Das Investment: „Sell in May and go away“: Mai-Börsenregel auf dem Prüfstand

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 SJB | Korschenbroich, 12.05.2015. Über Jahrhunderte hat sich die alte Börsenweisheit „Sell in May“ oft bewahrheitet. Nur in der letzten Zeit gibt es sehr viele Ausreißer, sagt Thomas Heidel, Leitung Research bei Fidal. Wie vorhersagbar sind saisonale Schwankungen an der Börse?

Die Finanzmärkte eilen von Rekord zu Rekord. Doch eine alte Börsenweisheit rät, im Monat Mai zu verkaufen. Gilt sie auch diesmal? Was steckt hinter dieser Börsenweisheit, Aktien aus saisonalen Gründen zu verkaufen? Eine wissenschaftliche Untersuchung des Finanzprofessors Ben Jacobsen, die das Jahr in zwei Hälften aufteilt (Mai-Okt & Nov-Apr), hat aufgezeigt, dass in den letzten 319 Jahren, in 81 von 108 Ländern, durchschnittlich ein positiverer Verlauf der Aktienkurse in den Wintermonaten gegenüber den Sommermonaten nachgewiesen werden kann.

Der Effekt ist an westeuropäischen Börsen am stärksten festzustellen. Eine Studie des amerikanischen Finanzinformationsunternehmens Morningstar hat bei einer Betrachtung des S&P 500, über den Zeitraum 1929 bis Ende 2014, eine Überperformance der Wintermonate gegenüber den Sommermonaten von 3,2 Prozent herausgefunden. Der Effekt geht bei einem aktuelleren Zeitraum etwas zurück: für die 2000er-Jahre beträgt er nur 2,6 Prozent. Eine Studie von Professor Dirk Schiereck von der technischen Universität Darmstadt zum Mai-Effekt, spricht von einer Trefferquote von fast 70 Prozent über die letzten 25 Jahre, für die DAX-Index-Familie und den MSCI World Index.

Allerdings stellte er auch fest, dass sich seit 2000 die Regel nur in sechs Fällen als wahr, dafür aber neun Mal als falsch erwiesen hat. Auch wenn die Wintermonate, im historischen Kontext, im Vergleich zu den Sommermonaten die stärkeren Monate waren, haben zum Beispiel die Sommerphasen des S&P 500 in 2013 (+10 Prozent) und 2014 (+7 Prozent) recht gut abgeschnitten. Die profitable Umsetzung einer auf die Ausnutzung von saisonalen Tendenzen abgerichteten Strategie dürfte sich für den normalen Anleger etwas schwierig gestalten. Wie man der Darstellung „Strategievergleich“ entnehmen kann, ist eine einfache Kaufen-und-Halten-Strategie (blaue Linien) den beiden saisonalen Strategien (grüne und rote Linien) performan- cetechnisch überlegen.

Die fundamentalen Erklärungsversuche für die generell schwächere Performance der Aktienbörsen in den Sommer/Winter-Monaten klingen wenig überzeugend. Der geringere Nachrichtenfluss, das heiße Wetter, dünne Börsenumsätze und die Urlaubszeit sollen die Euphorie der Börsenanleger dämpfen. Doch die Privatinvestoren prägen ohnehin nicht mehr das Bild der Börsen. Spezielle einmalige Ereignisse haben in der Vergangenheit die Statistik verzerrt: Asienkrise (Sommer 1997), Russlandkrise (August 1998), Terror-Anschlag (11. September 2001), Lehman-Pleite (September 2008).

Als Fazit sollten Anleger nicht allein ein saisonales Muster als Grundlage für das Handeln nehmen. Angesichts der Höchststände an den Börsen und der Schnelllebigkeit der Aktienkurse müssen Anleger jederzeit – und nicht nur im Mai – wachsam sein. Die Mitnahme von Gewinnen oder die Begrenzung von Verlusten kann durchaus sinnvoll sein, allerdings sollte man dafür, je nach seinem Anlagehorizont, fundamentale oder portfoliotechnische Gründe haben.

Sollten die Aktienkurse weiterhin steigen, verpasst der Investor mit einem zu frühzeitigen Ausstieg und fehlendem Wiedereinstieg die Teilnahme an potenziellen Aktienkursgewinnen. Auch entsteht das Problem der alternativen Verwendung der freigesetzten Beträge. Sind im Moment unter einer Chance/Risiko-Betrachtung Anleihen oder Cash attraktivere Anlagealternativen? Solange die Zentralbanken Geld quasi zum Nulltarif verschenken, viele Anleihen mit sehr guter Bonität nur Negativrenditen aufweisen, Aktienrückkaufprogramme noch reichlich aufgelegt werden und Übernahmephantasien existieren, könnte der diesjährige Sommer doch noch etwas für die Aktienanleger bringen.

Durchschnittliche Monatsrenditen DAX seit 1948

Von: Thomas Heidel

Quelle: DAS INVESTMENT.

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