In einer großen Interview-Reihe sprach DAS INVESTMENT mit den Vertriebs-Chefs der führenden Fondsgesellschaften über die aktuell wichtigsten Trends im Fondsvertrieb. Hier gibt Thilo Wolf, Deutschland-Chef von BNY Mellon Investment Management, Auskunft über Märkte, Produkte, Zielgruppen und Vertriebskanäle seines Hauses.
Das Investment: Im ersten Halbjahr gab es einige Ereignisse, die Sie als Vertriebschef nicht gefreut haben dürften: Die Gewinne des Börsenjahres 2015 waren nach nur elf Handelstagen dahin. Syrien, Flüchtlingskrise und weitere geopolitischen Brandherde. Vor kurzem dann das Brexit-Referendum. Aktuell sind die Banken – vor allem die italienischen – in den Schlagzeilen. Wie ist Ihr Fazit aus Vertriebssicht für das erste Halbjahr 2016?
Thilo Wolf: Wir waren in einer sehr komfortablen Situation. Viele unserer Fonds – insbesondere der BNY Mellon Global Real Return (EUR) – haben im ersten Quartal eine sehr gute Performance gezeigt. Auch das Brexit-Votum und die anschließenden Turbulenzen haben uns nicht sonderlich getroffen. Deswegen fällt mein Fazit zum ersten Halbjahr durchaus positiv aus.
Was wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr und welche realistischen Erwartungen haben Sie?
Wolf: Ich gehe davon aus, dass die Märkte – allem voran der Rentenmarkt – unter der abnehmenden Liquidität leiden werden. Der Aktienmarkt wird weiterhin volatil bleiben und bietet dabei durchaus Opportunitäten.
Der Niedrigzins ist das alles dominierende Thema in der Finanzbranche. Ein paar vereinfachte direkte Folgen daraus: Rentenfonds werden zunehmend unattraktiv. Das Sparbuch ist keine Alternative mehr. Die Deutschen stürzen sich auf Immobilien. Gold wird wiederentdeckt. Multi-Asset-Fonds sind in aller Munde. Aktienfonds schlagen sich mittelmäßig, volatile Börsen und Regulatorik verhindern größere Mittelzuflüsse. Stimmen Sie zu?
Wolf: Sie haben meiner Meinung nach viele Aspekte richtig zusammengefasst, aber ich sehe die Zukunft nicht ganz so schwarz. Betrachten wir es einmal so: Vielleicht ist die Niedrigzinsphase für den typischen Investor im deutschsprachigen Raum gut, weil er sich endlich mit den Alternativen zum Sparbuch und zu Rentenfonds auseinandersetzen muss. Defensive Multi-Asset-Fonds, deren Portfoliomanagement beispielsweise auch in Gold investiert, können eine geeignete Möglichkeit sein, den individuellen Renditevorstellungen näher zu kommen. Ihre Aussage zu Aktienfonds unterstreicht im Übrigen eine alte Aussage von mir, dass der Selektion von Strategien und Managern mehr und mehr Bedeutung zukommen wird.
Würden Sie Ihr Haus als Nettoprofiteur der Niedrigzins-Phase betrachten? Bitte begründen Sie.
Wolf: Ganz klar, ja. BNY Mellon hat – neben verschiedenen flexiblen Rentenfonds mit ansehnlichem Track-Record – auch exzellente Multi-Asset-Fonds im Angebot. Im Bereich der Dividendenstrategien, die von Anlegern häufig als Substitut für Rentenfonds gewählt werden, haben wir mit dem BNY Mellon Global Income Fonds ein Top-Produkt, das regelmäßig die vergleichbaren bekannten Produkte dieser Produktfamilie in Deutschland sogar outperformed.
Quo vadis Aktienfonds: Der oft unter dem Titel „Große Rotation“ vorhergesagte starke Shift von Anleihen in Aktien ist bisher ausgeblieben. Wundert Sie das?
Wolf: Da ich eine gewisse Zeit im Ausland verbracht habe und somit einen Vergleich ziehen kann, wundert mich das leider überhaupt nicht. Wir haben in Deutschland keine ausgeprägte Aktienkultur, wie in anderen europäischen und angelsächsischen Ländern. Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt und das Ergebnis führt zu einem ‚falschen‘ Spar- und Vorsorgeverhalten der Bevölkerung in Deutschland.
