In einer sehr ausführlichen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT.com die Gründer und Chefs der führenden Robo-Advisor zu den Wachstumsaussichten, der strategischer Ausrichtung, Regulierungs-Ärgernissen und Risikomodellen. Den Anfang macht Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Bank und ihrer Online-Vermögensverwaltungstochter Quirion.
DAS INVESTMENT.com: Was sehen Sie im Vergleich zum klassischen Finanzberater als Ihr größeres Asset an: Ihren Online-Vertriebsweg, der Ihnen enormes Kundenpotenzial bietet, oder Ihre skalierbaren Portfolio-Management-Lösungen, die Ihren Kunden attraktive, maßgeschneiderte Rendite-Risiko-Profile bietet?
Karl Matthäus Schmidt: Mit Quirion geht Geldanlage schnell, bequem und unschlagbar günstig. Schon ab 10.000 Euro holen wir Anlegern die gesamte Weltwirtschaft ins Portfolio und investieren in die besten 10.000 Unternehmen weltweit. Mit diesem Asset können wir Millionen von Menschen in Deutschland vernünftige Anlagemöglichkeiten bieten, auch in schwierigen Kapitalmarktzeiten. Dass unser Konzept funktioniert, haben wir bereits mehrfach – zuletzt beim Brexit – unter Beweis gestellt. Hierbei hilft uns die über zehnjährige Erfahrung der Vermögensverwaltung der Quirin Bank.
In Deutschland gibt es aktuell ein gutes Dutzend unabhängige Robo-Advisor – mit denen der Banken sollen es 30 bis 40 sein. Wie viele werden in den kommenden Jahren dazukommen?
Schmidt: Mit Statistiken in diesem Bereich ist das so eine Sache, da die Anbieter teilweise wie Pilze aus dem Boden schießen und das Angebot und die Leistung meist schwer vergleichbar sind. Hinsichtlich der Anzahl der Anbieter sehen wir mittelfristig eher einen Trend zur Konsolidierung. Übrig bleiben wird, wer neben einer soliden finanziellen Grundausstattung über eine funktionierende technische Infrastruktur verfügt und dem Kunden einen echten Mehrwert bietet. Das können aus unserer Sicht nur maximal zwei oder drei Player schaffen.
Robo-Advisor sind noch eine krasse Nische: Selbst die größten verwalten nicht einmal 50 Millionen Euro. Das verwalteten Vermögen aller unabhängigen Robo-Advisor hierzulande wird auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Bei Verwaltungsgebühren von weniger als 1 Prozent dürfte Ihre Branche bislang nicht mehr als 1 Million Euro umsetzen. Auf der anderen Seite sagen Experten Ihrer Branche ein exponentielles Wachstum voraus. Schauen Sie mal in Ihre Glaskugel: Wann wird der erste deutsche unabhängige Robo-Advisor die Eine-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten?
Schmidt: Wir blicken grundsätzlich nicht in die Glaskugel sondern orientieren uns an Fakten. Quirion hat heute einen Marktanteil von 40 Prozent am Gesamtmarkt für Robo-Advisory in Deutschland und ist damit Marktführer. Und das wollen wir natürlich auch bleiben.
Und als Erster die Eine-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten?
Schmidt: Warten wir es ab, aber als First Mover und Marktführer stehen die Chancen sicher ziemlich gut.
Können Sie uns Angaben zu Ihren aktuellen Kundenzahlen, dem verwalteten Vermögen, dem verwalteten Durchschnittsvermögen, Ihrem Jahresumsatz oder Ihrem Gewinn oder dem Wachstum der genannten Kenngrößen machen?
Schmidt: Die aktuell von uns verwalteten Assets belaufen sich auf 40 Millionen Euro, die verwalteten Durchschnittsvermögen liegen bei 40.000 Euro. Dabei macht eine regionale Analyse deutlich, dass Anleger aus Schleswig-Holstein das höchste Durchschnittsvolumen erreichen, während Anleger aus Thüringen im Schnitt lediglich rund 14.000 Euro bei Quirion investiert haben. Seit Januar 2016 konnten wir das verwaltete Vermögen um mehr als 30 Prozent steigern.
Häufig heißt es: Die größte Wachstumsbremse für Robo-Advisor ist die fehlende Marketing-Power aufgrund von beschränkten Werbebudgets. Stimmen Sie dem zu?
