Die Volatilität ist zurück, beobachtet Michael Scholtis. Der Fondsmanager der Plutos Vermögensverwaltung aus Taunusstein erwartet daher einen „schmerzhaften Weg in die Normalität“. Doch Value-Aktien und strukturierte Produkte profitieren in dieser Situation. Wir hatten uns doch gerade so schön daran gewöhnt, dass Aktienkurse in kleinen Schritten aber stetig ansteigen. Immer wenn Gefahr drohte, konnten sich Anleger auf die rettenden Worte der Zentralbankchefs verlassen. Doch damit ist es nun vorbei.
Mit dem Rückzug der Zentralbanken aus der lockeren Geldpolitik wurde eine neue Ära eingeleitet und jetzt ist auch die niedrige Volatilität an den Aktienmärkten Geschichte.
Sinkende Aktienkurse als Auslöser für Rezession
Sorgen um die Weltwirtschaft treiben die Börsianer um und das zu Recht. Unter dem Handelskrieg leidet die asiatische Wirtschaft, und auch die exportstarken deutschen Unternehmen mussten ihre Ergebniserwartungen im Jahr 2018 anpassen. Nur in den USA läuft es noch rund. Noch, denn die Effekte von Trumps Steuersenkungsprogramm sind bereits verarbeitet, und die die gestiegenen US-Zinsen belasten die Unternehmensgewinne.
Doch damit nicht genug, schmälern sie auch das Budget amerikanischer Konsumenten. Diese finanzieren ihren Lebensstandard nämlich, anders als die Deutschen, gerne auf Pump – und mit Gewinnen aus ihrem Aktienvermögen. Die Aktionärsquote liegt bei 25 Prozent der Gesamtbevölkerung (vgl.: Deutschland 6 Prozent).
Gratwanderung zur Bekämpfung der Inflation
Und genau hier liegt derzeit die Gefahr: Die Federal Reserve (Fed) muss eine Gratwanderung zur Bekämpfung der Inflation meistern. Allzu leicht könnte sie die US-Wirtschaft mit weiteren Zinserhöhungen abwürgen, befürchten verunsicherte Aktieninvestoren. Sollten sie die Wall Street auf Talfahrt schicken, drohen tatsächlich realwirtschaftliche Auswirkungen.
Die US-Wirtschaft ist nach wie vor stark konsumabhängig, die Konsumausgaben privater Haushalte betragen fast 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Koppelung zwischen fallenden Aktienkursen und sinkender Kauflust der Verbraucher stellt in den USA eine ernsthafte Bedrohung für die Wirtschaft dar, und ist damit auch für die angeschlagene Weltwirtschaft eine Gefahr.
Poltische Machtkämpfe treiben Volatilität an
Tatsächlich ist es aber der Machtkampf zwischen US-Präsident Trump und Notenbankchef Powell, der die Börsianer stark verunsichert. Sie fürchten, dass die Fed auch bei Anzeichen für einen Abschwung so strikt an ihrem Zinserhöhungsprogramm festhalten wird, wie sie es im Dezember zum Ausdruck gebracht hat. Es waren die Anfeindungen Trumps zur Unabhängigkeit der Notenbank, die Powell zu dieser extremen Haltung gezwungen haben.
Dass er im Ernstfall gegen die Interessen der Wirtschaft handeln würde, halten wir bei Plutos für unwahrscheinlich. Doch die Lage ist viel zu sehr politisch geprägt, um heute logische und verlässliche Voraussagen für morgen treffen zu können. Wie auch immer dieses Machtspiel am Ende ausgeht, wird es wohl, neben den politischen Herausforderungen wie dem Brexit und der Eskalation des Handelsstreits, der Haupttreiber für einen weiteren Anstieg der Volatilität sein.
Schmerzhafter Weg zur Normalisierung
Eine niedrige Volatilität, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, ist nicht der Normalfall. Die Notenbanken hielten die Schwankungsbreite an den Aktienmärkten seit Ausbruch der Finanzkrise im Zaum. Immer wenn es brenzlig wurde, waren sie mit Liquidität gegen Volatilität zur Stelle. Das lässt sich an den Volatilitätsindizes weltweit ablesen, das „Angstbarometer“ V-Dax-New beispielsweise fiel im Verlauf der Jahre 2016 und 2017 auf immer tiefere Niveaus.
Hier hat 2018 eine Trendwende stattgefunden, der Index nähert sich seitdem wieder seinem langfristigen Durchschnitt an. Eine Auswertung der HSBC zeigt auch, dass sich beim S&P 500 eine Rückkehr zur Normalität einstellt. Im Jahr 2017 wies dieser an lediglich acht Tagen eine Indexveränderung von mehr als einem Prozent auf, 2018 waren es schon über 60 Tage.
Zuversicht der Fondsmanager lässt nach
Aktienanleger sollten sich allerdings auf einen schmerzhaften Übergang einstellen. Denn so wie das Pendel in die eine Richtung ausgeschlagen hat, wird es im Normalisierungsprozess auch Übertreibungen in die andere Richtung geben, bevor sich ein faires Gleichgewicht stabilisiert. Laut der Statistik der Bank of America (BofAML) hat die Zuversicht der Fondsmanager bereits nachgelassen.
Per Saldo waren im Dezember nur noch 16 Prozent in Aktien übergewichtet. Doch die Anzahl derer, die in Aktien übergewichtet sind, ist immer noch höher als die der Pessimisten. Das lässt Spielraum für weitere Verunsicherung und eine weiter ansteigende Volatilität mit zeitweise extremen Entwicklungen in den kommenden Monaten ist sehr wahrscheinlich.
Value-Aktien, strukturierte Produkte profitieren
Vorsichtige Anleger, die werthaltige Aktienanlagen der Liquidität vorziehen, sollten in den kommenden Monaten auf Value statt Growth setzen. Zumindest relativ gesehen sollten sie damit besser durch die stürmischen Zeiten an den Börsen kommen.
Und auch Liebhaber strukturierter Produkte kommen langsam wieder auf ihre Kosten. Von der zunehmenden Volatilität profitieren die zugrundeliegenden Optionen, und das Risiko-Gewinn-Profil von Zertifikaten wird dadurch attraktiver.
Von: Michael Scholtis
Quelle: Das Investment