Allianz | Frankfurt, 05.08.2016.
Das hätte sich die britische Rockband Dire Straits auch nicht träumen lassen, dass es wirklich einmal “Money for nothing” – “Geld umsonst” – geben würde, zumindest bezogen auf die Refinanzierung der Staatsschulden. Wir sind auf der Zinsseite am tiefsten Punkt einer 5.000-jährigen Geschichte an “Schulden und Sühne” angekommen, das ist schon länger bekannt. Dass negative Umlaufrenditen bei Staatsanleihen der Industriestaaten eher die Regel als die Ausnahme sind, auch. Denn tatsächlich sind Negativrenditen auf Staatsanleihen ein globales Phänomen.
Weltweit sind gegenwärtig Staatsanleihen im Wert von mehr als neun Billionen US-Dollar – knapp 39 % des Staatsanleihenuniversums der Industrieländer – mit einer negativen Rendite behaftet. Spitzenreiter ist Japan.
Ein Novum ist, dass ein Finanzminister in Europa mittlerweile sogar 10-jährige Staatsanleihen emittieren kann, ohne seinen Gläubigern einen Kupon zu zahlen, wie Mitte Juli erstmals geschehen. Tragisch nur: Es mag bei der Haushaltssanierung helfen, zu einem nachhaltigen Abbau des Schuldenberges führt dies aber nicht, wie unsere Studie “Niedrigzinsen und der Abstieg vom Schuldengipfel” zeigt. Zumindest nicht, wenn es mittelfristig wieder zu einer Normalisierung der Renditen und damit der Refinanzierungskosten für die Staatsschulden kommt. Das Wirtschaftswachstum allein ist dann, selbst bei einem ausgeglichenen Primärhaushalt, einfach nicht stark genug, um ein Herauswachsen aus den Schulden zu bewirken. “Money for nothing” – Schulden ohne Sühne. Traum der Finanzminister, Albtraum der Sparer.
Während die Geldpolitik im Rahmen der G4 weiter expansiv bleibt und die US-Zentralbank den nächsten Zinsschritt immer weiter nach hinten verschiebt (ja selbst schon das “Helikopter Geld” aus Richtung der Federal Reserve Bank of Cleveland über den News-Ticker flimmerte), geht die Renditesuche der Investoren weiter.
Der August dürfte ein entspannterer Anlagemonat werden. Gleich zu Beginn offenbart die Bank of England, welchen Weg sie nach dem britischen Referendum einschlagen will. Die Präsidentschaftswahlen in den USA rücken erst langsam näher. Und die Konjunkturdaten müssen zeigen, ob sie die Erwartungen eines positiven Wachstumspfades weiter erfüllen. Hierbei sollten vor allem die europäischen Daten unter dem Aspekt der Post-Referendum-Unsicherheiten betrachtet werden.
Gute Rendite statt billigen Geldes wünscht Ihnen
Hans-Jörg Naumer
Taktische Allokation Aktien & Anleihen
Das weltweit niedrige Produktivitätswachstum dämpft den langfristigen Wachstumsausblick.
Die Geldpolitik sollte insgesamt stützend wirken. Die Jagd nach Rendite und Kapitaleinkommen fördert strukturell die Aktienmärkte.
Trotz bestehender Belastungsfaktoren (politische Unsicherheit, niedriges Gewinnwachstum bei den Unternehmen, Unsicherheit bzgl. der US-Geldpolitik, Liquiditätsrisiken, Bewertungen in einigen Vermögensklassen) sollten riskantere Vermögensklassen mittel- bis langfristig weiterhin ggü. Anleihen bevorzugt werden.
Aktien Deutschland
Die Konjunkturindikatoren weisen auf eine Fortsetzung des Wirtschaftswachstums hin, welches von der unverändert lockeren Geldpolitik gestützt wird.
Der aussagekräftige ifo-Konjunkturklimaindex zeigte sich von dem britischen Referendum als weitestgehend unbeeindruckt.
Gemessen an ihrem langfristigen Durchschnitt sind deutsche Aktien gem. Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis leicht unterbewertet.