Schmidt: Quirion ist eine Marke der Quirin Bank und profitiert von der Bekanntheit unseres Finanzinstituts im Markt. Unsere Kunden empfehlen uns gerne weiter – dies gilt auch für die digitale Anlageberatung und hilft uns enorm dabei, zu wachsen. Zudem investieren wir heute schon in Marketing- und Werbung und werden diese Aktivitäten in Zukunft noch verstärken.
Welche Wachstumsbremse würden Sie gerne gelöst wissen?
Schmidt: Wir sehen in Deutschland einen großen Nachholbedarf in Sachen finanzielle Bildung. Andere Länder, wie die Vereinigten Staaten, die skandinavischen Länder oder auch Australien machen uns vor, wie das geht. Je mehr Menschen über das Funktionieren der Kapitalmärkte und die Möglichkeiten des Vermögensaufbaus mit Aktien aufgeklärt werden, umso mehr werden sich diese Menschen auch mit dem eigenen Vermögensaufbau befassen. Sie sind dann in der Lage, eigenverantwortlich attraktive Angebote im Netz zu erkennen und für sich zu nutzen.
Welche Marketing- und Vertriebsaktivitäten haben sich bei Ihnen als besonders effektiv und effizient herausgestellt?
Schmidt: Das Empfehlungsmanagement spielt neben dem Content-Management eine entscheidende Rolle. Zudem bieten wir das Instrument eines kostenlosen Vermögens-Checks an, mit dem Anleger eine professionelle Einschätzung ihres bestehenden Depots erhalten – ein guter Weg, um auf das Thema „digitale Anlageberatung“ aufmerksam zu machen.
Welche Rolle spielt hierbei Content-Marketing? Wie betreiben Sie es? Nur online oder auch offline? Per Agentur oder mit eigenen Autoren? Welche Social-Media-Kanäle funktionieren am besten?
Schmidt: Wir betreiben Content-Marketing grundsätzlich auf allen Kanälen, online wie offline. Mit Agenturen und im eigenen Haus. Unser Vorteil ist, dass wir mit der Power des Mutterhauses unseren digitalen Anlageberater vermarkten können. Dabei sprechen wir unsere Interessenten über regelmäßige Newsletter am liebsten direkt und online an. Wir sind auf allen Social-Media-Kanälen präsent, was wichtig für die Sichtbarkeit ist, unter dem Aspekt der Kundenansprache aber nicht überbewertet werden darf. Zudem haben wir sehr gute Erfahrungen mit Weiterempfehlungen gemacht. Denn gerade in der Gruppe kritischer und aufgeklärter Anleger spielt die Empfehlung von Freunden und Bekannten eine wichtige Rolle bei der „Kaufentscheidung“, da sie als besonders glaubwürdig gilt.
Oft heißt es: Wer seine Kunden nicht kennt, wird zu den Verlierern der Digitalisierung gehören. Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Und wie nutzen Sie dieses Wissen über das reine Portfolio-Management hinaus?
Schmidt: Wir sprechen täglich mit vielen unserer Kunden und führen darüber hinaus mindestens einmal im Jahr eine Kundenumfrage durch, in der wir um sehr differenziertes Feedback bitten. Auf Basis der dort gewonnen Erkenntnisse mit Blick auf Nutzerfreundlichkeit und Kundenbedürfnisse haben wir unsere Website schon mehrmals optimiert und bieten seit Juli 2016 – auf Wunsch unserer Kunden – als zusätzliche Dienstleitung einen „Video-Chat“ mit persönlichem Coaching an. Der enge Austausch ist aus unserer Sicht essenziell und hilft uns, unser Dienstleistungsangebot kontinuierlich zu verbessern.
„Wir meiden aktiv gemanagte Fonds“
Bitte beschreiben Sie uns Ihre Portfolio-Lösungen? Wo sehen Sie sich gegenüber Ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus?
Schmidt: Mit unserem wissenschaftlich basierten Anlagemodell folgen wir dem Gesamtmarkt – und nicht vermeintlichen Experten. Denn niemand kann die Entwicklung von einzelnen Wertpapieren dauerhaft richtig vorhersagen – das haben zahlreiche Studien belegt.
