Wenn sich Anleger scharenweise auf Indexfonds stürzen, verzerre das den Wettbewerb und führe zu Fehlbewertungen am Markt. Renaud de Planta, Pictet-Teilhaber und Chef von Pictet Asset Management, befürchtet, dass der Megatrend eine ganze Spirale von negativen Folgen nach sich ziehen könnte.
Passives Investieren wird bei Anlegern immer beliebter. Anbieter von ETFs und nicht börsennotierten Indexfonds erleben in den vergangenen Jahren eine rasante Zunahme an Mittelzuflüssen. Der Trend könne noch einige bedenkenswerte Folgen haben, warnt Renaud de Planta, Pictet-Teilhaber und Chef von Pictet Asset Management in einem Gastbeitrag für das Hamburger Analyseunternehmen Absolut Research. Konkret befürchtet der Experte Fehlbewertungen von Unternehmen und Wettbewerbsverzerrungen am Markt.
Sollten Anleger sich im selben Tempo wie bisher weiter auf Passivprodukte stürzen, könnten bereits 2030 alle börsennotierten Aktien in passiven Portfolios untergebracht sein, glaubt De Planta. Der Trend zu passiven Anlagestrategien habe „systemrelevante Proportionen erreicht, die unter anderem zu oligopolistischem Marktverhalten führen können“.
Oligopole Strukturen, also die marktbeherrschende Stellung einiger Großunternehmen, sieht De Planta heraufziehen, weil seiner Meinung nach Passivinvestments den Wettbewerbsdruck für Unternehmen absenkten. Für den Pictet-Experten eine bedenkliche Entwicklung: Passive Vehikel pickten sich nicht einzelne Wettbewerber heraus, sondern investierten breit in komplette Sektoren. Sie seien nicht daran interessiert, dass sich ein Mitbewerber deutlich von der Masse abhebe. Das nehme Unternehmen den Anreiz, sich in einen fruchtbaren Wettbewerb miteinander zu begeben, so De Planta.
Der fehlende Konkurrenzdruck werde den Anreiz zu Preissenkungen dämpfen: Ein Investor, der auf einen gesamten Sektor setze, sei an Preiskämpfen der Unternehmen untereinander kaum interessiert. Das ziehe Verwerfungen innerhalb ganzer Branchen nach: In der US-Luftfahrtbranche und im Bankenbereich seien entsprechende Entwicklungen bereits zu beobachten, nennt De Planta als Beispiel. Demnächst könnten auch Telekom-Unternehmen und Versorger in Mitleidenschaft gezogen werden.
Einen einfachen Blick auf die Gebühren hält De Planta für zu kurz gegriffen, um die Attraktivität eines Investments zu bestimmen – obwohl Passivfonds hier vor ihrer aktiven Konkurrenz zweifelsohne punkten könnten. Es solle einmal wissenschaftlich ausgewertet werden, welche langfristigen Folgen auf die gesamte Wirtschaft der Trend zum passiven Anlegen zeitige, fordert der Pictet-Chef.
Können aktive Manager angesichts der deutlich steigenden Präferenzen von Anlegern für passive Investments ihrerseits etwas tun? Etwas verklausuliert empfiehlt ihnen De Planta, die Kostenseite im Blick zu behalten, um sich konkurrenzfähig zu halten. De Planta formuliert das so: Aktive Asset Manager seien „unverändert in der Pflicht, attraktive kosteneffiziente Renditen für ihre Kunden zu erwirtschaften.“
Autor: Iris Bülow
Quelle: DAS INVESTMENT.