Aktien Europa
Die ökonomischen wie politischen Risiken sind nach dem britischen Referendum gestiegen. Der bevorstehende BREXIT belastet das Unternehmens- und Konsumentenvertrauen.
Das Rezessionsrisiko ist für den Inselstaat gewachsen, was auch die Wirtschaft des Kontinents beeinflussen dürfte. Die direkten Auswirkungen einer schwächeren UK-Wirtschaft erscheinen jedoch im globalen Kontext vernachlässigbar.
In der Eurozone setzte sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit weiter fort. Die Euro-Abwertung führt zu einem anschwellenden Überschuss in der Leistungsbilanz.
Im Vergleich mit den USA erscheinen europäische Aktien als attraktiv bewertet. Das Verhältnis der positiven zu den negativen Gewinnrevisionen der Analysten (“Revisionsmomentum”) hat sich bei europäischen Aktien weiter verbessert.
Taktisch orientierte Investoren könnten eine Untergewichtung erwägen, bis sich der Post-Referendum-Nebel gelichtet hat.
Aktien USA
Das Bruttoinlandsprodukt entwickelte sich im ersten Quartal nur moderat. Gemäß der vorlaufenden Indikatoren sollte sich in dem Aggregat für das zweite Quartal 2016 eine höhere Dynamik manifestieren.
Die Dollaraufwertung und ein starker Anstieg der Lohnstückkosten schlagen sich in einen Gewinnrückgang bei den Unternehmen nieder.
US-Aktien sind bewertungsseitig nicht auf steigende mittelfristige Wachstumsrisiken vorbereitet, da sie bereits hoch bewertet sind.
Bei auftretenden Unsicherheiten sollte der US-Aktienmarkt von seinem Status als “sicherer Hafen” profitieren.
Aktien Japan
Der private Verbrauch trippelt auf der Stelle, der Frühindikator für die gesamte Wirtschaft tauchte im Juli wieder in negatives Terrain ab. Die Preisentwicklung bleibt deutlich hinter dem 2-%-Inflationsziel zurück.
Die bisher insgesamt wenig überzeugenden Wirkungen von “Abenomics” lassen Spekulationen bzgl. eines weiteren Maßnahmenbündels der Bank of Japan (BoJ) breiten Raum. Der Schritt zum “Helikoptergeld” ist nur noch ein Spiel mit Worten.
Das Revisionsmomentum bei japanischen Aktien ist dürftig. Der erstarkte Yen belastet die Gewinnaussichten.
Aktien Emerging Markets
In China wie in den Schwellenmärkten mehren sich die Zeichen einer zyklischen Stabilisierung, allerdings nehmen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in China weiter zu.
Die Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern haben an Fahrt verloren, was den Druck auf Anlagen in Schwellenmärkten lindert und kurzfristig orientierte Investoren zu einer taktischen Übergewichtung veranlassen könnte.
Eine Stabilisierung der Rohstoffpreise verschafft dem Anlagesegment eine Atempause, wenngleich ein nachhaltiger Aufschwung auch noch auf schwachen Füßen steht.
Branchen
Die Frühindikatoren sprechen tendenziell für eine bessere Performance der zyklischen Werte, inklusive der Finanz- und Rohstoffwerte. Da dies nicht im Einklang mit den Niveaus am Anleihenmarkt und deren Status als “sichere Häfen” steht, liegt aktuell eine defensive Sektorenallokation nahe.
Ohne Wachstumsbeschleunigung und ohne klaren Reflationstrend sollten Wachstums- ggü. Value-Aktien bevorzugt werden. Gegenbewegungen können aber immer dann erfolgen, wenn die Bewertungsprämie für Wachstumsaktien zu hoch wird.
Investmentthema: Inflationsindexierte Anleihen
Die Gesamtinflationsrate hängt im Schlepptau des Ölpreises, des Preises für landwirtschaftliche Rohstoffe und des Wechselkurses. Mit dem Anstieg des Ölpreises dürften auch die Inflationsraten in den USA und in Europa wieder ansteigen.