Eine Grundregel unserer Anlagestrategie heißt daher: „Setze nie alles auf eine Karte“. Deshalb verfolgen wir einen globalen und diversifizierten Ansatz und investieren in die beiden mit Abstand wichtigsten Anlageklassen – Aktien und Anleihen. Über ETFs, Index- und Anlageklassenfonds sind unsere Kunden indirekt an tauenden von Unternehmen weltweit beteiligt. Dabei nutzen wir die Erkenntnis, dass die globalen Aktien- und Rentenmärkte kalkulierbare Risikoprämien erwirtschaften. Darüber hinaus beziehen wir zusätzliche Risikoprämien kleinerer Unternehmen und Nebenwerte (Small Caps) sowie Risikoprämien niedrig bewerteter Substanzwerte (Value-Aktien) in den Aufbau eines wissenschaftlich fundierten Portfolios ein.
Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass dieser systematische und disziplinierte Ansatz nachweislich mehr Rendite erwirtschaftet als herkömmliche Strategien. Er folgt den Erkenntnissen der Nobelpreisträger für Wirtschaft Fama und French. Nach unserer Kenntnis verfolgt kein anderes Finanzinstitut in Deutschland diesen Ansatz; wir verfügen damit über ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Markt.
Zudem investieren wir nicht in aktiv gemanagte Fonds, sondern in Index- beziehungsweise Anlageklassenfonds und ETFs. Sie bilden Indizes ab und sind kostengünstig; denn ihre Zusammensetzung ist vorgegeben und muss nur nachgebildet werden. Die Kosten für hoch bezahlte Analysten und Fondsmanager können sich unsere Kunden also sparen, zugunsten einer Mehrrendite in ihren Depots.
Bitte beschreiben Sie uns Ihre Risikomodelle zur Optimierung der Portfolios, das heißt zur Senkung von Kursrisiken beziehungsweise Steigerung der Renditen. Bitte begründen Sie, inwiefern sich diese Modelle im Vergleich zum einfachen Rebalancing für Ihren Kunden bezahlt machen beziehungsweise bereits bezahlt gemacht haben.
Schmidt: Aufgrund des oben beschriebenen Konzepts haben sich unsere Portfolien auch währen des Brexit als außerordentlich stabil erwiesen. Wir führen regelmäßig ein strenges Auswahlverfahren hinsichtlich der eingesetzten ETFs und Asset-Klassenfonds durch. Hier werden eine Reihe objektiver Kriterien (u. a. auch das Emittentenrisiko) analysiert und unabhängig bewertet. An dieser Stelle verfügt unser „Robo“ über einen entscheidenden „human touch“, womit wir die Portfolios schon im Vorfeld hinsichtlich Risiko- und Renditechancen optimieren. Zudem nimmt unser Risikomanagement automatisiert, Risiken aus den Portfolien, indem Asset-Klassen die gut gelaufen sind, reduziert und unterbewertete Asset-Klassen neu dazugekauft werden. Damit agieren wir regelbasiert antizyklisch.
Wie stellt sich für Ihre Kunden die genaue Kostenstruktur dar?
Schmidt: Wir setzen in Kostenfragen auf Transparenz und Verständlichkeit. Der Preis unserer Vermögensverwaltung beträgt 0,48 Prozent jährlich des verwalteten Vermögens. Wir erheben keine Transaktionskosten, Depotgebühren oder Performancegebühren.
Seit 1.07.2016 bieten wir zusätzlich ein Video-Coaching an, das der Kunde auf Wunsch für 0,88 Prozent des Anlagevolumens als eigenes Dienstleistungspaket buchen kann.
Fondskosten sind bereits in den Kursen der ETF und Indexfonds eingepreist und daher nicht in unserer Pauschale enthalten. Die durchschnittliche TER unserer verwendeten ETF und Indexfonds beträgt zum aktuellen Stand 0,38 Prozent. Die Gesamtkosten (TER) der einzelnen ETFs findet der Interessent auf unserer Homepage unter diesem Link.
Experten stellen den aktuellen Portfolio-Lösungen und Risikomodellen von Robo-Advisorn generell kein gutes Zeugnis aus – um aber oft direkt nachzuschieben, dass hier in den kommenden Jahren radikale Fortschritte zu erwarten sind. Würden Sie dem grundsätzlich zustimmen?
