des Bezugsobjekts negativ beeinflusst werden.
– Der Wert der ETF-Anteile kann jederzeit unter den Preis fallen, zu dem der Anleger die Fondsanteile erworben hat. Daraus können Verluste resultieren.
– Eine umfassende Darstellung der Risiken enthalten die ausführlichen und die vereinfachten Verkaufsprospekte der db x-trackers bzw. db x-trackers II.
– Der Wert der ETF-Anteile kann durch Wechselkursschwankungen negativ beeinflusst werden.
Von: Eric Wiegand
Quelle: DAS INVESTMENT.