SJB | Korschenbroich, 30.05.2014. Nigeria gilt als Gigant Afrikas. Das prognostizierte Bruttoinlandsprodukt-Wachstum von 7,1 Prozent übersteigt sogar das BIP Südafrikas. Mit dem Ausbau der Infrastruktur und der Privatisierung der Stromversorgung könnte Nigeria zum neuen „Wachstumsmotor“ der Region werden. Mark Mobius blickt insbesondere auf die konsumorientierten Unternehmen.
Ich bin schon seit geraumer Zeit ein Fan der Grenzmärkte, insbesondere, wenn es um Afrika geht, und dort vor allem bei Investitionen in Nigeria. Vom 7. bis 9. Mai hatte Abuja in Nigeria die Ehre, Gastgeber des „World Economic Forum on Africa“ zu sein, eine Veranstaltung, die in 17 der vergangenen 23 Jahre in Südafrika stattfand. Die Veranstaltung bot Nigeria die Möglichkeit, sein wirtschaftliches Potenzial zu präsentieren und Anlegervertrauen zu bilden.
Leider veranschaulichte die schockierende Entführung der Schulmädchen durch Boko Haram, die möglicherweise darauf abzielte, die Regierung zum Zeitpunkt des Forums in Verlegenheit zu bringen, dass Nigerias Weg nicht leicht sein wird. Meine Gedanken sind bei den Familien der Mädchen und ich hoffe, sie werden wohlbehalten zu ihnen zurückkehren.
Ich glaube nicht, dass selbst so ein abscheulicher, terroristischer Akt Nigerias Weg zu zukünftigem wirtschaftlichem Wachstum aufhalten wird. Aus Investorensicht betrachtet, sehen wir trotz der Herausforderungen aus vielerlei Gründen Potenzial in Nigeria.
Nigerias Volkswirtschaft wächst weltweit am schnellsten
Obwohl flächenmäßig nicht das größte afrikanische Land, ist Nigeria in anderer Hinsicht ein Gigant – und ganz bestimmt kein schlafender. Nigeria war mit 174 Millionen Einwohnern im Juli 2013 das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Erst vor kurzem überholte es Südafrika und nahm die Spitzenposition als größte Volkswirtschaft des Kontinents ein.
Wie war das möglich? Nigeria ist ohne Frage schnell gewachsen. Das Land gehörte in den letzten Jahren zu den am schnellsten wachsenden Ländern Afrikas. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lag in Nigeria 2013 bei 6,3 Prozent und soll dieses Jahr 7,1 Prozent erreichen.
Südafrikas Wachstum war dagegen bescheidener. Es belief sich 2013 auf 1,9 Prozent und soll 2014 auf 2,3 Prozent steigen. Mit einem BIP-Wachstum von mehr als 6 Prozent pro Jahr seit 2003 gehört Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften – nicht nur Afrikas, sondern auch der Welt.
Bruttoinlandsprodukt übersteigt die Erwartungen
Manche sagen, hinter den Zahlen des nigerianischen Bruttoinlandsprodukts verberge sich ein Geheimnis. Die Annahmen zur Wirtschaftslage seien Jahre veraltet, da die BIP-Daten Nigerias seit 1990 nicht mehr neu justiert worden sind. 2013 kündigte das nationale Statistikbüro Nigerias Pläne an, die Daten von 1990 bis 2010 neu anzupassen.
Es gab Gerüchte, die Neujustierung sollte den Eindruck vermitteln, die Wirtschaft sei viel größer als zuvor berichtet. Sektoren, die 1990 kaum existierten, würde heute eine stärkere Gewichtung beigemessen. Anfang April 2014 wurden dann die neuen Zahlen für das nigerianische BIP veröffentlicht. Mit 509,9 Milliarden US-Dollar lag die neue BIP-Zahl 2013 um etwa das 1,9-fache über der vorherigen Schätzung.
Wachstumsmotor für das südliche Afrika
Natürlich darf man nicht nur auf die Zahlen schauen, denn es bestehen viele wichtige Einschränkungen. Das südafrikanische Pro-Kopf-BIP bleibt nach wie vor weit über dem Nigerias und die Marktkapitalisierung des südafrikanischen Aktienmarkts ist mehr als doppelt so hoch wie die des nigerianischen.
Südafrika wird, im Gegensatz zu allen anderen Ländern im restlichen Afrika, die zu den „Grenzmärkten“ gehören, als einziger Markt in Afrika als „Schwellenmarkt“ klassifiziert. Unserer Meinung nach wird Südafrika daher noch länger das wichtigste Ziel für einen Investmenteinstieg in Afrika bleiben – und ist somit auch ein Land, an dem wir weiterhin starkes Interesse haben.
Unseres Erachtens haben die Entwicklungen in Nigeria große Auswirkungen auf den gesamten Kontinent. Nigeria könnte ein Vorbild für andere Länder und ein „Wachstumsmotor“ für das restliche südliche Afrika sein. Natürlich hat Nigeria viele Probleme und die Art und Weise, wie die politische Führung diese Probleme löst, wird bestimmen, wie zügig der Fortschritt im Land vorangeht.
Stromversorgung vor Privatisierungsprozess
Wichtig sind zum Beispiel die grundlegenden öffentlichen Dienste. Am offensichtlichsten hier ist die Stromversorgung. Die meisten Hotels und Unternehmen sind wegen der Unzuverlässigkeit der staatlichen Stromversorgung auf ihre eigenen Benzin- oder Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung angewiesen.