Schmidt: Welche Experten sind hier gemeint? Mit Quirion folgen wir den Erkenntnissen der Wirtschafts-Nobelpreisträger Fama und French und sehen uns bestens aufgestellt. Die Performance unserer Depots liefert seit fünf Jahren einen Track-record mit dem unsere Kunden sehr zufrieden sind.
Wie zufrieden sind sie mit Ihrer aktuellen Lösung?
Schmidt: Entscheidend für uns ist, dass unsere Kunden zufrieden sind. Wir haben eine erfreulich hohe Weiterempfehlungsrate und stellen fest, dass die Kunden ihr Anlagevolumen bei uns stetig aufstocken. Wir wachsen also nicht nur durch Neukunden, sondern auch innerhalb unserer Bestandskunden.
An welchen Stellen haben Sie seit Ihrem Start nachjustiert und warum?
Schmidt: Wir haben unsere Webseite noch einfacher und übersichtlicher gestaltet und einige Prozessschritte optimiert, sodass die Kunden innerhalb weniger Minuten ihr Konto und Depot eröffnen können und innerhalb von 24h allokiert sind.
An welchen konkreten Stellen sehen Sie das größte weitere Optimierungspotenzial?
Schmidt: Wir sehen uns aktuell sehr gut aufgestellt. Insofern besteht unsere Roadmap eher im Entwickeln weitere Produktangebote. Seien Sie gespannt…
Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisorn?
Schmidt: Was uns grundsätzlich gefällt, ist die Tatsache, dass mit den Robo-Advisorn , die Chance auf mehr Transparenz und Kundennutzen in der Geldanlage wächst. Denn Computer-Intelligenz und Algorithmen, die bisher Finanz-Profis vorbehalten waren, sind künftig auch für Privatanleger verfügbar. Dadurch werden die Märkte insgesamt gerechter. Was die Anlageergebnisse angeht, bleiben Momentaufnahmen fragwürdig. Wir werden also abwarten müssen, wie sich der Track-Record einzelner Anbieter in den nächsten Jahren entwickeln wird.
„Wir begrüßen grundsätzlich jeden Wettbewerber“
Die Eintrittsbarrieren in den Markt der Robo-Advisor scheinen nicht besonders hoch? Täuscht der Eindruck?
Schmidt: Für den einfachen Fondsvertrieb 2.0 mag dies zutreffen. Im Unterschied dazu sehen wir uns als echten digitalen Anlageberater mit einem entsprechend hohen Schutzniveau für Anleger. Als Finanzinstitut mit schlanken Strukturen verfügt die Quirin Bank über eine Lizenz nach §32 KWG. Das kommt auch unserer Marke Quirion zugute.
Setzen Sie die Aktivitäten der Branchengrößen nicht unter einen enormen Zeitdruck? Was passiert, wenn eine Deutsche Bank ernst macht und mal eben eine Marketing-Kampagne für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag startet?
Schmidt: Wir begrüßen grundsätzlich jeden Wettbewerber, der neu in den Markt kommt, weil dadurch das Thema der digitalen Anlageberatung in Deutschland bekannter wird.
Matthias Hübner von Oliver Wyman erwartet in den kommenden vier Jahren ein Wachstum der verwalteten Vermögen auf etwa 30 Milliarden Euro – das jedoch vor allem auf die Robo Advisors von Banken und Asset Managern entfällt. Von den unabhängigen Anbieter werden seiner Meinung nach nur ein oder zwei überleben. Teilen Sie diese Aussage?
Schmidt: Das sehen wir ähnlich. Am Ende werden eine Handvoll Robo-Advisor überleben. Es werden diejenigen sein, die über Finanzkraft und ein überzeugendes Angebot für den Kunden verfügen.
Der Robo-Advisor Fintego von der Fondsplattform Ebase bietet seine Lösungen seit Herbst vergangenen Jahres auch für einzelne Makler beziehungsweise Finanzanlagenvermittler nach §34f GewO an. Bieten Sie einzelnen Finanzanlagenvermittlern vergleichbare Lösungen an?
Schmidt: Nein. Quirion ist eine Online-Anlageplattform der quirin bank und als „stand-alone-Lösung“ für den Markt konzipiert. Perspektivisch öffnen wir uns auch für andere Vertriebswege. Wir behalten uns aber vor, zu prüfen, ob die jeweiligen Vertriebspartner zu uns passen.