Die Kerninflation wird durch die Differenz zwischen aggregierter Nachfrage und potenziellem Angebot erklärt, also der Produktionslücke. In vielen Industrieländern hat sich die Produktionslücke deutlich eingeengt oder ist bereits geschlossen. Dies spricht für ein weiteres Anziehen der Kerninflationsrate.
Die langfristigen Inflationserwartungen für die USA und die Eurozone zeigen sich, gemessen an den Erwartungen der professionellen Prognostiker, als geldpolitisch unbeeindruckt. Sie bleiben bei nahezu 2 % verankert mit Sicht auf die nächsten fünf Jahre. Wer eine höhere Inflationsrate als der Markt erwartet, oder zumindest kein weiteres Abgleiten darunter, für den könnten inflationsindexierte Anleihen interessant sein.
Euro Renten
Das BREXIT-Thema sollte die Kurse der europäischen Kern-Staatsanleihen neben der lockeren Geldpolitik in den kommenden Monaten zusätzlich stützen.
Die Renditen sind dabei auf einem Renditetief angekommen, das im Rückblick auf 5.000 Jahre Geschichte von Schulden und ihrer Refinanzierung nur als historisch niedrig bezeichnet werden kann.
Knapp 50 % aller Euro-Staatsanleihen weisen eine negative Nominalrendite aus.
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss sich überlegen, mit welchen Maßnahmen sie auf die Knappheit an aufkaufbaren Staatsanleihen am Euro-Staatsanleihenmarkt reagiert.
Renten International
Der US-Geldmarkt scheint an dem Willen der Federal Reserve (Fed) zu weiteren Leitzinsanhebungen zu zweifeln. Bis zum Herbst 2017 wird lediglich ein Zinsschritt von 25 Basispunkten eingepreist.
Aktuell wird ein Pfad an Leitzinserhöhungen eingepreist, der deutlich flacher verläuft als von den Mitgliedern des Fed-Offenmarktausschusses (FOMC) erwartet.
Die verhaltenen Inflationserwartungen und das Umfeld der “Finanziellen Repression sollten einen US-Renditeanstieg dämpfen. Fundamental bewegen sich diese jedoch auf der teuren Seite.
Renten Emerging Markets
Strukturelle Belastungsfaktoren, wie z.B. ein hoher Verschuldungsgrad und ein nachlassendes Wachstumspotenzial, haben den mittel- bis langfristigen Ausblick für Schwellenländeranleihen getrübt.
Spekulationen um eine, wenn auch nur geringfügig, weniger expansive Geldpolitik in den USA können immer wieder für Belastungen sorgen. Allerdings hat sich das zyklische Umfeld für Schwellenländeranleihen zuletzt stabilisiert, was sich auch an den Mittelzuflüssen in diese Assetklasse zeigt.
Die hohen Nominalrenditen dürften mittelfristig stützen.
Unternehmensanleihen
Die Risikoprämien von US-Unternehmensanleihen (incl. High Yield-Anleihen, also Anleihen schlechterer Bonität) sind auf Basis aktueller Fundamental- und Marktdaten nach hauseigenen Modellen moderat attraktiv bewertet.
Auch bei den Euro-Hochzins- und Investment Grade-Unternehmensanleihen zeigen sich weitgehend faire Niveaus bei den Renditezuschlägen. Investment Grade-Anleihen scheinen im längerfristigen Vergleich auf der Grundlage der impliziten Ausfallwahrscheinlichkeiten als leicht unterbewertet. Nicht-Finanzwerte haben dabei eine höhere Attraktivität als Anleihen von Finanzwerten.
Währungen
Die verstärkte Wahrnehmung der politischen und wirtschaftlichen Risiken sollte den Euro-Dollar-Wechselkurs weiter schwächer tendieren lassen.
Der Appetit auf Long-Positionen beim US-Dollar und japanischen Yen hat nachgelassen.
Der US-Dollar zeigt sich unverändert als hoch korreliert mit den Rohstoffpreisen.
Der Kurs des britischen Pfunds ist geradezu kollabiert. Es ist gekoppelt an den Erwartungen einer zukünftig lockeren Geldpolitik der Bank of England und erscheint derzeit als fundamental unterbewertet.