Ist der Sturm auf Aktien nur verschoben?
Wolf: Ich hoffe ja. Meines Erachtens wird die (Anlage-)Not so groß werden, dass die Investoren sich nachhaltig mit dem Thema Aktienfonds auseinandersetzen müssen. Vor allem wenn man beachtet, dass einige Aktienfonds eine ähnliche, zum Teil niedrigere Volatilität als manch ein Rentenfonds aufzeigen.
Nicht einmal 15 Prozent der Deutschen im Alter von über 14 Jahren besitzen Aktien oder Aktienfonds. Worauf führen Sie das zurück? Und wie müssen die Vertriebsansätze der Fondsbranche angepasst werden, um diesen Zustand zu ändern?
Wolf: In Deutschland fehlt schlichtweg die Aktienkultur. Bedenken Sie nur, wenn Sie die Schule verlassen, können Sie englische Gedichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts interpretieren. Sie kennen aber nicht den Unterschied zwischen einer Anleihe und einer Aktie. Die Fondsgesellschaften sollten hier mehr Verantwortung übernehmen. Wir können zum Beispiel versuchen, mit sehr bildhaften und leicht verständlichen Materialien breite Teile der Bevölkerung an das Thema heranzuführen. Hier gibt es bereits erste Tendenzen auch von lokalen Häusern.
Multi-Asset-Lösungen sind mehr als ein Trend und in den vergangenen Jahren zu einer etablierten Fonds-Klasse herangereift. Wie haben Sie sich hinsichtlich Ihrer Kompetenz, Ihrer Produktpalette und Ihrer Zielgruppen in diesem Bereich positioniert?
Wolf: BNY Mellon managt bereits seit 1978 sehr erfolgreich Multi-Asset-Strategien und gilt als einer der Pioniere in diesem Bereich – was auch die Assets-under-Management im Multi-Asset-Segment verdeutlichen. Unser Angebot und die Expertise sind dementsprechend sehr breit aufgestellt. Zum Beispiel bieten wir Fonds mit einem Renditeziel von Cash plus drei Prozent bis hin zu aktienähnlichen Renditen von sechs bis acht Prozent an.
Wo legen Sie klare Schwerpunkte und warum?
Wolf: Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf leicht verständlichen Strategien, die nachhaltig gut performed haben, und bei denen der Kunde erkennt, welchen tatsächlichen Mehrwert ein aktiver Manager leistet. Der BNY Mellon Global Real Return Fund ist dafür das beste Beispiel. So erzielte er bislang eine Year-to-date-Performance von 8,31 Prozent.
Wie funktioniert der Vertrieb von Multi-Asset-Lösungen in der Zielgruppe institutionelle Investoren? Wie geht die Zielgruppe bei Investitionen in diesem Bereich vor?
Wolf: Der Vertrieb von Multi-Asset-Lösungen an institutionelle Kunden ist sehr anspruchsvoll. Diese Investoren sehen ihren Mehrwert verstärkt im Zukauf einzelner Single-Asset-Strategien, die gut in ihren eigenen Multi-Asset-Ansatz passen.
Sind Liquid Alternatives die neuen Multi Assets?
Wolf: Dies ist eine sehr interessante Frage. Einerseits werden Liquid Alternatives als Wundermittel gesehen, ähnlich wie Multi-Asset-Fonds. Andererseits war und ist immer noch die Ausgangslange für Investitionen in Multi-Assets-Fonds eine komplett andere als bei Liquid Alternatives. Meines Erachtens haben beide Produktgattungen ihre Daseinsberechtigung in einem modernen Portfolio. Man kann sie sehr effizient kombinieren.
Was ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?
Wolf: Auch wenn ich mich wiederhole: Ich denke, Multi-Asset und Alternativen zu traditionellen Rentenfonds dominieren die Industrie.
Was ist derzeit der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?
Wolf: Multi-Asset- und risikoarme Aktien-Strategien mit asymmetrischen Chancen-Risiko-Profilen.
Welchen Produkttrend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?
Wolf: Es gibt viele kleine Trends, die Potenzial haben, zukünftig mehr und mehr an Bedeutung zu gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass tatsächlich Alternative Asset-Klassen stärker in den Fokus rutschen.