Mifid II: Die Entwicklung steuert auf ein Provisionsverbot hin
Die Kosten in der Anlageberatung für Dokumentation und andere regulatorische Vorgaben sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ab welcher Anlagesumme ist eine vernünftige persönliche Beratung/Betreuung für Banken noch profitabel?
Schmidt: Nach unserer nunmehr zehnjährigen Erfahrung als Privatbank mit Honorarberatung ist eine vernünftige persönliche Betreuung ab 150.000 Euro Anlagevolumen sinnvoll und profitabel. Daher bietet die Online-Beratung eine wichtige Ergänzung für kleinere Volumina ab 10.000 Euro an.
Als Vollbank erfüllen wir alle regulatorischen Anforderungen an Dokumentation und Beratung und sind insofern klar und sauber aufgestellt. Davon profitiert natürlich auch Quirion.
Ab welchem Gesamtvolumen oder welcher durchschnittlichen Anlagesumme pro Kunden können Sie profitabel arbeiten?
Schmidt: Auf Basis der aktuellen Volumina und den Investitionen in den Aufbau der Plattform arbeiten auch wir – wie alle anderen – noch nicht profitabel. Aber da es sich um ein sehr skalierbares Geschäftsmodell handelt und wir mit der quirin bank im Rücken, Synergien bei vielen overhead.-Funktionen nutzen können, werden wir den Break Even sicher schneller erreichen können.
Verbraucherschützer und andere Marktteilnehmer fordern ein Ende der klassischen Provisionsberatung. Anlageberater sollen nicht mehr vom Produktanbieter, sondern direkt von den Kunden bezahlt werden.
Schmidt: Wir haben das mit dem Geschäftsmodell der Honorarberatung bereits vor zehn Jahren vorweggenommen, weil wir der festen Überzeugung sind: nur so können Anleger wirklich unabhängig und in ihrem ureigenen Interesse beraten werden. Insofern war die Umsetzung des Honoraranlageberatungsgesetzes im August 2014 für uns ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und wir selbst sind – nicht zuletzt mit Quirion – Treiber der Entwicklung.
Was glauben Sie, wird es in Deutschland im Bereich Investmentfonds zu einem Provisionsverbot kommen? Wenn ja, wann wird das sein?
Schmidt: Ja, die Entwicklung – besonders auch im Rahmen der MiFID II – deutet in diese Richtung. Für die Vermögensverwaltung wird dies ab 2018 Realität. Wann genau dies auch für die Anlageberatung folgt, bleibt abzuwarten. Aber der Zug in Richtung mehr Verbraucherschutz in der Finanzberatung ist nicht mehr aufhaltbar und in spätestens zehn Jahren werden wir keine Provisionen im Finanzvertrieb mehr haben.
Wie groß wäre der Schub, der Ihnen ein Provisionsverbot verleihen würde?
Schmidt: Wir würden uns ganz klar als Gewinner und als Mitverursacher dieser Entwicklung sehen!
Zwar haben Finanzanlagenvermittler weniger Pflichten im Bereich Dokumentation zu erfüllen, dürfen aber streng genommen gar keine Anlageberatung anbieten. Deshalb bemühen sich aktuell einige Robo-Advisor um eine Bafin-Lizenz.
Welchen rechtlichen Status hat Ihr Unternehmen? Sind Sie tätig als Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung oder sind Sie Vermögensverwalter mit einer Bafin-Lizenz nach §32 KWG?
Schmidt: Letzteres, da wir als Kreditinstitut über eine KWG-Lizenz verfügen. Für den kleinen Fondsvermittler ist es deutlich aufwendiger, sich mit den entsprechenden regulatorischen Anforderungen auseinanderzusetzen als für uns als Bank, weil wir entsprechende Synergiepotenziale nutzen können
Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Finanzanlagenvermittler (§ 34f) tätig sind?
Schmidt: Ein Vorteil ist der schnelle Marktzutritt und die damit zunächst verbundene Kostenersparnis. Der Nachteil für den Kunden ist, dass ihm eine Mogelpackung verkauft wird, da er vermeintlich eine Beratungsleitung kauft, die in Wirklichkeit reine Produktvermittlung ist. Durch Ausnutzen der aktuell bestehenden Graubereiche entstehen Imageschäden, die sich in Form von Vertrauensverlusten auf die gesamte Branche auswirken können.
