Allianz | Frankfurt, 12.06.2015.
Zu Wochenbeginn zeichneten die Leitbörsen in den USA, Asien und Europa ein bestenfalls durchwachsenes Bild. Inmitten einer wogende See scheinen sich die Aktienanleger weiter auf der Richtungssuche zu befinden. Zwischenzeitlich fiel der Dax unter die Marke von 11.000 Punkten, erstmals seit Mitte Februar. Der wieder stärkere Euro-Wechselkurs und die Sorge über zurückschwappende Liquidität dürften eine Rolle gespielt haben. US-Anleger standen derweil noch unter dem Eindruck der stärker als erwarteten Arbeitsmarktdaten im Mai, die ein Hissen der zinspolitischen Segel durch Fed-Präsidentin Janet Yellen im September wahrscheinlicher werden lassen.
Und die Rentenmärkte? Der jüngste Ausverkauf hat gezeigt, dass Renditerückgänge keine Einbahnstraße sind (siehe auch unseren QE Monitor) – nachdem das massive Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) anfänglich fundamentale Einflussfaktoren weitgehend außer Kraft gesetzt hatte. Nun werden die Euro-Anleihemärkte zwischen den Antipoden hin- und hergeschoben: Dem Nachfrageüberhang im Umfeld des EZB-Kaufprogramms auf der einen Seite stehen fundamentale Renditetreiber wie Konjunkturoptimismus, steigende Inflationserwartungen und die nahende US-Leitzinswende auf der anderen Seite gegenüber. So hat sich der zehnjährige Transatlantik-Spread in den vergangenen Wochen wieder eingeengt (siehe Grafik der Woche).
„Ein positives Urteil des EuGH zur Rechtmäßigkeit des OMT-Programms könnte der EZB auch für die laufenden unkonventionellen Maßnahmen Rückhalt geben.“
Die EZB scheint unterdessen über den Renditeanstieg – zwischenzeitlich kletterte die Bundrendite über 1% – hinwegzuschauen. Marktteilnehmer müssten sich an Phasen höherer Volatilität gewöhnen, so Mario Draghi. Vielmehr zeigen sich die Währungshüter optimistisch in Bezug auf die realwirtschaftliche Wirkung des QE-Programms.
Für zusätzliche Ruhelosigkeit sorgte die Griechenland-Odyssee, die sich unverändert „zwischen Skylla und Charybdis“ abspielt, während Europas Politiker, allen voran Angela Merkel und François Hollande, versuchen, das hellenische Boot im ruhigeren Fahrwasser des Euroraums zu halten.
Wird sich die Unruhe in der kommenden Handelswoche legen?
Ein positives Urteil des EuGH (Di) zur Rechtmäßigkeit des OMT-Programms theoretisch unbegrenzter Staatsanleihekäufe könnte der EZB auch für die laufenden unkonventionellen Maßnahmen Rückhalt geben. Von Interesse für die EZB-Beobachter dürfte zudem die Inanspruchnahme des vierten zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsgeschäfts (TLTRO) (Do) sein.
Zusätzlich stehen gleich drei Zinsentscheide auf der Agenda: die Sitzungen des US-Offenmarktausschusses (FOMC) und der Schweizerischen Notenbank (SNB) am Dienstag sowie jene der Bank of Japan (Fr).
Die US Federal Reserve wird als erste große Notenbank den Exit aus den vormals unbekannten Gewässern der unkonventionellen Geldpolitik zu meistern haben. US-Anleger dürften ihr Augenmerk daher insbesondere auf die neuen FOMC-Projektionen zu Zinsen (Dots!), Wachstum, Inflation und Arbeitslosenquote legen. Einen Fingerzeig für die US-Konjunktur werden darüber hinaus der Empire State Manufacturing Index (Mo), die Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung (Mo), Baubeginne (Di), Verbraucherpreise und Realeinkommen (Do) sowie der Philly-Fed Index (Do) liefern.
Während die Inflation im Euroraum, wie von uns erwartet, wieder positives Terrain erreicht hat, dürfte die SNB angesichts verschärfter Deflationstendenzen seit der Wechselkursfreigabe des Schweizer Franken ihre expansive Zinspolitik beibehalten (Di). Auch in China deuten die nachlassende Inflationsdynamik und schwachen Importdaten im Mai auf eine weniger robuste Binnenwirtschaft hin – und lassen weitere monetäre und fiskalpolitische Maßnahmen erwarten.
In Großbritannien werden die Verbraucherpreis- (Di) und Arbeitsmarktdaten (Mi) für Mai veröffentlicht, bevor sich die Bank of England in die Karten schauen lässt (Sitzungsprotokoll, Mi). Im April war die britische Inflationsrate erstmals seit über 50 Jahren in den negativen Bereich abgedriftet (-0,1 % j/j). Wenig überraschend hielt der geldpolitische Rat am 4. Juni an seinem Kurs – Bank Rate von 0,5 % und Zielgröße für das Anleihekaufprogramm von 375 Mrd. Pfund – fest. Die schwache Verbraucherpreisentwicklung dürfte allerdings nur ein vorübergehendes Phänomen sein (aufkommender Lohndruck, Ölpreise erholen sich von ihren Tiefstständen).
Zum Wochenabschluss werden sich die Eurogruppe (Do) und der ECOFIN (Fr) erneut insbesondere mit der Situation in Griechenland befassen. Nachdem es Athen ermöglicht wurde, sämtliche im Juni anfallende Zahlungen an den IWF erst in einem Gesamtbetrag am Monatsende zu leisten, konzentrieren sich die Risiken wohl auf ein Tauziehen bis zum 30. Juni, wenn das verlängerte Hilfsprogramm ausläuft. Wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, dürften die Verhandlungsparteien jeden sich bietenden Handlungsspielraum ausreizen.
Gut nur, dass die Geldpolitik auf eine Fortsetzung des Bekannten setzen dürfte, während sich das Marktbild aus charttechnischer Sicht verbessert. Die deutlich überverkaufte Marktlage (Relative Stärke-Indikatoren) lässt zumindest eine Gegenbewegung erwarten.
Ein ruhigeres Fahrwasser in der kommenden Woche wünscht uns allen
Ann-Katrin Petersen Assistant Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research