Auf welche Produktinnovation der vergangenen Jahre aus Ihrem Hause sind Sie besonders stolz?
Wolf: Den sehr großen Erfolg unserer Dividendenstrategie beim BNY Mellon Global Income Fonds!
In welcher Kundengruppe haben Sie in den vergangenen ein bis zwei Jahren die größten Marktanteile hinzugewonnen und was war der Schlüssel für diesen Erfolg?
Wolf: Im Bereich der Dachfondsmanager haben wir in der letzten Zeit gute Erfolge verbucht. Hintergrund dafür war die sehr enge Betreuung der Kollegen und die Möglichkeit, die internationalen Portfoliomanager von BNY Mellon in Deutschland zu haben.
Auf welchen Vertriebskanal legen Sie in den kommenden Monaten einen besonders starken Fokus und warum?
Wolf: Fokus wird insbesondere auf den (Privat-) Banken liegen, weil wir einige Strategien im Angebot haben, die sehr gut zu der Klientel und zu den Investmentprozessen einiger dieser Finanzinstitute passen.
Welchen Rat würden Sie einem IFA mit Schwerpunkt Investmentgeschäft geben, der nach Wegen sucht, seinen Beratungs- und Vertriebserfolg zu steigern?
Wolf: Hauptaugenmerk sollte auf der Selektion und dem so genannten After-Sales-Service liegen, also zum Beispiel dem Aufrechthalten des kontinuierlichen Kontakts und Informationsflusses zu Bestandskunden.
Wo und warum sehen Sie für sich und Ihre Mitbewerber das größere Risiko für sinkende Fondsumsätze im Bereich Volksbanken und Sparkassen: Durch ein Zurückfahren der offenen Architektur oder durch den fortschreitenden Abbau von Filialen?
Wolf: Ich denke beides beeinflusst sich wechselseitig.
Welchem Ihrer Vertriebskanäle – Banken oder IFAs – trauen Sie eher zu, das Potenzial von Robo-Advisors für sich zu nutzen und hierüber ihren Fondsabsatz zu steigern?
Wolf: Ich kann mir gut vorstellen, dass Robo-Advisor im Bereich von IFAs einen gewissen Mehrwert liefern, jedoch sollte man nicht vergessen, dass bereits jetzt schon einzelne IFA-Pools ähnliche Konzepte zur Selektion und Risikosteuerung haben wie Robo-Advisors.
Wo sehen Sie die größten Risiken für ein rückläufiges Fondsgeschäft in den kommenden ein bis zwei Jahren?
Wolf: Eindeutig in der Verunsicherung der Investoren durch die geopolitische Lage. Mit Blick auf die Marktbewertungen und Unternehmensausblicke kann das Risiko nur ein politisches sein.
Einige Marktteilnehmer bezeichnen Robo-Advisor als den Fonds-Vertriebsweg der Zukunft, als digitale Antwort auf die vertrieblichen Herausforderungen in der Fondsbranche, die 95 Prozent der Bevölkerung den Weg zur privaten Vermögensbildung öffnen wird. Würden Sie sich dieser These anschließen?
Wolf: Nein. Die 95 Prozent sind meiner Meinung nach komplett zu hoch angesetzt. Es gibt eine gewisse Investorenschicht innerhalb derer Robo-Advisor einen Vorteil haben. Aber dass darüber nun 95 Prozent der Bevölkerung Fonds-Vermögen bilden werden, weil ein Algorithmus den Value-at-Risk steuert, finde ich ein wenig übertrieben.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Trend „Robo-Advisor“ für Ihr Haus? Wie wollen Sie von diesem Trend profitieren?
Wolf: BNY Mellon, als eines der größten globalen Finanzdienstleistungs-Unternehmen, schaut sich natürlich die Konzepte an und setzt diese bereits zum Teil ein. Zu erklären, wie dies genau geschieht, würde hier jedoch zu weit führen und bietet genügend Gesprächsstoff für ein separates Interview.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisorn?
Wolf: Vorab erwähnt finde ich es gut, dass wir nationale Robo-Advisor haben. Die Ergebnisse – insbesondere in den kurzen Korrekturphasen – haben mich aber nicht überzeugt.
Von: Felix Hannemann/Iris Bülow
Quelle: Das Investment