„Seit 2008 haben wir 119 Regulierungsmaßnahmen gesehen, die Fonds betreffen“, sagt Thomas Richter. Auf der Jahrespressekonferenz des Fondsverbands BVI zieht dessen Hauptgeschäftsführer Bilanz.
Die Bilanz des Fondsverbands BVI in Sachen Regulierung der Fondsbranche fällt gemischt aus. Zum Einen lobt der BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter, dass die Grundpfeiler der Branche erhalten geblieben seien. „Anders als bei anderen Finanzmarktakteuren hat es durch die Regulierung keinen strukturellen Bruch in der Geschäftstätigkeit gegeben“, erklärte er auf der Jahrespressekonferenz des Verbands und lobte das Augenmaß der politischen Entscheider.
Des Weiteren begrüßte Richter die Verschiebung der Mifid II-Umsetzung auf Anfang 2018. “Mit einem Jahr Verzögerung ist die Umsetzung von Mifid II schon zu bewältigen”, so Richter.
537 Durchführungsmaßnahmen, Leitlinien und Empfehlungen
Kritisch bewertet der BVI allerdings die zunehmende Überregulierung auf der EU-Ebene durch technische Ausführungsvorschriften, die von den europäischen Aufsichtsbehörden ESMA, EBA und EIOPA (ESAs) und von der EU-Kommission erlassen werden.
„Der Großteil der EU-Regulierung zur Fondsbranche besteht mittlerweile aus einer kaum überschaubaren Menge untergesetzlicher Ausführungsvorschriften,“ so Richter weiter. Seit Gründung der ESAs 2011 wurden insgesamt 537 Durchführungsmaßnahmen, Leitlinien und Empfehlungen veröffentlicht. EU-Parlament und Rat erließen als Gesetzgeber im gleichen Zeitraum 39 Rahmenrichtlinien und -verordnungen. Das ist ein Verhältnis von 14 zu 1.
Diese Überregulierung führe zu Widersprüchen und unbeabsichtigten Nebenwirkungen, so Richter. „Deshalb sollte die Zahl der Ermächtigungen zum Erlass technischer Level-2-Vorschriften deutlich beschränkt werden.“
Beratungsprotokoll ist nicht verbraucherfreundlich
Dann wird Richter polemisch. „Dass die Deutschen so wenige Aktien haben, liegt an der Regulierung”, sagt er. Die von vielen Finanzexperten – und auch vom BVI – angeprangerte mangelnde Finanzbildung der Deutschen spiele bei der Aktienscheu hingegen nur eine untergeordnete Rolle.
Auch an den bisherigen Vorschriften zur Beratungsdokumentation lässt Richter kein gutes Haar. „Das Beratungsprotokoll ist für Verbraucher gemacht worden. Das Ergebnis ist aber nicht verbraucherfreundlich“, sagt er.
„Wir wollen nicht unsachgerecht wie Banken reguliert werden, weil wir keine Banken sind”
Ferner kam die internationale Debatte um die Systemrelevanz der Vermögensverwalter zu Sprache. Dabei erteilte Richter den Bestrebungen, die Asset-Management-Branche nach dem ähnlichen Prinzip wie die Bankenbranche zu regulieren eine klare Absage. „Wir wollen nicht unsachgerecht wie Banken reguliert werden, weil wir keine Banken sind”.
Denn im Gegensatz zu Banken, die zum Teil große Risiken in ihrer Bilanz haben, verwalten Fondsgesellschaften die Sondervermögen außerhalb ihrer Bilanz. Selbst im Falle einer Insolvenz könnte ein anderer Asset Manager das Verwaltungsrecht über die Fonds übernehmen, ohne dass Anlegern daraus Verluste entstünden, meint Richter. Daher wäre eine Kettenreaktion wie nach der Lehman-Pleite in der Fondsbranche nicht möglich.
Zudem ist der Fondsmarkt im Vergleich zu anderen Branchen stark fragmentiert. Der weltweite Marktanteil der fünf größten Asset Manager liegt bei lediglich 17 Prozent. Die deutsche Fondsbranche hält nur Streubesitz, ihr Anteil an Aktien aus der Dax-Familie beträgt beispielsweise nur etwa 8 Prozent.
Mehr Kontrolle für Kontrolleure
Der BVI plädiert zudem für eine stärkere Kontrolle der ESAs. „Der fehlende Rechtsschutz gegen die ESA-Leitlinien widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, sagt er. Daher fordert der BVI eine wirksame Kontrolle, die zum Beispiel ein Klagerecht für nationale Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer mit einschließt. Darüber hinaus lehnt der BVI die Pläne ab, die ESAs künftig durch die Marktteilnehmer zu finanzieren.
Anleger entlasten: Investmentsteuerreform nachbessern
Bei den deutschen Regulierungsvorhaben steht für den BVI derzeit die Investmentsteuerreform im Fokus. „Wir sehen in einigen Punkten Nachbesserungsbedarf. Die bislang steuerfreie Ausschüttung von Immobiliengewinnen außerhalb der 10-Jahres-Frist sollte beibehalten werden. Jedenfalls sollte ein Wegfall die Privatanleger nicht belasten.“
Letztlich dürfen Privatanleger, die über Fonds am Immobilienmarkt partizipieren möchten, gegenüber Direktanlegern nicht schlechter gestellt werden. Nachbesserungsbedarf sieht der BVI auch bei den neuen administrativen Anforderungen. Hier drohen den KVGs durch einen höheren Verwaltungsaufwand bei den Erstattungsverfahren und in der Buchführung Mehrbelastungen in dreistelliger Millionenhöhe.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.