Mein Team und ich sind in Nigeria oft genug bei Stromausfall im Fahrstuhl stecken geblieben. Wir wissen also aus erster Hand, wie wichtig Strom für Wirtschaft und Unternehmen ist, um die Dinge am Laufen zu halten. Falls der Privatisierungsprozess in Nigeria erfolgreich verlaufen sollte, könnte sich das unserer Meinung nach als revolutionäre Veränderung des Landes erweisen.
Regierung muss Ausbau der Infrastruktur vorantreiben
Die nigerianische Regierung scheint entschlossen, viele größere Probleme, die der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten im Wege standen, zu beheben. Die riesigen Öl- und Gasvorkommen in Nigeria sind ein Beispiel. Das Land ist bezüglich Öl- und Gasförderung weltweit ganz oben dabei. Aufgrund von Korruption, Ineffizienz und weit verbreiteten Diebstählen ist die Outputleistung aber verkümmert.
Gleichzeitig haben subventionierte Kraftstoffpreise Anreize zur Raffination und Vermarktung von Öl derart verzerrt, dass Nigeria zu einem der größten Importeure von Raffinerieerzeugnissen in Afrika geworden ist.
Von unserem Anlegerstandpunkt aus betrachtet besteht die größte Herausforderung für Nigeria darin, eine Regierungsführung aufzustellen, deren Bestreben die wirtschaftliche Entwicklung ist, sowie der Wunsch, die Ressourcen des Landes zum Bau von Infrastruktur zu nutzen: Straßen, Eisenbahnen, Strom, Abwasserbeseitigung, Wasser und so weiter. Wir glauben, dies würde eine Basis für das Wachstum neuer Unternehmen und mehr Arbeitsplätze schaffen.
Mangel an funktionierender Bürokratie
Natürlich hat Nigeria mit Problemen zu kämpfen, wie sozialen Unruhen, Korruption und religiöser Intoleranz. Soziale Ungleichheit führt überall in der Welt zu Instabilität. Wir glauben aber, das primäre Problem in Nigeria ist der Mangel an öffentlichen Diensten und ein Bürokratieapparat, der Fortschritte aufhält. Seitdem Mobiltelefone sich im ganzen Land verbreitet haben, beginnen die Nigerianer sich der staatlichen Ineffizienzen und der Korruption bewusst zu werden.
Das hat zu Unmut und Unfrieden geführt. Und das kann leider zu der Art von Gewalt führen, wie sie vor kurzem erst in Abuja aufgelodert ist. Bei aller Tragik kann diese größere Transparenz auch zu positiven Veränderungen führen. Und die Botschaft scheint bei der politischen Führung in Nigeria anzukommen.
Die Technologie hat es den Menschen, die von der Gewalt genug haben, ermöglicht sich zur organisieren und friedlich zu protestieren. Wir hoffen, das Land und seine Menschen können zusammenfinden, um ihre Differenzen zu beheben und gemeinsam in eine positivere Zukunft zu schreiten.
Gutes Pro-Kopf-Einkommen und Wachstumspotenzial
Unserer Meinung nach sind die Bewertungen, die in einigen Bereichen Nigerias und in anderen Grenzmärkten ein stärkeres Anlegerinteresse fanden, bald ausgereizt. Wir entdecken aber nach wie vor viele potenzielle Gelegenheiten, nicht nur in Nigeria, sondern auch an der Elfenbeinküste, in Ghana, Kenia und in anderen Grenzmärkten. Wir sind selektive Stockpicker und verbringen eine Menge Zeit damit, so viele Unternehmen wie möglich zu besuchen und zu analysieren, um festzustellen, ob diese Unternehmen über das verfügen, das wir für echten Wert und Potenzial halten. Dabei denken wir langfristig.
Mit Blick auf bestimmte Sektoren oder Themen interessieren uns konsumorientierte Unternehmen in Nigeria (und in anderen afrikanischen Regionen) derzeit am stärksten. Überall steigen die Pro-Kopf-Einkommen und das Wachstumspotenzial erscheint uns recht gut, nicht nur in Nigeria, sondern auch anderenorts in Afrika. Wir konzentrieren uns auf alles, was mit Konsumgütern und Dienstleistungen zu tun hat, auch auf das Privatkundengeschäft der Banken.
Die Konzentration auf Konsumgüter-Produzenten
Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit dem Geschäftsführer eines Softdrink-Herstellers in Nigeria erinnern. Als ich ihn fragte, wer sein größter Konkurrent sei, sagte er: „Meine größten Konkurrenten sind nicht die anderen Hersteller von Softdrinks, sondern die Mobilfunkanbieter. Denn wenn ein Kunde etwas Geld übrig hat, muss er sich entscheiden, ob er sich eine Flasche meines Getränks kaufen soll oder Guthaben für sein Handy!“
Ich hoffe, die positiven Meldungen über die wirtschaftliche Lage Nigerias und die Bestätigung, die es als Gastgeber des „World Economic Forum on Africa“ dieses Jahr erhalten hat, werden zu noch mehr positiven Veränderungen führen und zur Friedensbewegung im Land beitragen. Ich als Anleger sehe meine Aufgabe darin, optimistisch zu bleiben bezüglich der Länder und Unternehmen, in die ich investiere. Meiner Meinung nach wären Anleger in andere Schwellen- und Grenzmärkten nachlässig, würden sie das Potenzial ignorieren, das wir in dem afrikanischen Giganten Nigeria sehen.
Von: Mark Mobius
Quelle: DAS INVESTMENT.