Das Investment: Wie die Niedrigzinsen das Geschäft der Bausparkassen umkrempeln

sjb_werbung_das_investment_300_200In einer aktuellen Studie sucht die Verbraucherzentrale Bremen Antworten auf die folgenden Fragen: Ist das Bausparmodell noch zeitgemäß? Inwiefern ist das System der Bausparkassen noch stabil? Reichen die gesetzlichen Neuerungen aus, um etwaige Risse im Bausparmodell zu schließen?

Hinweis: Die vollständige Studie können Sie hier herunterladen. Im folgende haben wir die wichtigsten Ergebnisse zusammengestellt.

Einen Bausparvertrag ansparen lassen und anschließend ein günstiges Bauspardarlehen für den Erwerb eines Eigenheims vergeben – so sieht das klassische Geschäft der Bausparkassen aus. Doch das mehr als 100 Jahre alte Modell funktioniert vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung nur noch bedingt, wie die Verbraucherzentrale Bremen in ihrer Untersuchung zeigt. Die niedrigen Marktzinsen machen den Bausparkassen zunehmend zu schaffen. Und das hat auch Folgen für die Verbraucher.

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Schon seit geraumer Zeit versuchen Bausparkassen, gut verzinste Bausparverträge aufzulösen, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Der Grund: Seit Anfang des Jahrtausends ist die Zinsmarge negativ. „Die Zinserträge der Bausparkassen aus den Bauspardarlehen reichen nicht mehr aus, um die Guthabenzinsen für die Sparverträge zu bezahlen“, sagt Philipp Rehberg, Teamleiter Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Bremen.

Stattdessen erschließen die Kreditinstitute andere Einnahmequellen: Seit Mitte der 1990er-Jahre setzen sie verstärkt auf außerkollektive Darlehen wie Bausparsofortfinanzierungen und entfernen sich immer mehr vom klassischen, kollektiven Bauspargeschäft.

Bauspardarlehen gehen massiv zurück

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Der Wendepunkt war aus Sicht der Immobilienexperten der Verbraucherzentrale Bremen im Jahr 1998 erreicht. Mitte des Jahres überstieg das außerkollektive Geschäft erstmals das kollektive. Inzwischen liegt der Anteil der Bauspardarlehen bei rund zwölf Prozent des Gesamtkreditvolumens der Bausparkassen.

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Dass die Bausparkassen von ihrem eingeschlagenen Weg abweichen, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Das im Dezember 2015 novellierte Bausparkassengesetz und die Änderung der entsprechenden Verordnung erlauben ihnen nun, in noch größerem Umfang auf Mittel aus der Zuteilungsmasse zuzugreifen, um außerkollektive Finanzierungen zu vergeben. Außerdem dürfen sie in Aktien investieren und Rücklagen auflösen, die eigentlich die Zuteilung sichern sollten.

Im Gegenzug soll zwar ein verbessertes Risikomanagement der Bausparkassen die Verbraucher effektiver schützen. Doch aus Sicht der Verbraucherschützer bergen die Maßnahmen dennoch erhebliche Risiken für Bausparer.

In einer aktuellen Studie sucht die Verbraucherzentrale Bremen Antworten auf die folgenden Fragen: Ist das Bausparmodell noch zeitgemäß? Inwiefern ist das System der Bausparkassen noch stabil? Reichen die gesetzlichen Neuerungen aus, um etwaige Risse im Bausparmodell zu schließen?

Das Fazit der Studie

Die Anzahl der Neuabschlüsse und die weiterhin stabile Gesamtzahl an Bausparverträgen zeigen, dass Bausparen in Deutschland weiterhin populär ist.

Es bestehen jedoch Zweifel, ob das klassische Bauspargeschäft heute noch zeitgemäß ist, da die Bausparkassen sich selbst immer weiter davon entfernen. Das außerkollektive Geschäft mit Vor- und Zwischenfinanzierungen sowie sonstigen Baudarlehen hat das kollektive Geschäft weit überholt, auf das sich das System der Bausparkassen einst gründete.

Indiz für Risse im System: Viele Bausparkassen kündigen gut verzinste Bausparverträge vor Erreichen der Bausparsumme. Die Vielzahl von Vertragskündigungen könnte der Reputation des Bausparmodells schaden. Fragen die Verbraucher Bausparverträge aus diesem Grund weniger nach, könnte dies die Stabilität des Modells gefährden.

Die anhaltende Niedrigzinsphase belastet das System der Bausparkassen. Bauspardarlehen – Kernprodukt und eigentliche Haupteinnahmequelle der Bausparkassen – werden kaum nachgefragt. Für die Finanzierung wohnungswirtschaftlicher Maßnahmen stehen auf dem Markt wesentlich günstigere Darlehen zur Verfügung.

Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt. Die Änderung des Bausparkassengesetzes und der dazugehörigen Verordnung ermöglicht es den Bausparkassen nun, ihre Erträge durch erweiterte Anlagemöglichkeiten von Kollektivmitteln und Rückführungen aus dem Fonds zur bauspartechnischen Absicherung zu steigern. Die bisherige Beleihungsgrenze entfällt, Aktiengeschäfte sind im begrenzten Umfang möglich. Zudem können Bausparkassen ihr außerkollektives Geschäft noch weiter ausbauen, und es ist zu erwarten, dass sie dies auch tun werden. Insbesondere gilt dies für den Vertrieb von Bausparsofortfinanzierungen.

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Für den Verbraucher ist diese Entwicklung nicht unbedingt vorteilhaft: Bausparsofortfinanzierungen bergen spezifische Risiken, falls sich Zuteilungen verzögern oder die Bausparkasse den Geschäftsbetrieb einstellt. Verzögert sich die Zuteilung des mit dem Vorausdarlehen kombinierten Bausparvertrags, entstehen dem Darlehensnehmer zusätzliche Kosten. Stellt die Bausparkasse ihren Geschäftsbetrieb ein, entfällt unter Umständen die Zuteilung des Bauspardarlehens, und der Verbraucher muss sich eine anderweitige Anschlussfinanzierung suchen. Verbraucher finden überdies auf dem Markt Konkurrenzprodukte mit langfristigen Zinsbindungen. Diese bieten bei mindestens gleichwertigen Konditionen die Vorteile einer Bausparsofortfinanzierung, ohne deren Nachteile mit sich zu bringen.

Der Gesetzgeber wollte mit der Novellierung des Bausparkassengesetzes und der Neufassung der Bausparkassenverordnung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Absicherung des Bausparkollektivs und Stärkung der Ertragskraft der Bausparkassen schaffen. Die Auswirkungen der Gesetzesänderungen können derzeit zwar noch nicht abgeschätzt werden. Sicher ist aber, dass die erweiterten Möglichkeiten der Bausparkassen die Risiken für das Bausparkollektiv erhöhen. Namentlich gilt dies für die Anhebung der Beleihungsgrenze, die Geldanlage in Aktien und die neu geschaffene Zugriffsmöglichkeit der Bausparkassen auf den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung.

Wird im Zusammenspiel etwaiger wirtschaftlicher Fehlentwicklungen mit den vorgenannten Risiken die Zuteilungsmasse dauerhaft verringert, hätte dies Einfluss auf die zeitnahe Vergabe von Bauspardarlehen und unter Umständen sogar auf die Rückzahlung von Bausparguthaben. Die Verbraucher müssten also länger auf Geld warten, das ihnen vertraglich zusteht – und das sie im Ernstfall dringend benötigen.

Die gesetzgeberischen Maßnahmen dienen der wiederholten Nachsteuerung, um konjunkturbedingte Belastungen des Bausparsystems zu vermeiden oder zu mildern. Es stellt sich die Frage, ob die geschilderten Risiken für das Bausparsystem hierdurch nunmehr beseitigt sind. Sollte sich schließlich doch herausstellen, dass ein strukturelles Problem besteht, welches ständige Nachregulierung erfordert, ist die rechtliche Sonderbehandlung der Bausparkassen möglicherweise nicht mehr zu rechtfertigen.

Ob und wie die Bausparkassen künftigen Belastungen des Bausparsystems durch effizientes und unter starker Aufsicht stehendes Risikomanagement wirksam begegnen können, bleibt also abzuwarten. Vorab lässt sich dies nicht einschätzen. Wie die Recherchen zu diesem Themendossier ergeben haben, sind weder Einzelheiten der bauspartechnischen Simulationen transparent noch werden deren Ergebnisse in einer Weise publiziert, die eine Beurteilung durch Außenstehende zulassen.

Erweisen sich die Maßnahmen zur Sicherung des Bausparkollektivs als nicht ausreichend, könnte es in einer Phase steigender Zinsen zu erheblichen Verzögerungen bei der Zuteilung von Bauspardarlehen kommen – so wie Anfang der 1980er-Jahre. Dies gilt insbesondere, falls der zur Vermeidung dieses Szenarios gedachte Fonds zur bauspartechnischen Absicherung wegen vorzeitiger Leerung nicht zur Verfügung steht.

Als mögliche Gegenmaßnahme könnten sich die Bausparkassen dann beispielsweise auf eine bislang nicht praxisrelevante Bestimmung in ihren Allgemeinen Bausparbedingungen berufen, die ihnen erlaubt, den vereinbarten Darlehenszins mit Zustimmung der Bafin nachträglich zu ändern. Wenn die Bausparkassen stark unter Druck stehen, ist das ein durchaus denkbares Szenario.

Quelle: Das Investment

Siehe auch

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