Welche konkreten Vorteile und Nachteile ergeben sich für Robo-Advisor, die als Vermögensverwalter (§32 KWG) tätig sind?
Schmidt: Entscheidend ist aus unserer Sicht der Vorteil für den Kunden, der in diesem Fall deutlich besser gestellt ist als beim reinen Fondsvertrieb.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Regulierung in Bezug auf die Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten von Fintechs im Allgemeinen und Robo Advisorn im Speziellen?
Schmidt: Für einige FinTechs beziehungsweise Robo-Advisor wird der regulatorische Aufwand und die damit verbunden Kosten so hoch werden, dass sie vom Markt verschwinden werden. Unabhängig davon, ist es aus Anleger- und Verbrauchersicht unabdingbar, dass für alle Robo-Advisor ein „level-playing“ field im Sinne gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen geschaffen wird. Nur unter dieser Voraussetzung können Anleger sich einer gleichbleibend hohen Beratungsqualität und des entsprechenden Schutzniveaus sicher sein.
Welche aktuellen Regelungen bremsen das Wachstum Ihres Unternehmens am stärksten?
Schmidt: Keine, da wir von vorne herein in eine saubere Infrastruktur investiert haben; dieses Investment zahlt sich jetzt aus.
Teil des Mifid-ll-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fonds-Vermittler müssen regelmäßig überprüfen, ob das vermittelte Produkt immer noch für die Zielgruppe geeignet ist und dürfen sich nicht auf die Angaben der Produktgeber verlassen. Vermittlern wird hier ein riesiger administrativer Aufwand vorhergesagt. Inwieweit sind Sie von dieser Regelung betroffen?
Schmidt: Als Kreditinstitut sind wir von dieser Regelung genauso betroffen wie alle anderen auch. Wir sehen uns auch hier im Vorteil, weil wir heute schon einen Produktauswahlprozess installiert haben, der komplett unabhängig, kostentransparent und effizient funktioniert. Als registrierter Honoraranlageberater (gemäß Honoraranlageberater-Register der BaFin) sind wir gehalten, Anleger über ein hinreichend breites Produktspektrum zu beraten und jede vorgeschlagene Lösung unabhängig zu beurteilen.
Kommt diese Regelung Ihrer Geschäftsentwicklung zugute, weil sie für Ihre Wettbewerber (Banken, einzelnen Finanzanlagenvermittlern usw.) einen hohen administrativen Aufwand mit sich bringt?
Schmidt: Wir sehen im Moment für uns nur Vorteile, da wir die entsprechenden Aufwendungen bereits getätigt haben und entsprechend gut aufgestellt sind.
Viele Experten sagen ein mehr oder weniger umfangreiches Berater-Sterben infolge von Mifid II voraus. Die wenigen verbleibenden Berater werden sich fast ausschließlich auf finanzkräftige Kunden (zirka 5 Prozent der Deutschen) konzentrieren. Sehen Sie sich als klarer Gewinner dieser Regulierung des Finanzvertriebs?
Schmidt: Als Vorreiter mit dem Geschäftsmodell der Honorarberatung sehen wir uns klar als Gewinner dieser Entwicklung. Über die bewusst niedrigen monetären Einstiegsschwellen bei quirion können wir zudem rasch einen großen Markt bedienen. Das Angebot einer wissenschaftlichen Vermögensanlage im Netz hat es in diese Form in Deutschland noch nicht gegeben. Die Menschen müssen aber auch bereit sein, sich mit ihren Geldanlagethemen zu befassen und dann eigenständig zu entscheiden. Wer das tut, spart sich viel Geld. Vergleichbare Angebote kosten schnell das Zehnfache. Insofern sind wir überzeugt: die Zeit ist reif für die Digitalisierung der Geldanlage in Deutschland. Mit quirion, dem digitalen Anlageberater der quirin bank, werden wir eine erhebliche Anzahl von Anlegern für diese neue, kostengünstige und effiziente Art der Geldanlage begeistern.
Von: Felix Hannemann
Quelle: Das Investment